Mit dem Warten kommt die Wut
Seit Mazedonien einen drei Kilometer langen Zaun an der Grenze zu Griechenland errichtet hat, stecken tausende Flüchtlinge fest. Die Spannungen nehmen zu. Hilfsorganisationen fordern Unterstützung aus Athen.
Gestrandet in Idomeni
Die Brüder Hasan (l.) und Mohammed Segir aus Pakistan hocken an einem Grenzstein und versuchen, mit einer Mülltüte ein Feuer zu machen. Mazedonien, Serbien und Slowenien erlauben nur noch Flüchtlingen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak die Weiterreise. Deshalb stecken die beiden in einem improvisierten Flüchtlingslager im griechischen Idomeni fest, gemeinsam mit etwa 1500 bis 2000 Menschen.
Draußen in der Kälte
Im Lager leben noch viel mehr Menschen. Obwohl "Ärzte ohne Grenzen" (MSF) beheizte Zelte für 2000 Menschen aufgestellt hat, müssen viele im Freien bleiben. "Mehr als 1000 Menschen schlafen jede Nacht draußen - bei gerade einmal 6 Grad", sagt Antonis Rigas von MSF. "Wir haben die Regierung um mehr Platz gebeten, damit wir unsere Kapazitäten verdoppeln können. Aber wir haben keine Antwort bekommen."
Keine Unterstützung
Ein Jugendlicher aus Marokko wartet, dass die Grenze wieder für alle Migranten geöffnet wird. Doch dieses Szenario sei unwahrscheinlich, sagt Rigas von MSF. "Wir fordern, dass die Regierung Vertreter schickt, die uns helfen, das Camp zu verwalten", sagt er. "Dieser Ort wird momentan nur von Hilfsorganisationen am Laufen gehalten. Es ist nicht unsere Aufgabe, die Rolle der Regierung zu übernehmen."
Nach Nationalitäten getrennt
Zurzeit dürfen täglich mehrere Tausend Syrer, Iraker und Afghanen nach Mazedonien einreisen. Diejenigen, die zurückbleiben, sind frustriert. "Wir wollen nicht illegal nach Europa, wir wollen legal dorthin", sagt der 32-jährige Shyamal Rabbi aus Bangladesch. "Auch wir sind Menschen und wir haben Menschenrechte. Wenn die Menschen aus drei Ländern gehen können, können wir das auch."
Spannungen zwischen Asylsuchenden
Die schwierigen Umstände sorgen für Ärger: Immer wieder kommt es zu Schlägereien in Idomeni. Raij aus Nepal erzählt, ein Iraner habe ihn während eines Streits geschlagen. Am vergangenen Freitag mussten Ärzte der Organisation "Médecins du Monde Greece" zwei Menschen aus Nordafrika mit Stichwunden behandeln. Besonders bei der Verteilung von Essen kommt es immer wieder zu Streitigkeiten.
Aus friedlichem Protest wird Gewalt
Vergangene Woche nähten sich gestrandete Flüchtlinge den Mund zu und begannen einen Hungerstreik. Am Wochenende dann wurde aus friedlichem Protest Gewalt: Es kam zu Zusammenstößen mit der mazedonischen Polizei. "Die Menschen sind wütend", sagt Fatini Keleksoglou von der Hilfsorganisation Praksis. "Sie haben seit fast zwei Wochen nicht mehr geduscht. Einige trinken am Tag auch Alkohol."
Ausnahmesituation
"Innerhalb von 30 Minuten wird aus Ruhe Chaos und dann ist es wieder ruhig", sagt Alexandros Voulgaris, Teamleiter des UNHCR in Idomeni. "Wir können nicht planen. Das hier ist eine Ausnahmesituation, wir versuchen einfach, die Menschen zu schützen." Er versuche die Flüchtlinge zu überzeugen, ins Olympiastadion nach Athen zu gehen. Das wurde in eine Flüchtlingsunterkunft umgewandelt.
"Sie wollen, dass wir in den Krieg ziehen"
Rami Altahari kommt aus dem Jemen. Der 22-Jährige zeigt ein Foto von seiner zerbombten Nachbarschaft in Sanaa auf seinem Smartphone. Er reist gemeinsam mit elf anderen Jemeniten. Sie alle wurden gezwungen, sich der Huthi-Miliz anzuschließen. "Sie wollen, dass wir in den Krieg ziehen. Aber wir kämpfen nicht, die Saudis werden uns töten", sagt er. "Wir warten hier, bis die Grenze geöffnet wird."
Das neue Calais
Mitglieder einer griechischen Gewerkschaft verteilen Hilfsgüter. "Das wird hier wie in Calais, wenn wir nicht schnell handeln", sagt Nikitas Kanakis, der Präsident von "Médecines du Monde Greece". "Die Ausstattung hier reicht nicht für alle. Ich fürchte, die Menschen werden versuchen, während des Winters andere Wege zu finden. Menschenschmuggler können sehr kreativ sein."
Was ist der Plan B?
Am Wochenende errichtete Mazedonien einen drei Kilometer langen Grenzzaun in der Nähe von Idomeni. "Aus der ganzen Welt kommen Menschen hierher um zu helfen, nur der griechische Staat nicht", sagt Kanakis. "Wir befürchten, dass die Grenze in den nächsten Tagen komplett geschlossen wird. Wenn wir alle nach Athen bringen, was passiert danach? Was ist der Plan B?"