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Mit Xanana Gusmao in die Unabhängigkeit

Rüdiger Siebert17. April 2002

Mit überwältigender Mehrheit haben die Menschen in Ost-Timor entschieden. Der erste gewählte Präsident des neuen Mini-Staates heißt Xanana Gusmao. Rüdiger Siebert kommentiert.

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Für dieses Ziel hat der 55-jährige Xanana Gusmao gekämpft und gelitten. Als Guerilla-Führer leistete er der indonesischen Besatzungsmacht nach deren Invasion 1975 bewaffneten Widerstand. Er war eine charismatische Leitfigur für das Ost-Timor geworden, das sein Schicksal selbst bestimmen wollte. Die indonesischen Militärs schlugen zurück. Sechs Jahre saß Xanana Gusmao in indonesischen Gefängnissen. Nun wird er als Mandela Ost-Timors gefeiert.

Damit sind Hoffnung und Anspruch verbunden, aus der miserablen Hinterlassenschaft von vier Jahrhunderten portugiesischer Kolonial-Bevormundung und zwei Jahrzehnten indonesischer Unterdrückung einen eigenstaatlichen Anfang zu begründen.

Dass Xanana Gusmao ohne nennenswerte Zwischenfälle, ohne Blutvergießen und Gewalt in dieses Amt berufen wird, ist die gute Nachricht. Nach den Massakern der jüngsten Vergangenheit und der indonesischen Politik der "verbrannten Erde" ist dies wahrlich nicht selbstverständlich. Gegenwärtig kann er sich im Jubel seines Wahlsieges freuen.

Nur unverbesserliche Optimisten hätten vor ein paar Jahren eine solche Entwicklung vorauszusagen gewagt. Zu fest saß das indonesische Militär im ost-timoresischen Sattel, mit äußerster Brutalität bereit, Macht und Pfründe zu behalten.

Es bedurfte zweier Männer, die mit dem Friedensnobelpreis geehrt wurden, dass das Dilemma Ost-Timors überhaupt wieder auf die Bühne weltpolitischen Interesses geriet: Bischof Belo und Ramos Horta, der eine im Zentrum des Konfliktes, der andere im australischen Exil, beide Anwälte einer politischen Entscheidung zur Zukunft der Inselhälfte.

Der eigene Staat ist zur einzig praktikablen Voraussetzung für den Neuanfang aus Blut und Tränen geworden. Doch die Jahrhunderte währende Fremdbestimmung bleibt die Last der nächsten Jahre. Die Dimensionen des neuen Staates sind nicht durch Geografie und ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung bestimmt, sondern durch die willkürliche Grenzziehung der einstigen Kolonialherren Portugal und Holland.

Ohne diese Bürde der Geschichte wäre es sinnvoller gewesen, die gesamte Insel zu vereinen. Doch der West-Teil ist indonesisches Staatsgebiet und wird es bleiben. Diese spannungsvolle Nachbarschaft birgt weiterhin genügend Konfliktstoff.

Es wird auch vom Präsidenten Gusmao abhängen, ob er die indonesischen Empfindlichkeiten und das neue ost-timoresische Selbstbewusstsein in Einklang zu bringen imstande ist.