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Mit der Nase zum Erfolg

7. Juni 2010

Maiglöckchen-Duft zeigt Spermien den Weg zur Eizelle. Das und mehr hat der Riech-Forscher Hanns Hatt herausgefunden. Jetzt bekommt er den Communicator-Preis. Für seine herausragende Vermittlung von Wissenschaft.

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Kuh-Nase (Foto: Bilderbox)
Dieses Organ ist Hanns Hatts LeidenschaftBild: Bilderbox.biz

Professor Hanns Hatt hatte schon früh ein Ziel vor Augen und ging dabei sozusagen immer der Nase nach: "Ich möchte 'Botschafter der Düfte' sein, und ich möchte den Menschen eigentlich mitteilen: Leute, ihr habt nicht nur Augen und Ohren, ihr habt auch eine Nase." Und die sollen sie seiner Meinung nach auch benutzen. Denn die Nase macht Dinge im Leben erkennbar, über die man sonst keinerlei anderen Zutritt hätte, meint der Forscher. Jetzt wurde der Bochumer Riech-Forscher für seine Arbeit mit dem Communicator-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet.

Hans Hatt (Foto: DW)
Hat das Riechen zum Beruf gemacht: Hanns HattBild: DW-TV

Biologie und Chemie hatte er studiert, als der berühmte Verhaltensforscher und Nobelpreisträger Konrad Lorenz den jungen Hanns Hatt ans Max-Planck-Institut in Seewiesen bei München holte. Dort sollte der Wissenschaftler dem Geruchssinn von Schmetterlingen nachspüren. "Das fand ich faszinierend, und da hat sich diese Liebe zum Riechen entwickelt."

Frauen erriechen sich die Männer

Nun verfügen Insekten über gerade einmal 50 Riechrezeptoren. Also wandte sich Hanns Hatt einem ergiebigeren Forschungsfeld zu: dem Riechorgan des Menschen, der Nase. Immerhin besitzt der Mensch rund 350 Riechrezeptoren und die reagieren jeweils nur auf einen einzigen Duft. Knapp 15 dieser Rezeptoren hat der 63-jährige Zellphysiologe bislang entschlüsselt, und er stellt immer wieder fest, dass Düfte und Gerüche menschliches Empfinden und Handeln stark beeinflussen. "Man weiß, dass der Duft zum Beispiel auch der Lustkiller Nummer eins ist, also das Verhalten von Menschen untereinander beeinflusst. Das heißt: Jeder unangenehme Duft – ob das jetzt Mundgeruch ist oder Fußschweiß – stößt viele Menschen ab, egal wie toll der andere auch immer aussehen mag." Außerdem ist heute bekannt, dass Frauen – wenn es um Sexualität geht – auch ihren Partner nach dem Duft aussuchen. "Jeder Mensch hat eben zusätzlich zu den ganzen künstlichen Düften auch noch einen individuellen, eigenen Körperduft. Der ist so spezifisch wie ein Fingerabdruck."

Duft-Check im Zug

Um seine Umwelt mit allen Sinnen wahrzunehmen, müsse der Mensch nur mit offener Nase durchs Leben gehen, sagt Hanns Hatt. Eine Devise, an die er sich natürlich auch selbst hält und das quasi immer und überall. Zum Beispiel im Zug oder Flugzeug. Geht dort jemand den Gang entlang, schaut er den Passanten nicht nur an, sondern nutzt die Gelegenheit, auch seinen Geruch wahrzunehmen. "Und da kommen faszinierende Dinge raus. Manchmal passt der Duft überhaupt nicht zu der Person und manchmal denkt man: Oh! Der sieht gar nicht so toll aus, aber er hat einen wunderbaren Duft."

Für Aufsehen im Wissenschaftsbetrieb sorgte der Zellphysiologe mit dem Nachweis, dass der Mensch nicht nur mit der Nase riecht. Auch innerhalb des Körpers reagieren Riechrezeptoren auf Düfte. Angelockt durch Maiglöckchenduft steuern Spermien um Beispiel gezielt die Eizelle an. "Menschliche Spermien tragen an ihrer Oberfläche auch einen dieser Riechrezeptoren, sind damit also eigentlich Riechzellen mit einem kleinen Schweif und können tatsächlich Maiglöckchenduft erkennen."

Spermien (Foto: picture-alliance)
Sie werden von Maiglöckchen-Duft angelocktBild: picture-alliance / OKAPIA KG, Germany

Enttarnt hat Hanns Hatt im Labor an der Bochumer Ruhr-Universität inzwischen weitere 20 Riechrezeptoren, die sich auf Spermien befinden. Und der Geruchsforscher lässt bei seiner Arbeit mit dem Mikroskop garantiert nicht eher locker, bis er weiß, auf welche Düfte die Spermien auf ihrem Weg Richtung Eizelle besonders positiv reagieren. Riechrezeptoren hat er außerdem in der Prostata aufgespürt. Diese Rezeptoren reagieren sehr stark auf Veilchenduft. Das wiederum könnte in der Medizin einen Schritt nach vorn bedeuten. Denn nach dem derzeit von ihm erforschten Stand der Dinge stoppt Veilchenduft krebskranke Prostatazellen bei der Teilung.

Die von Hanns Hatt forcierte Geruchsforschung kennt viele Facetten. Dazu gehört auch die Behandlung von Angstpatienten. Bei ihnen könnte eine Mischung aus Jasmin-Extrakten angewendet werden, die das Team des Zellphysiologen bereits zum Patent angemeldet hat. Aufgenommen über die Atmung gelangt dieser Duft in die Lunge, von dort aus ins Blut und danach direkt ins Gehirn. Dort löst diese Jasmin-Mischung die gleiche beruhigende Wirkung aus wie Valium. Pharmakologische Nebenwirkungen oder Risiken sind nicht bekannt. Aber die Forschung hat ihre Grenzen. Die Rolle der Gerüche im Miteinander der Geschlechter ist ein gutes Beispiel. Hanns Hatt dämpft da allzu große Hoffnungen und Erwartungen: "Es ist natürlich kaum denkbar, dass wir einen Duftstoff finden, der alle Menschen glücklich macht, der alle Menschen sexuell erregt oder alle Menschen attraktiv macht."

Autor: Klaus Deuse
Redaktion: Manfred Götzke