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Molina: "Das Ozonloch haben wir im Griff"

Hannah Fuchs / db5. Juli 2013

Das Ozonloch könnte sogar wieder ganz verschwinden, sagt Chemie-Nobelpreisträger Mario Molina. Aber zurücklehnen können wir uns nicht: Dafür fordern jetzt andere Umweltprobleme eine baldige Lösung.

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Mario Molina Foto: EPA/CHEMA MOYA
Mario MolinaBild: picture-alliance/dpa

Deutsche Welle: Herr Molina, zusammen mit Paul Crutzen und Sherwood Rowland entdeckten Sie, wie gefährlich bestimmte industrielle Gase, zum Beispiel Flugzeugabgase, für die Ozonschicht sind. Was wäre wohl passiert, wenn Sie diese Entdeckung nicht gemacht hätten?

Mario Molina: Eventuell wären andere Wissenschaftler darauf gestoßen, aber womöglich viel später. Wenn die Gesellschaft nicht auf unsere Forschungsergebnisse reagiert hätte - und gesetzt den Fall, dass niemand sonst gewarnt hätte -, hätten wir heute große Probleme, denn die Produktion von schädlichen industriellen Gasen hätte weiter zugenommen.

In diesem Jahrhundert hätten wir ernsthafte Umweltprobleme, es gäbe erheblichen Schaden an der Schutzschicht in der Stratosphäre. Außerdem würde es auch die Struktur der gesamten Atmosphäre verändern, mit ernsten Folgen für deren Funktionsweise. Zunächst dachten wir nicht darüber nach, was hätte passieren können. Zu dem Thema gibt es aber Unterlagen: wenn nichts geschehen wäre, hätte es eine Katastrophe gegeben.

Wie hätte das unser Leben beeinflusst?

Es hätte uns sehr betroffen. Die schlimmste direkte Auswirkung wäre der Anstieg der Hautkrebsrate gewesen, aber es hätte auch indirekte Auswirkungen auf die Ökosysteme gegeben, die wiederum für unser Wohlbefinden wichtig sind. Wir hängen stark davon ab, wie uns die Natur Güter liefert, zum Beispiel im Ackerbau. Die vielen Dinge, die wir von der Natur bekommen, wären geschädigt worden.

Vor ein paar Jahren war das Ozonloch ein riesiges Thema. Heute redet kaum noch jemand darüber. Ist es immer noch ein Problem oder haben wir es im Griff?

Nein, es ist kein Problem mehr, das haben wir in diesem Jahrhundert im Griff - es ist mehr oder weniger gelöst. Der Grund dafür ist ein sehr erfolgreiches internationals Abkommen, das Montrealer Protokoll, das fast alle Länder dieser Erde angenommen haben: Sie haben sich verpflichtet, diese Chemikalien, die die Ozonschicht zerstören, nicht mehr zu produzieren und sie bis 1996 in allen Industrienationen abzuschaffen, in den anderen Ländern etwas später.

Zum Glück gibt es die extrem nützlichen Anwendungen dieser Gase immer noch, zum Beispiel Klimaanlagen und Spraydosen, aber mit anderen Chemikalien, die die Stratosphäre nicht schädigen. Deswegen hört man auch nichts mehr darüber: Es ist im Grunde genommen ein gelöstes Problem.

ARCHIV - Das NASA-Satellitenfoto dokumentiert die Größe des Ozonlochs über der Arktis im Winter 1999/2000. Foto: dpa
Das Ozonloch über der Arktis im Winter 1999 - vier Jahre nachdem Mario Molina für seine Forschung zum Thema ausgezeichnet wurdeBild: picture-alliance/dpa

Heißt das, das Ozonloch ist inzwischen verschwunden?

Nein, wir haben immer noch ein Ozonloch. Der Grund, warum die Ozonschicht sich noch nicht völlig erholt hat, ist, dass diese industriellen Komponenten jahrzehntelang in der Umwelt bleiben. Was wir heute sehen, sind die Emissionen des vergangenen Jahrhunderts. Deswegen schätzen wir, dass es noch ein paar Jahrzehnte dauern wird, bis die Ozonschicht sich erholt hat. Aber wir sehen schon die Anfänge dieser Erholung und wir sind sicher, dass die schädlichsten Verbindungen nicht mehr in die Atmosphäre gelangen. Wir sehen nur, was früher ausgestoßen wurde.

Wird die Ozonschicht sich möglicherweise in einigen Jahrzehnten völlig erholt haben?

Möglich ist es. Es gibt allerdings eine Schwierigkeit. Wir haben heute ein anderes globales Umweltproblem: den Klimawandel. Und der verändert die Struktur der Atmosphäre. Obwohl die Probleme unterschiedlich sind, gibt es eine Wechselbeziehung zwischen dem Ozonproblem und dem Klimawandelproblem. Die Ozonschicht wird sich wohl langsamer erholen, da die Oberflächentemperatur ansteigt, während die Temperatur in der Stratosphäre sinkt. Daher könnte es etwas länger dauern, bis sich die Stratosphäre erholt hat. Aber im Prinzip ist die gute Nachricht: die schädlichen Kohlenstoffverbindungen verschwinden.

Also halten Sie den Klimawandel auch für ein großes Problem. Wie drängend ist es wirklich?

Es ist eines der größten Themen, mit der sich die heutige Gesellschaft auseinandersetzen muss. Vielleicht hat der Klimawandel ja auch positive Seiten, zum Beispiel längere Wachstumsperioden in einigen nördlichen Ländern. Die Hauptfolgen sind allerdings schädlich, zum Beispiel extreme Wetterlagen, Hochwasser, Dürren, Hitzewellen und stärkere Hurrikane. Die würden unserer Gesellschaft sehr schaden - und es geht schon los. Wenn wir nicht bald handeln, wird das alles noch schlimmer, das ist eine große Sorge.

Die gute Nachricht ist: von einer technologischen Warte aus gesehen, lassen sich diese Probleme lösen. Vor allem die Politik macht es im Moment so schwierig. Aber wir sind der Meinung, dass das wissenschaftliche Anliegen so wichtig ist, dass die Gesellschaft in naher Zukunft reagieren wird - hoffentlich noch dieses Jahrzehnt.

Mario Molina ist ein mexikanischer Chemiker. Er erhielt 1995 zusammen mit den Chemikern Frank Sherwood Rowland und Paul Crutzen den Nobelpreis für Chemie für die Erforschung der Zerstörung der Ozonschicht.

Das Gespräch führte Hannah Fuchs.