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Politik

Mit Luftballons gegen Kim Jong Un

Fabian Kretschmer
2. Oktober 2017

Am Montag hat in Malaysia der Prozess im Fall Kim Jong Nam begonnen. Der nordkoreanische Dissident Park Sang Hak ist sich sicher, dass das Regime in Pjöngjang hinter dem Anschlag steckt

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Südkorea Luftballon Aktivismus
Bild: picture-alliance/AP/L. Jin-man

Für Park Sang Hak war die Hinrichtung von Kim Jong Nam am Flughafen Kuala Lumpur mehr als eine bloße Nachricht. Sie rief vielmehr traumatische Erinnerungen wach: Der 49-Jährige steht selbst seit Jahren auf der Abschussliste des nordkoreanischen Regimes. 

Zum Interview lädt Park, ein schmächtiger Mann mit nervöser Ausstrahlung, in eine kleine Bibliothek am südlichen Stadtrand von Seoul. Seine eigentlichen Büroräumlichkeiten möchte er der Öffentlichkeit nicht preisgeben. Ein Leibwächter wartet an der halboffenen Tür und wacht über den Eingangsbereich. "Mein Leben ist stets in Gefahr", sagt der Aktivist. Sein Ziel sei es, Nordkoreas Herrscher Kim Jong Un zu überleben.

Polizei stoppt Flugblattaktion
Nicht immer erreichen die Flugblätter von Park Sang Hak ihre Adressaten im Norden - Südkorea versucht die Provokationen des Aktivisten möglichst zu verhindern Bild: AFP/Getty Images

Giftspritzen-Attentat vereitelt

Park Sang Haks dramatische Worte haben einen äußerst realen Hintergrund. Vor sechs Jahren hatte ein nordkoreanischer Flüchtling, der sich als Sympathisant ausgab, ein Treffen mit dem Aktivisten vereinbart - tagsüber, an einer viel befahrenen Kreuzung. Doch auf halbem Weg erhielt Park Sang Hak einen Anruf vom südkoreanischen Geheimdienst: Der angebliche Flüchtling wurde verhaftet. Er trug eine tödliche Giftspritze bei sich, getarnt als Kugelschreiber. Umgerechnet 10.000 Dollar waren ihm für seinen Auftragsmord versprochen worden, dahinter wird das nordkoreanische Regime vermutet. Seitdem hat Park Todesdrohungen erhalten, die auch an seine Frau und seinen Sohn gerichtet sind.

Park Sang Hak führt mit einem radikalen Propagandakrieg gegen Pjöngjang den Zorn des Regimes auf sich. Seine Waffen: beidseitig bedruckte Flyer, Bücher, Transistorradios mit Kurzwellenempfang. Diese packt der Menschenrechtsaktivist in speziell präparierte, zigarrenförmige Luftballons – und lässt diese bei Nordwind über die innerkoreansiche Grenze steigen. Wenig fürchtet das Kim-Regime mehr als einen freien Informationsfluss für sein abgeschottetes Volk.

Aktivist Park ist überzeugt, dass seine Flugblätter Leben retten. Vor 20 Jahren hatte er selbst eines vom Boden aufgehoben – entsendet als Teil der psychologischen Kriegsführung des südkoreanischen Militärs. Damals, als Student der Elektrotechnik in Pjöngjang, erfuhr er so erstmals von den berüchtigten Internierungslagern in seiner Heimat, und davon, dass zwei seiner Landsleute die Flucht gelungen war – nach Südkorea, einem Land voll Wohlstand, Freiheit, Gerechtigkeit. Für Park war dies ein ungeheuerlicher Gedanke. 

Nordkorea |Dissident Park Sang-hak
Der nordkoreanische Flüchtling und Aktivist Park Sang Hak nach seiner Aktion mit 200.000 Flugbättern im August 2015 Bild: picture-alliance/dpa

Schicksalsschlag macht Park zum Aktivisten

Er selbst hatte damals jedoch keinen Grund zu fliehen: Er stammt aus einer privilegierten Familie, sein Vater besaß gar als einer von wenigen einen importierten Mercedes. Kurz vor seinem Doktorat wurde ihm eine begehrte Stelle bei der Propagandaabteilung der nordkoreansichen Regierung angeboten. Seine Aufgabe war es, den öffentlichen Informationszugang der Bevölkerung zu kontrollieren. Dass ihm die dort erlernten Fähigkeiten später einmal nützen werden, konnte er damals nicht ahnen.

Als sein Vater 1999 ein Mordkomplott fürchtete, entschieden sich die beiden in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zur Flucht. Es war die Zeit der großen Hungersnöte, als Hunderttausende Nordkoreaner starben. Mit den nötigen Kontakten ließen sich damals im allgemeinen Chaos Reisegenehmigungen leicht organisieren, Zollbeamte mit dem nötigen Schmiergeld bestechen. Reibungslos kamen sie in China an, von wo aus sie weiter nach Seoul zogen.

Mutmaßlich Kim Jong Nam, Bruder von Nordkoreas Diktator Kim Jong Un
Kim Jong Il (r) sah in seinem älteren Halbbruder Kim Jong Nam einen potentiellen Rivalen - Motiv für einen Auftragsmord? Bild: picture alliance/AP Photo/S. Kambayashi/W. Maye

Dort hätte Park Sang Hak ein komfortables Leben als Intellektueller führen können, doch 2003 berichtete ihm ein Flüchtling aus seiner Heimatstadt vom Schicksal seiner zurückgebliebenen Verwandten. "Meine zwei Onkel waren gefoltert worden und starben an den Folgen. Auch meine damalige Verlobte wurde fürchterlich zusammengeschlagen. Von meinem Cousin fehlt bis heute jede Spur", erinnert sich Park. Es war dies der Startpunkt für seinen radikalen Aktivismus, dem er sein restliches Leben verschrieben hat.

"Kim Jong Un steckt hinter dem Anschlag"

Wenn am Montag der Prozess im Fall Kim Jong Nam beginnt, lässt Park Sang Hak keine Zweifel offen, wen er für den Schuldigen hält: "Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass Kim Jong Un hinter dem Anschlag steckt". Kim Jong Nams bloße Existenz sei eine Bedrohung für seinen Halbbruder gewesen: "Kim Jong Nam ist der Erstgeborene von Kim Jong Il, dem Sohn  des Staatsgründers Kim Il Sung, und hatte dadurch gemäß koreanischer Tradition Anspruch auf den 'Thron', auch wenn er diesen Anspruch nie geltend gemacht hat." Viele Nordkoreaner wüssten überhaupt nicht, dass Kim Jong Un weitere Geschwister hat.

Manchmal fragt sich Park Sang Hak, wie sein Leben verlaufen wäre, hätte er Nordkorea niemals verlassen. "Auch wenn ich in Pjöngjang ein komfortables Leben geführt hatte, glaube ich nicht, dass ich in Nordkorea glücklich geworden wäre. In Seoul habe ich den Wert von Freiheit zu schätzen gelernt".