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Mit Visionen gegen Sanktionen

Mathias Bölinger10. April 2014

In Berlin wollten Wirtschaftsführer über die guten Perspektiven in Osteuropa sprechen. Dann kam die Ukraine-Krise. Nun fürchtet die Wirtschaft Sanktionen - und Länder wie Moldau fürchten um ihren "europäischen Traum".

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Symbolbild Rubel-Crash (Bild: Getty Images)
Bild: Dmitry Serebryakov/AFP/Getty Images

Das Motto hat die Ereignisse überlebt. "Chancen für einen Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok", steht auf der Hintergrund-Stellwand vor dem Rednerpult. Das "East-Forum", auf dem Wirtschaftsvertreter aus Deutschland und verschiedenen Ländern Osteuropas miteinander diskutieren, war lange vor den Ereignissen in der Ukraine geplant. Dass die Veranstalter trotz der aktuellen Krise an diesem optimistischen Motto festgehalten haben, könnte man als Trotz auslegen oder als Weitsicht.

"Die Aufbauarbeit der letzten Jahre nicht kaputt machen"

Eckhard Cordes, Vorsitzender des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, würde sicherlich letzteres für sich in Anspruch nehmen. Er beschwört noch einmal die Vision einer Freihandelszone quer über den eurasischen Kontinent, der "wir mit beharrlicher Sisyphosarbeit näher kommen wollten." Den letzten Teil des Satzes allerdings sagt er in der Vergangenheit. Denn seit Demonstraten auf dem Maidan in Kiew die Regierung gestürzt haben und Russland sich die Krim einverleibt hat, müssen Investoren in Osteuropa um ihre Geschäfte bangen, statt zu neuen Horizonten aufzubrechen. "Die Arbeit einer ganzen Generation steht auf dem Spiel", warnt Cordes und fügt - dann doch etwas trotzig - hinzu: "Lassen Sie uns gemeinsam allen Seiten sagen: Wir lassen uns die Aufbauarbeit der letzten Jahrzehnte nicht kaputtmachen." Bei diesen Worten brandet Applaus unter den Gästen des Wirtschaftsforums auf.

Eckhard Cordes, Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft
Eckhard Cordes, Vorsitzender des Ost-Ausschuss der deutschen WirtschaftBild: Eckhard Cordes / Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft

Cordes fordert die Politik auf, "sich an den Verhandlungstisch zu setzen und die Dinge friedlich zu lösen." Fehler seien auf allen Seiten begangen worden, führt er aus und warnt wie in den vergangenen Wochen schon öfter vor Wirtschaftssanktionen: "Wer unsere Wirtschaftsbeziehungen schwächt, der muss wissen, dass er damit auch den Frieden in Europa gefährdet."

"Spaltung der Ukraine nicht hinnehmen"

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier will das nicht so stehen lassen. Gleich nach Cordes tritt er ans Rednerpult und steht nun unter den Worten vom gemeinsamen Wirtschaftsraum. "Gerne würde ich mich mit Ihnen über wirtschaftliche Perspektiven, Wachstumspotentiale für Unternehmen unterhalten", sagt er mit ernster Stimme. "Aber so einfach liegen die Dinge zur Zeit nicht." Steinmeier warnt vor einer neuen Eskalation im Osten der Ukraine, wo sich die Lage in den letzten Tagen bedrohlich zugespitzt hat.

Der Außenminister weist die Auffassung, alle Seiten hätten gleichermaßen Fehler begangen zurück. "Das russische Vorgehen auf der Krim war inakzeptabel und das mussten wir öffentlich sagen", betont er. "Eine Politik, die die Ukraine weiter spaltet und sich weitere Teile einverleibt, die können und werden wir nicht einfach hinnehmen." Sollte Russland im Osten der Ukraine eingreifen, werde die EU weitere Sanktionen verhängen. "Das muss auch die Wirtschaft verstehen."

Frank-Walter Steinmeier (Bild: AP)
Bundesaußenminister Frank-Walter SteinmeierBild: picture alliance/AP Photo

Gleichzeitig kündigte er weitere Hilfen für die nahezu bankrotte Regierung in Kiew an. Sobald sich die Lage beruhigt habe, wünsche er sich eine Geberkonferenz für das Land. Angesichts von Korruption und Misswirtschaft der vorangegangenen Regierungen, sei die wirtschaftliche Stabilisierung des Landes "eine Aufgabe übermenschlichen Ausmaßes".

"Keine Zukunft als Pufferzone"

Iurie Leanca, der Ministerpräsident der Republik Moldau, fordert die EU auf, das russische Vorgehen nicht zum Anlass zu nehmen, um die Beitrittsperspektive Moldaus zu schwächen. "Meine Nachricht an Sie ist: Moldau wird fest und zuverlässig zum europäischen Integrationskurs stehen", sagte er. "Eine Lektion, die wir aus 20 Jahren Übergangszeit gezogen haben ist: Es gibt keine Zukunft als Pufferzone zwischen Ost und West."

Leanca warb für Investitionen in seinem Land, das dank der Bemühungen um eine europäische Perspektive in den letzten Jahren ein hervorragendes Investitionsklima geschaffen habe. Er appellierte an die EU, Moldau eine klare Perspektive aufzuzeigen. Denn schon jetzt sinke die Zuversicht in der Bevölkerung, dass "der europäische Traum für uns jemals wahr wird", stellt er fest. "Das wichtigste Argument der Gegner einer europäischen Integration ist: Europa wird uns ewig im Wartezimmer sitzen lassen."