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Mit frischem Wind gegen mehrere Fronten

28. September 2004

- Ungarns Präsident Madl beauftragt Ferenc Gyurcsany mit der Regierungsbildung

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Bonn, 28.9.2004, DW-Radio, Tamas Szabo

Ungarns Präsident Ferenc Madl hat am Montag (27.9.) Ferenc Gyurcsany mit der Regierungsbildung beauftragt. Der 43-jährige Politiker der Ungarischen Sozialistischen Partei (MSZP) ist damit Nachfolger des am Ende August zurückgetretenen Peter Medgyessy Zwar muss noch das Parlament Gyurcsany bestätigen, doch dies gilt nur als Formsache. Tamas Szabo kommentiert.

Mit Ferenc Gyurcsany kommt frischer Wind in die ungarische Politik. Selbstbewusst, dynamisch und entscheidungsfreudig ist der neue Premier, er sprüht nur so vor Ideen und Tatendrang, heißt es. Ein starker Kontrast zu seinem eher farblosen Vorgänger Peter Medgyessy.

Ferenc Gyurcsany wird es jedoch schwer haben, denn er muss an mehreren Fronten kämpfen, um seine Position zu festigen und seine Vorstellungen verwirklichen zu können. Zunächst muss er sich in der MSZP durchsetzen, in seiner eigenen Partei, deren Führung ihn als Premier abgelehnt hatte, aber dem Druck der Basis nachgeben musste. Es war ein Sieg gegen die alte Garde, die ihre politischen Wurzeln in der kommunistischen Ära hatten. Damit scheint der Weg offen zu sein, den schon seit einiger Zeit bitter nötigen Generationswechsel der MSZP zügig voranzutreiben - trotz des erwarteten Widerstandes, der vor allem gegen den Premier gerichtet sein wird. Gyurcsany muss sich auch auf Angriffe der Opposition gefasst machen, der nicht verborgen blieb, dass die MSZP einen fähigen Politiker hervorzaubern konnte, der das Zeug hat, langfristig die Geschicke des Landes zu bestimmen.

Angriffsfläche bietet Ferenc Gyurcsany genügend. Vor der Wende machte er eine steile Karriere in der Staatspartei, er wurde sogar Chef des Verbandes der Jungkommunisten. Der Systemwechsel 1989/1990 disqualifizierte ihn als Politiker und der gelernte Ökonom tauchte - sehr erfolgreich - in der Finanzwelt unter. Mit seiner Firma nutzte er die Wirren der Privatisierung aus und machte ein Vermögen. Gegenwärtig belegt er Rang 60 in der Liste der hundert reichsten Menschen in Ungarn.

Als ein weiteres Manko könnte es sich für ihn erweisen, dass er mehr spaltet als eint - gerade in einem Land, in dem ein tiefer Graben zwischen den Rechten und den Linken verläuft. Allem Anschein nach hat Gyurcsany jedoch dieses Problem erkannt, denn er verkündete eine Politik der ruhigen Hand und "Strategie der nationalen Mitte", um damit breite Wählerschichten erreichen zu können.

Auch in der Wirtschaft will Gyurcsany, dem die Denkmodelle der britischen New-Labour-Bewegung nicht fremd sind, Akzente setzen - mit Ruhe, Berechenbarkeit und Stabilität. Er will das Wachstum beschleunigen, für ausländische Investoren ein attraktives Umfeld bieten und soziale Gerechtigkeit für alle erreichen. Als Lackmustest für seine ehrgeizigen Ziele wird sich allerdings die Frage erweisen, ob er in der Lage ist, die fiskalische Disziplin und Haushaltskonsolidierung mit dem Ruf nach staatlichen Leistungen in Einklang zu bringen.

Keine Frage, der neue Premier ist nicht zu beneiden, aber er hat in seiner Karriere schon öfters bewiesen, dass er die Probleme anpacken kann und über die entsprechende Durchsetzungsfähigkeit verfügt, die ihn für das Amt des Ministerpräsidenten qualifiziert. Urteil über seine Arbeit werden allerdings die Wähler fällen - in zwei Jahren bei den nächsten Parlamentswahlen. (fp)