1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Mode aus Milchfasern

19. Oktober 2011

Milch ist gesund - und bald auch kleidsam: Die Designerin und Mikrobiologin Anke Domaske hat die Qmilchfaser entdeckt, aus der vor allem Stoffe für Allergiker entstehen sollen.

https://p.dw.com/p/RrWJ
Mode aus Milch stellt Anke Domaskes Firma Qmilch in Hannover her ( Foto: Jannes Frubel)
Bild: Jannes Frubel

Eine ganze Etage in einem trendigen Fabrikgebäude, die Wände weiß, der Boden schwarz. Klar: In der Modewelt darf einfach nichts ablenken, Farbe gehört auf die Kleidung, nicht ins Büro. So also auch bei der Firma Qmilch in Hannover. Das weiße Elixier ist der neueste Coup der Inhaberin Anke Domaske. Die gebürtige Leipzigerin kommt aus einer modebegeisterten Familie und hat schon mit 19 Jahren ein Modelabel aufgemacht: Mademoiselle Chichi, kurz MCC. Doch das allein reichte der ehemaligen Jugend forscht-Teilnehmerin nicht: "Ich dachte, ich lerne was Handfestes, wer weiß, ob das andere klappt," verteidigt sie lachend ihr Biologiestudium. Sechs Jahre ging das so, jeden Morgen zum Studieren nach Göttingen, abends wieder zurück in die Firma.

Chic aus Milchfasern

MCC wurde immer erfolgreicher, selbst Hollywoodschauspielerinnen wie Mischa Barton trugen schon die Sachen der unprätentiösen Studentin. 2009, zum Ende des Studiums, entschied sie sich für die Mode. "Das war ungefähr dann, als wir von Milchfasern erfahren haben. Das ging immer nur mit Chemie und war überhaupt nicht umweltschonend. Wir haben gesagt, das finden wir aber so toll, da stellen wir eine Naturfaser daraus her." Und so vereinte Domaske ihre beiden Leidenschaften kurzerhand zu einer und gründete noch eine zweite Firma, Qmilch.

Suche nach dem Faden

Von der Milch zum Faden: Das Milcheiweiß Casein bildet den Grundstoff der Kleidung (Foto: Jannes Frubel)
Von der Milch zum FadenBild: Jannes Frubel

Zusammen mit ihren sechs Mitarbeitern vom Modelabel stellte sie sich ins Labor und experimentierte. Schon vorher hatten sich einige Produzenten an Milchfasern versucht, aber eine umweltfreundliche Version war nie reißfest genug. Und ausgerechnet der zusammengewürfelten Truppe gelang das Experiment: "Wir kommen ja alle aus unterschiedlichen Disziplinen, ich bin die einzige Naturwissenschaftlerin. Und ich hab ja auch nicht Textilherstellung studiert."

Etwas Glück gehört wohl auch dazu, sagt Domaske, und vor allem Geduld. Das Team mischt ein Rezept zusammen und probiert aus. Ist die Faser wasserfest? Reißfest? Nach mehreren Hundert Malen ist sie es - und die Faser Qmilch ist geboren.

Revolutionärer Milchfaden

Das patentierte Ergebnis ist revolutionär. Zwar wird seit einigen Jahren versucht, den ökologischen Gedanken in der Modebranche zu verankern, die Umsetzung aber ist schwer. Für die Herstellung von Baumwolle zum Beispiel, und sei es Biobaumwolle, braucht man enorm viel Wasser. Einerseits für den Anbau selbst, andererseits für die Herstellung von Kleidung. Denn um die vielen bunten Farben auf die Shirts zu bekommen, müssen Chemikalien eingesetzt und am Ende mit viel Wasser wieder herausgewaschen werden. Auch für Ökomode gilt das bislang, natürliche Farben in guter Qualität gibt es kaum.

Die Milchfaser dagegen kommt mit zwei Litern Wasser bei der Herstellung aus. Außerdem achtet die Firma Qmilch darauf, nur Milch aus Produktionsrückständen zu verwenden. In einer großen Maschine landen also das Milcheiweiß Casein, Wasser und einige andere natürliche Rohstoffe wie Bienenwachs. "Die funktioniert wie ein großer Fleischwolf", erklärt Anke Domaske, "innen hat man zwei Spiralen, dann wird die Masse erhitzt, bis sie verformbar ist. Am Ende hat man eine Spinndüse, da wird die Masse durchgedrückt und dann bekommt man eine Faser, die dünner als ein Haar ist." Und die Faser wird dann wiederum zu einer Zwirnerei und schließlich zum Stoffhersteller geschickt.

Hautverträglich

Die Erfinderin der Qmilchfaser: Anke Domaske (Foto: Jannes Frubel)
Designerin und Erfinderin: Anke DomaskeBild: Jannes Frubel

Auf einem Kleiderständer in der Hannoveraner Fabriketage hängt schon der Prototyp. Obwohl nur 25 Prozent der neuen Faser verwendet worden sind, ist der Unterschied deutlich. Seidig und leicht fühlt sich das Kleidungsstück an. Darum hat Kleopatra also immer in Milch gebadet.

Die gute Verträglichkeit war ohnehin ein wichtiger Grund für die Unternehmerin, überhaupt eine Milchfaser zu entwickeln. Viele Freunde in ihrem Umfeld sind Allergiker, können teilweise noch nicht einmal ein einfaches T-Shirt anziehen, ohne darauf allergisch zu reagieren. Domaske sagt: "Das berührt einen schon sehr. Solchen Menschen wollten wir helfen und das war der Ausgangspunkt."

Gute Absatzchancen

Der Markt für die antiallergene Textilie ist riesig. Immer mehr Menschen reagieren auf die Chemikalien im Alltag, die überall verwendet werden: in der Kleidung, dem Bettzeug, den Autositzen. Das Interesse der entsprechenden Branchen war natürlich groß. Automobilhersteller, Hotels und Medizintechniker hatte Anke Domaske schon am Telefon. Nächstes Jahr startet Qmilch die Produktion in Hannover, die Faser wird dann nicht mehr nur im eigenen Modelabel verarbeitet, sondern auch für alle anderen Kunden offen sein. Zuerst aber muss die 28-Jährige sich neue Räume suchen. Wahrscheinlich in einer noch größeren Fabriketage mit weißen Wänden und schwarzem Boden.

Autorin: Johanna Kutsche

Redaktion: Klaus Gehrke