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Mit "Ping-Pong-Diplomatie" auf Stimmenfang

Ina Rottscheidt11. September 2004

Hongkong wählt ein neues Stadtparlament. Und weil Pekings Kommunisten nichts mehr als die langsam erstarkende Demokratiebewegung fürchten, greifen sie nun zu Zuckerbrot und Peitsche.

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Hongkong: zwischen Demokratie und DiktaturBild: Peter Lok
China feiert seine Olympiahelden
Olympiahelden auf WahlkampftourBild: AP

Wie eine neuerliche "Ping-Pong-Diplomatie" erscheinen die Aktionen, mit denen Peking vor den Parlamentswahlen am Sonntag (12.9.) in Hongkong auf Schmusekurs mit den Wählern ging: Die ganze Woche wurden die 50 chinesischen Goldmedaillengewinner durch die ehemalige Kronkolonie gejagt, um rechtzeitig vor Stimmabgabe "den nationalistischen Eifer auf neue Höhen zu treiben", wie die South China Morning Post kommentierte. So wie China und die USA 1971 über ihre Tischtennismannschaften die politischen Beziehungen wieder belebten, umwirbt Peking nun mit seinen Athleten die Herzen und den Stolz der sieben Millionen Hongkonger.

Sympathien verspielt

Das soll die Sympathien zurück bringen, die die pekingtreue Regierung in Hongkong in den letzten Jahren systematisch verspielt hat: Gegen ein geplantes Sicherheitsgesetz, das Peking auch in der autonomen Region das Vorgehen gegen Dissidenten und Bürgerrechtler ermöglicht hätte, demonstrierten im vergangenen Jahr rund 700.000 Menschen. Mit einer solchen Massenmobilisierung hatte keiner gerechnet. Und als im Sommer dieses Jahres der Kongress den demokratischen Ambitionen Hongkongs eine Absage erteilte, indem es die für 2007 vorgesehenen direkten Wahlen ausschloss, gingen über 200.000 Demonstranten auf die Straße.

Unruheherd Hongkong

Proteste in Hongkong
Hongkonger gehen für Demokratie und Bürgerrechte auf die StraßeBild: AP

"Peking fürchtet nichts mehr als die Politisierung Hongkongs und ein Überschwappen demokratischer Massenbewegungen auf Südchina", erklärt Kay Möller, Sinologe bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. Dabei ist Hongkong von einer umfassenden Demokratie noch weit entfernt: Bei den Legco-Wahlen (Legislative Council) am Sonntag können die rund 3,2 Millionen Stimmberechtigten nur 30 der 60 Abgeordneten wählen. Die restlichen 30, die auch den Regierungschef bestimmen, werden von einem Gremium aus Unternehmen, Wirtschaftsverbänden oder Berufsvereinigungen ernannt. Und die tendieren aus wirtschaftlichem Interesse eher zu pekingtreuen Parteien.

Der Chinesische Volkskongress
Chinesischer VolkskongressBild: AP

Letztere haben über 30 Sitze im Legco, die oppositionellen Demokraten sind mit nur 22 Abgeordneten vertreten. Doch die Mehrheitsverhältnisse könnten sich nun ändern: Umfragewerte im Frühjahr räumten den Demokraten sogar Chancen auf die Parlamentsmehrheit ein. Peking geriet in Unruhe: "Wenn die Demokraten eine Mehrheit gewinnen", zitierten Chinas Zeitungen damals einen Offizier, "muss Peking handeln."

Auflösung des Parlaments?

"Schlimmstenfalls bedeutet das die Auflösung des Parlaments", erklärt Möller, doch für wahrscheinlich hält er das angesichts der Massenproteste in der Vergangenheit nicht: "Mit Blick auf das internationale Ansehen kann sich Peking das nicht leisten und außerdem sollte die Sonderverwaltungszone eigentlich als Modell für eine mögliche Wiedervereinigung mit Taiwan dienen."

SARS in Peking Polizisten mit Masken
SARS: Hongkong in der KriseBild: AP

Dabei ist die größte Sorge der Hongkonger derzeit die Wirtschaft: Die Arbeitslosigkeit liegt bei 6,9 Prozent und nach der Finanzkrise von 1997 und SARS 2003 hat die Stadt ihre Sonderrolle und das Image als "Tor zu China" verloren. Längst bandeln internationale Unternehmer direkt mit der Volksrepublik an. Doch für Sachthemen ist im Wahlkampf kein Platz. Stattdessen verfechte Peking eine "Kampagne des Lächelns", wie Möller sie bezeichnet: Imposante Militärparaden, stolze Olympia-Athleten, Importvergünstigungen für Unternehmer und neuerdings erwägt die Kommunistische Partei sogar, Teile der Olympischen Spiele 2008 in Hongkong austragen zu lassen.

Zuckerbrot und Peitsche


Doch das Pekingslächeln verkommt mitunter zu einer hässlichen Fratze: Demokraten werden als "Vaterlands-verräter" beschimpft, kritische Radiokommentatoren wechseln plötzlich den Beruf. In Südchina wurde einer der demokratischen Spitzenkandidaten, Alex Ho Wai-to, aufgrund angeblicher Kontakte zu einer Prostituierten verhaftet. Sechs Monate saß er ohne Kontakt zu einem Anwalt und Gerichtsverfahren in Haft. Und dem Chef der Demokraten wurde die Einreise nach Shanghai verwehrt, obwohl er ein gültiges Visum hatte. "Ein Versehen", lautete die lapidare Entschuldigung später.