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"Mittelständler sind in Afrika zögerlich"

Nicolas Martin
3. November 2017

Die Weltbank sieht in den Ländern von Subsahara-Afrika positive Wachstumsimpulse. Warum die deutsche Wirtschaft trotz guter Aussichten skeptisch ist, erklärt Afrikaexperte Rainer Thiele im DW-Interview.

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Mali Bamako - Brückenbau
Bild: picture-alliance/Photoshot

Deutsche Welle: 2018 soll die Wirtschaft um 3,2 Prozent wachsen, 2019 sogar um 3,5 Prozent - die Weltbank ist für Subsahara-Afrika sehr optimistisch. Wie erklären Sie sich das?

Rainer Thiele: Das kann man gut erklären. Seit 2000 ist Afrika bis 2014 sehr stark gewachsen. Das war vor allem den hohen Rohstoffpreisen geschuldet - Chinas Nachfrage hat da eine große Rolle gespielt. Dann sind 2014 die Rohstoffpreise eingebrochen und das hat sich auch in einer Delle im Wachstum widergespiegelt. Die Rohstoffpreise ziehen nun wieder an - das erklärt also einen Teil dieser recht optimistischen Wachstumsprognose. Der andere Teil fußt darauf, dass ein Teil der afrikanischen Länder die Rahmenbedingungen in den letzten zehn Jahren stark verbessert haben und auch einen selbstständigen Aufschwung ohne die Abhängigkeit von Rohstoffen erzielt haben. Da sind beispielsweise Äthiopien, Ruanda teilweise auch die Elfenbeinküste zu nennen.

Rainer Thiele; Institut für Weltwirtschaft Kiel
Leitet am Institut für Weltwirtschaft Kiel die Abteilung Armutsreduzierung und Entwicklung - Rainer ThieleBild: Institut für Weltwirtschaft, Kiel/Studio 23

Sie haben gesagt: Die Rahmenbedingungen verbessern. Was heißt das denn konkret?

Dass es für ausländische Unternehmen einfacher ist, eine Niederlassung in Afrika aufzumachen. Äthiopien ist ein Beispiel: Dort ist eine Textilindustrie mit chinesischen, amerikanischen und europäischen Investoren entstanden. Die äthiopische Regierung hat vieles sehr stark vereinfacht. Das heißt, Unternehmen können schneller angemeldet werden. Ruanda hat auch Ähnliches gemacht. Die Regierung hat die Eigentumsrechte für Unternehmen verbessert. Das hat alles dazu geführt, dass nicht nur ausländische, sondern auch inländische Unternehmen in diesen Ländern stark gewachsen sind.

Dennoch hat sich der Kontinent als Ganzes vor allem durch politische Unsicherheiten und Naturkatastrophen einen Namen gemacht. Hat sich an diesem Umfeld in den letzten zehn Jahren etwas geändert?

Das kann man nicht sagen. Afrika ist ja ein Kontinent mit 54 Ländern - da muss man sehr stark differenzieren. Es gibt immer noch eine Reihe von Ländern, auf die das Klischee der politischen Unsicherheit und Konflikte zutrifft. Aber es gibt eben auch eine Reihe von Ländern, wo sich die Stabilität verbessert hat. Beispielsweise die Elfenbeinküste, wo es vor sieben Jahren auch noch Bürgerkrieg gab. Oder Ghana, das seit Jahrzehnten eigentlich sehr stabil ist. Das muss man sehr differenziert sehen. Aber es gibt eben wichtige und große Länder, in denen sich die Lage verbessert hat.

Der IWF sagt, es gibt knapp 34 afrikanische Länder, in denen sich das Wachstum pro Kopf verringert habe, wie passt das zu den positiven Wachstumsprognosen der Weltbank?

Das Pro-Kopf-Einkommen hängt ja vom dem Wachstum und von der Bevölkerungswachstumsrate ab. Und da liegt Afrika noch immer sehr weit hinter den anderen Kontinenten zurück, was die Reduktion des Bevölkerungswachstums angeht. Also ein Beispiel: Wenn man ein Bevölkerungswachstum von drei Prozent hat und ein Wirtschaftswachstum von drei Prozent, dann hat man ein Pro-Kopf-Wachstum von null. Und das ist in vielen Ländern eben ein Problem, dass die Bevölkerung sehr stark wächst und das Wirtschaftswachstum quasi nicht schritthalten kann. Aber diese Zahlen des IWF beziehen sich auch auf die letzten Jahre und da hat eben auch der Einbruch der Rohstoffpreise in vielen Ländern eine Wachstumsdelle hinterlassen.

Wenn die positiven Prognosen der Weltbank zutreffen - sind die Rahmenbedingungen gegeben, dass das Wachstum auch in die Taschen aller Bevölkerungsschichten fließt?

Was man immer wieder beobachten kann: Länder, die stark von Rohstoffen abhängen - in denen übersetzt sich Rohstoffabbau nicht unbedingt in Armutsreduzierung, weil der Abbau von Rohstoffen in der Regel kapitalintensiv ist: Da werden beispielsweise Ingenieure aus dem Ausland geholt. Das heißt: Das Wachstum ist nicht arbeitsintensiv und die lokale Bevölkerung profitiert nicht so stark. Anders ist das in relativ stark diversifizierten Volkswirtschaften - ich nenne mal wieder Äthiopien, Ghana, Ruanda - in denen arbeitsintensive Industrien wie Landwirtschaft oder die Textilindustrie stark sind. Da kann man davon sprechen, dass Wachstum mit Armutsreduzierung einhergeht. Da sieht man deutlich eine Spaltung zwischen den stark rohstoffabhängigen Volkswirtschaften wie Nigeria, die nie ihr Potenzial erfüllt haben und immer noch eine sehr hohe Armut haben - trotz eines unglaublichen Reichtums an Ressourcen.

Wird Afrika langsam vom vergessenen zum Chancenkontinent?

In der deutschen Politik wird Afrika im Augenblick sehr wichtig genommen. Da geht es aber nicht nur um Chancen, sondern die Migrationsfrage - Stichwort Fluchtursachen bekämpfen - spielt da eine sehr große Rolle. Da versucht die deutsche Regierung, auch die Chancen in Afrika zu betonen. In der deutschen Wirtschaft wird das Potenzial für Afrika auch gesehen, es werden aber auch vor allem im Mittelstand die Risiken wahrgenommen: Dass man nicht genau weiß, wie sicher Investitionen sind. Bei Großunternehmen ist das nicht so schwierig, aber Mittelständler können sich da oft schwer selbst ein Bild machen und die sind im Großen und Ganzen zögerlich.

Rainer Thiele leitet am Institut für Weltwirtschaft Kiel die Abteilung Armutsreduzierung und Entwicklung.

Das Interview führte Nicolas Martin