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Montenegro: Ohne Milo Djukanovic scheint es nicht zu gehen

28. Februar 2008

In Montenegro soll Milo Djukanovic abermals zum Regierungschef gewählt werden. Damit wäre erneut der Mann am Steuer, der wie kein zweiter für die Verflechtung von Wirtschaft und Politik im Lande steht.

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Designierter neuer alter RegierungschefBild: AP

Voraussichtlich am Freitag (29.2.) wird Milo Djukanovic im Parlament in Podgorica zum vierten Mal zum Ministerpräsidenten Montenegros gewählt werden. Seine Sozialdemokraten regieren seit fast zwei Jahrzehnten ununterbrochen. Vor knapp zwei Jahren haben sie die Republik in die Unabhängigkeit geführt. Damals erklärte Djukanovic seine wichtigsten politischen Ziele für erledigt. Er wollte lediglich Parteichef bleiben. Doch Anfang dieses Jahres musste sich sein Nachfolger Zeljko Sturanovic aus Gesundheitsgründen zurückziehen. Nun kehrt Djukanovic aus dem Hintergrund wieder an die Regierungsspitze zurück. Und die Montenegriner rätseln: warum?

Umstrittener Zigarettenhandel

Jedenfalls nicht, um sich vor der im letzten Jahr erneut erhobenen Anschuldigung der italienischen Staatsanwaltschaft zu schützen, wonach er, Milo Djukanovic, in den neunziger Jahren Zigarettenschmuggel nach Westeuropa betrieben habe. Das meint zumindest der Politologe Svetozar Jovicevic in Podgorica: „Das ist übertrieben. Schon als Parlamentarier, sogar als einfacher Bürger Montenegros, ist Djukanovic durch Immunität geschützt und kann nicht an ein fremdes Land ausgeliefert werden. Übrigens, diese Ermittlungen in Italien sind schon geschmacklos geworden.“

Dass über Montenegro zu Zeiten der Jugoslawien-Kriege Zigaretten transportiert wurden, bestätigt Djukanovic selbst. Doch war das nach seiner Ansicht kein Schmuggel, sondern legaler Warenverkehr in Richtung EU. Hätte die italienische Justiz anderweitige Beweise gehabt, so meinen auch seine Kritiker, hätte sie diese schon vor Jahren vorlegen können. Der Politologe Jovicevic sagt dazu: „Für mich ist es viel wichtiger zu klären, welchen Einfluss Djukanovic in Montenegro gehabt hat, wie die enormen, illegal entstandenen Reichtümer in Händen weniger Menschen die unternehmerische und die gesellschaftliche Ethik in Montenegro zerstört haben.“

Ungeklärte Vermögensbildung

In Montenegro leben 40 Prozent der 650.000 Einwohner an der Armutsgrenze oder darunter. Das obere Dutzend besitzt jetzt auch offiziell Millionen. Dass sich die Machthaber und ihre Cliquen jahrelang bereichert haben, zeigte sich im letzten Jahr beim ersten montenegrinischen Bericht zum Vermögensstatus der Abgeordneten. Darin meldete Djukanovic knapp 1,5 Millionen Euro Vermögen, drei Firmen und eine Universität an. Nicht erwähnt wurden, behauptet die Opposition, die Wohnungen und Jachten seines Sohnes, die Auslandsfirmen seiner Tochter und vor allem der Reichtum seines älteren Bruders, des Baulöwen Aco. Das Startkapital, so wird vermutet, waren bei Djukanovic wie auch bei anderen Spitzenpolitikern die Einnahmen aus Zigaretten- und Ölschmuggel. So etwas dementiert Milo Djukanovic vehement. Er habe von einer – nicht genannten – britischen Bank Kredit bekommen. Und bei seinen Investitionen habe er eben eine gute Nase gehabt, sagt der Politiker.

Warum will er dann noch einmal Regierungschef werden, wenn es sich privat so erfolgreich wirtschaften lässt? Dazu meint Svetozar Jovicevic: „Der Verkauf einiger Staatsunternehmen, den er in die Wege geleitet hatte, wurde wegen Bedenken in seiner Partei gestoppt. Er glaubt, und damit hat er Recht, dass er nun die eigenen Reihen schließen kann, um die Privatisierung zu beschleunigen.“

Ausverkauf des Staates?

Rund 80 Prozent der einstigen öffentlichen Firmen befinden sich schon in privater Hand. Der größte Investor ist einer der reichsten Männer Russlands, der Stahlunternehmer Oleg Deripaska. Trotz lauter Kritik von Wirtschaftsexperten in Podgorica kaufte sich Deripaska unter Vermittlung Djukanovics in die montenegrinische Stahlindustrie ein. Teil der Abmachung war, so wollen Insider wissen, dass der Russe auch die staatliche Energieversorgung übernimmt. Da wollte der Vorgängerpremier aber nicht mitmachen. Nun müsse Djukanovic, so eine Lesart, den Deal selbst durchziehen.

Zum Verkauf stehen auch die ungenutzten Immobilien der Armee und Teile der Adriaküste, an der vor allem wieder russische Investoren – der prominenteste ist der in London lebende Geschäftsmann Roman Abramowitsch – Hotels und Villen bauen wollen. Um diesen, wie Kritiker meinen, Ausverkauf des Staates den Bürgern schmackhafter zu machen, könnte Milo Djukanovic zuerst einige regionale Großprojekte wiederbeleben. Gebaut werden sollen ein Wasserwerk an der Grenze zu Bosnien, um die Strom- und Wasserversorgung zu sichern, und eine Süd-Nord-Autobahn über die serbische Grenze.

Filip Slavkovic, DW-Serbisch