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Wahlkampf mit Gottes Hilfe

Dirk Eckert3. März 2008

Kirchen spielen bei den US-Präsidentschaftswahlen eine wichtige Rolle. Allerdings dürfen sie nicht für Kandidaten werben. Gegen die Kirche von Barack Obama ermittelt deswegen die Steuerbehörde.

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Obama betet (Quelle: AP)
Barack Obama wirbt im Wahlkampf auch mit seinem christlichen GlaubenBild: AP

Sonntags geht es in die Kirche. Das gilt im amerikanischen Wahlkampf für den Präsidentschaftskandidaten der christlichen Rechten, Mike Huckabee, genau so wie für Barack Obama, den Liebling der Linksliberalen. Religion spielt im Wahlkampf in den USA, wo 90 Prozent der Menschen Mitglied einer Kirche sind, eine wichtige Rolle. Wer ins Weiße Haus will, tut also gut daran, seinen Glauben öffentlich zu zeigen. So findet der Wahlkampf auch in den Kirchen statt und die Kirchen versuchen ihrerseits, Einfluss zu nehmen.

Bill und Hillary Clinton in der Kirche (Quelle: AP)
Hillary Clinton ist Mitglied bei den Methodisten. Sie betet regelmäßigBild: AP

Kirchen zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet

Rechtlich ist das nicht unproblematisch. Denn Kirchen erhalten in den USA Steuervergünstigungen und dürfen sich deswegen nicht parteipolitisch engagieren. Inzwischen ermittelt die US-Steuerbehörde unter anderem gegen die Kirche von Barack Obama, die Vereinigte Kirche Christi. Der demokratische Senator war im Juni 2007 bei seiner Glaubensgemeinschaft aufgetreten und hatte dort eine Rede gehalten. Im Visier der Ermittler ist auch die evangelikale Liberty Universität in Virginia, die Mike Huckabee unterstützt haben soll, sowie ein katholische Diözese, die sich gegen den inzwischen abgetretenen Rudolph Giuliani ausgesprochen hatte.

Solche Anzeigen gebe es immer wieder, sagt Manfred Brocker, Politikwissenschaftler an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Die meisten hätten keinen Erfolg. "Das ist Teil des Wahlkampfes", sagt Brocker. Vor der vergangenen Wahl hätten evangelikale Kirchengemeinden einen Film über das Leben von George W. Bush gezeigt. Auch damals sei geklagt worden – ohne Erfolg. "Nicht erlaubt ist den Kirchen direkte Werbung", sagt Brocker. "Aber Gäste einzuladen ist erlaubt."

Zu politischen Themen dürfen sie die Kirchen dagegen schon äußern. Viele Kirchen und kirchliche Vereinigungen nutzen das und verteilen kurz vor der Wahl so genannte "Voters’ Guides" – Listen, in denen die Haltung der Kandidaten zu bestimmten Themen wie zum Beispiel Abtreibung dargestellt wird. Neben den Kirchen gibt es religiöse Organisationen wie die Christian Coalition, die massiv Lobby-Arbeit für ihre Themen machen.

Demokraten entdecken Gott

Aber auch das Interesse der Politik an den Kirchen hat zugenommen. "Die Demokraten haben aus der letzten Wahl gelernt, die Religion nicht den Republikanern zu überlassen", sagt der Politikwissenschaftler Antonius Liedhegener von der Universität Jena. "Deswegen spielt Religion diesmal eine größere Rolle." Das zeigte sich etwa vor dem 21. Januar 2008, dem Martin-Luther-King-Tag. Am Vorabend trat Obama in der Heimatkirchengemeinde des ermordeten Bürgerrechtlers auf, auch seine Konkurrentin Hillary Clinton ließ es sich an diesem Abend nicht nehmen, King zu würdigen – in einer Baptisten-Kirche im New Yorker Stadtteil Harlem.

Senator John McCain in der Kirche (Quelle: AP)
Der Senator als Gastredner: John McCain spricht am 19. Februar 2007 in Community Church in Vero BeachBild: AP

Möglicherweise können die Demokraten auch bei den rechten Evangelikalen punkten. Denn ihr Favorit Mike Huckabee wird es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner schaffen. Und sein Konkurrent John McCain gilt bei Evangelikalen als unwählbar, seit er sie im Jahr 2000 als "agents of intolerance" beschimpft hatte. "Die Frage ist, ob McCain diesmal ihre Stimmen mobilisieren kann", sagt Brocker, "oder ob die Evangelikalen der Wahl fernbleiben."

Ihr kirchliches Engagement kann für Kandidaten aber auch zum Problem werden, wie wiederum das Beispiel Barack Obama zeigt. Denn Jeremiah Wright, der Reverend seiner Kirchengemeinde, der Trinity United Church of Christ in Chicago, gilt als Vertreter der radikalen schwarzen Befreiungstheologie. Besonderen Ärger bekam Obama, als publik wurde, dass Wright den Präsidenten der umstrittenen Nation of Islam unterstützt hat. Obama distanzierte sich daraufhin von diesen Aktivitäten.

Was Amerikaner glauben

Nach Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Gallup sind rund 90 Prozent der US-Amerikaner Mitglied einer Glaubensgemeinschaft. 2006 waren demnach 49 bei den Protestanten. 24 Prozent waren katholisch, zwei Prozent bekannten sich zu Judentum und Mormonentum, elf Prozent zu anderen und elf Prozent zu keiner Glaubensrichtung.

Früher ließen sich die Glaubensgemeinschaften leicht den Parteien zuordnen: Protestanten wählten Republikaner, Katholiken und Juden die Demokraten. Heute ist die Sache komplizierter. Vor allem Katholiken gelten als regelrechte Wechselwähler, die in der Sozialpolitik zu den Demokraten, in ethischen Fragen zu den Republikanern tendieren. Generell gelte aber: Wer einmal die Woche und öfter in die Kirche geht, wählt Republikaner, sagt Manfred Brocker. Laut Gallup waren das im Jahr 2006 31 Prozent. Generell seien die USA ein religiöses Land, sagt Brocker: "Ein bekennender Atheist ist als Präsidentschaftskandidat undenkbar."

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