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Proteste in Nordchina

25. Mai 2011

Die Lebensgrundlage der mongolischen Nomaden in Nordchina ist in Gefahr. Seit Jahren bauen chinesische Unternehmen Kohle ab und zerstören die Steppe. Inzwischen demonstrieren Tausende.

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Sicherheitskräfte stehen einer Gruppe von protestierenden Nomaden gegenüber (Foto: boxun.com)
Aufgebot von Sicherheitskräften: Hirten-Proteste gegen die Zerstörung ihres LebensraumsBild: boxun.com

Die Nomaden in der Region Silin Gol in der Inneren Mongolei im Norden Chinas sind wütend. Seit Jahrhunderten betreiben sie Viehzucht in den weiten Steppen der Inneren Mongolei in Nordchina. Doch ihre Lebensgrundlage ist in Gefahr: Seit Jahren bauen chinesische Unternehmen Kohle ab und zerstören die Steppe. Die Nomaden wollen dies nicht länger hinnehmen. Tausende protestierten vor dem Gebäude der Lokalregierung im Kreis Uzumchin. Die Behörden reagierten mit einem massiven Aufgebot an Sicherheitskräften.

Ausgelöst wurden die Demonstrationen durch den Tod des Hirten Mergen Mitte Mai. Mergen hatte mit anderen Nomaden gegen den Kohleabbau in Uzumchin protestiert. Da es rund um das Abbaugebiet keine Straßen oder Schienen gibt, fahren die riesigen Kohletransporter quer durch die Steppe. Dabei zerstören sie das Weideland und überfahren immer wieder Schafe und Rinder der Nomaden. Mergen hatte sich einem der LKW entgegengestellt und war Augenzeugenberichten zufolge mit Absicht überfahren worden. Die Behörden nahmen den Fahrer fest und boten der Familie des Toten umgerechnet rund 60.000 Euro an - unter der Bedingung, dass sie über den Vorfall schweigen sollte. Die Familie lehnte ab.

"Wir wollen kein Geld, sondern Würde"

Der in Deutschland lebende Mongole Xi Haiming beobachtet die Situation in Silin Gol genau. Er glaubt nicht, dass Entschädigungszahlungen die Wut der mongolischen Hirten in der Region eindämmen werden. "Der Konflikt verschärft sich. Die Nomaden sind sehr wütend, Geld kann diesen Konflikt nicht lösen." Die Nomaden forderten die konkrete Umsetzung der Rechte, die ihnen per Gesetz zugesichert wurden, so Xi.

Offenbar hat das finanzielle Angebot der Lokalregierung den Zorn der Nomaden noch angeheizt. Augenzeugenberichten zufolge skandierten die Demonstranten bei den Protesten: "Wir wollen kein Geld, sondern Würde!" Nach Angaben von Radio Free Asia und dem Weblog "Southern Mongolian comment on current affairs" fordern die Nomaden um den Hirten Mergen die lokale Regierung schon seit letztem Jahr auf, ihre Lebensbedingungen besser zu schützen.

Rohstoffe unter der Steppe

Eine Gruppe von Demonstranten und Sicherheitskräften(Foto: boxun.com)
Einige Demonstranten wurden festgenommenBild: boxun.com

Die Innere Mongolei ist eine autonome Region Chinas und reich an Kohle und Erdgas - wichtige Rohstoffe für Chinas hungrige Wirtschaft. Chinesische Unternehmen investieren Milliarden, um diese Bodenschätze auszubeuten.

Aber eigentlich steht laut chinesischem Gesetz den einheimischen Mongolen das Bodennutzungsrecht zu, erklärt Chen Jiqun, Gründer der NGO "Echoing Steppe", die sich für den Schutz des mongolischen Weidelandes einsetzt. "Lokale Beamten wenden das Gesetz häufig nicht an. Sie registrieren das Land nicht und stellen auch keine Eigentumszertifikate aus." In Uzumchin, wo dieser Vorfall passiert ist, sei genau das der Fall, sagt Chen. "Und jetzt besetzt die Wirtschaft diese Lücke."

Weideland droht auszutrocknen

Steppenlandschaft mit Schäfer und seinen Schafen (Foto: DW-TV)
Der Kohleabbau gefährdet sein Land: Hirte im Norden Chinas und seine Schafe

Für die Nomaden sind die Folgen dramatisch. Ihnen droht der Entzug der Lebensgrundlage. Dabei ist die Zerstörung des Weidelandes durch die Kohletransporter noch das kleinste Problem. Seit den 1990er Jahren beuten chinesische Unternehmen die Bodenschätze in der Inneren Mongolei aus. Die Umwelt wird dabei unwiederbringlich zerstört, erklärt Chen Jiqun. "Dort ist trockene Steppe, es gibt sehr wenig Oberflächenwasser, auch die Grundwasserressourcen sind sehr begrenzt." Kohlebergbau oder Industrie brauche riesige Mengen an Grundwasser und verursache die Austrocknung der Steppe, so Chen.

Inzwischen hat die lokale Regierung von Uzumchin bestimmt, dass ein Gebiet von rund 13 Quadratkilometern um das Kohleabbaugebiet zeitweise nicht als Weideland genutzt werden darf. Im Internet haben mongolische Nomaden zu weiteren Protesten aufgerufen.

Autor: Christoph Ricking

Redaktion: Ana Lehmann