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Mit tiefgekühlten Genen Krankheiten auf der Spur

Tomma Schröder5. Juli 2005

Datenbanken archivieren und systematisieren, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Genau das wird jetzt auch in Kiel, in einer Biobank versucht. Dabei ist viel Blut im Spiel.

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Die DNA entscheidet mit: Krank oder fit?Bild: AP

Hinter der alarmgesicherten Tür im Keller des Kieler Universitätsklinikums verstecken sich weder Geld noch Gold. Der Reichtum, der hier so gut bewacht wird, misst sich in Millilitern: Blut- und DNS-Proben. "Popgen" steht auf den unzähligen gelben Röhrchen - eine Abkürzung für "Populationsgenetische Rekrutierung von Patienten und Kontrollgruppen". Hinter diesem Namen steht das Kieler Projekt zur Erstellung der größten Biobank Deutschlands.

Erbgut im Kühlschrank

Blutprobe in Reagensglas
Aus Erbgut und Lebenswandel wollen Forscher die Ursachen für Krankheiten herauslesen. Biobanken dafür gibt es auch in den USA, Estland und IslandBild: dpa - Bildarchiv

Um die genetischen Informationen in den Proben der Biobank auf Dauer zu erhalten, lagern die Röhrchen bei frostigen Temperaturen bis minus 80 Grad in Spezialtresoren - quasi in abschließbaren Gefrierschränken. "Jeder fasst 400 Liter, das sind vier Haushaltskühlschränke. Und in jedem Kühlschrank sind mehr als 10.000 Blutproben", erklärt Stefan Schreiber, Leiter von "Popgen".

Von kranken Patienten haben Schreiber und seine Mitarbeiter neben einer Blutspende zusätzlich persönliche Daten über Krankheitsverlauf oder Lebenswandel gesammelt, um das Zusammenwirken von genetischer Veranlagung, äußeren Einflüssen und angewandten Therapien besser verstehen zu können. Eine so genannte Kontrollgruppe aus gesunden Menschen musste nur eine kleine Blutspende abgeben, um eine Vergleichsbasis zu schaffen. Alle Proben - und darauf legt Schreiber besonderen Wert - sind durch die freiwillige Teilnahme von Schleswig-Holsteiner Bürgern zustandegekommen.

Den Krankheits-Ausbruch verhindern

Patientengespräch am Computer
Die Gen-Daten eines Patienten sollen bald dabei helfen, die beste Therapie auszuwählenBild: dpa - Bildarchiv

"Popgen ist ein genetisches und molekulares Archiv unserer Bevölkerung", sagt Schreiber. "Die unterliegt einem stetigen Wandel." Vor allem in den vergangenen 70 Jahren seien viele Zivilisationskrankheiten entstanden. In 20 Jahren werde es einen neuen Schwung von Krankheiten geben - "dann werden wir sehr froh sein, dass wir Popgen haben. Wenn wir Popgen von vor 30 Jahren hätten, könnten wir viele Krankheiten heute lösen."

Eine über Jahrzehnte gewachsene Biobank könnte es den Forschern ermöglichen, diejenigen genetischen Veränderungen zu identifizieren, die für neu aufgetretene Krankheiten verantwortlich sind. Wenn man zum Beispiel frühzeitig eine Veranlagung für Asthma erkennen kann und weiß, welche äußeren Einflüsse schädlich, welche Therapien nützlich sind, kann man rechtzeitig vorbeugen. Denn Zivilisationskrankheiten gehen zwar auf eine genetische Veranlagung zurück, hängen aber stark von äußeren Faktoren wie Umweltbelastung und Essverhalten ab - eine Wechselwirkung, die im Rahmen von Popgen genauer erforscht werden soll.

Therapien sinnvoller auswählen

DNA-Test
Dilemma der DNS-Forschung: zwischen Datenschutz und Wunsch nach HeilungBild: AP

Aber das Kieler Projekt will nicht nur die Vorbeugung von Krankheiten verbessern, sondern langfristig auch deren Behandlung. Auch hier soll die genetische Medizin weiterhelfen. Schreiber erklärt: "Genetische Medizin ist keine Gen-Therapie, sondern der Versuch, genetische Informationen zur besseren Behandlung des Patienten einzusetzen." So könnte man effizientere Therapien auswählen und die ausschließen, die enorme Nebenwirkungen hätten.

Zunächst ist das aber Zukunftsmusik. Die Proben sind nämlich noch nicht für die Analyse freigegeben. Um Datenmissbrauch auszuschließen, wurde ein aufwändiges Analyseverfahren entwickelt, das zurzeit noch geprüft wird. "Popgen als Biobank ist so angelegt, dass es eigentlich nach menschlichem Ermessen keine Risiken bedeutet", betont Schreiber. "Das große Risiko, das die genetische Medizin in sich birgt, ist natürlich Diskriminierung. Aber das kommt nicht durch Genetik, das kommt durch die Gesellschaft."