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Mit dem Trolleybus in die Moderne

Stephan Hille21. September 2005

Moderne Zeiten auch im Moskauer Nahverkehr - auch wenn es ihre Zeit brauchen, um sich durchzusetzen.

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Noch vor ein paar Monaten gehörten die Moskauer Trolleybusse eher zu denjenigen Gefährten, die das Straßenbild der russischen Hauptstadt verschandelten. Alt und zerbeult, den Rost notdürftig mit hellblauer Farbe überstrichen und den Rest mit knallbunter Werbung überklebt, rumpelten die Busse durch den Verkehr. Innen drin sah es nicht viel besser aus, die aufgerissenen Polster notdürftig mit Klebeband geflickt, die Sitzfläche dort, wo die Schrauben raus gefallen waren, mit Draht an die Metallkonstruktion dran gemacht. Das billige Verkehrsmittel ist vor allem bei alten Leuten beliebt, für sie sind die riesigen Menschenmassen und die gigantisch langen und unglaublich schnellen Rolltreppen in der Metro eine zu große Hürde.

Stephan Hille

Und noch eine Kategorie Leute war im Bus häufig anzutreffen: Diejenigen, die sich eigentlich gar kein Verkehrsmittel leisten konnten und Bus fuhren, um ein Dach über dem Kopf zu haben und sich aufzuwärmen. Im

Gegensatz zur Metro, wo man schon lange eine Magnetstreifenkarte braucht, um hineinzukommen, konnte man in den Bus einfach einsteigen – auch ohne Ticket. Tickets konnte man beim Busfahrer kaufen,

briefmarkengroße Zettel in Klopapier-Qualität. Die musste man dann in eine Art an der Wand befestigten Locher stecken und perforieren, um das Ticket zu entwerten. Jeder Bus hatte sein eigenes Muster, damit auch niemand mogeln konnte. Doch kontrolliert wurde kaum.

Magnetkarte versus Locher

Vor einem Jahr allerdings hielt unvermittelt die Neuzeit Einzug. Die Busfahrer streckten nun den Passagieren als Fahrschein keine kleinen und mit verschiedenen Farben bedruckte dünne Zettelchen mehr hin, sondern

richtig moderne, orange-weiß-schwarze Magnetstreifenkarten. Doch das sorgte für Verwirrung. Die irritierten Passagiere drängelten sich mit ihren Einkäufen in großen Taschen auf der Suche nach neuen

Fahrscheinentwertern. Doch dabei gab es in den Bussen gar keine Automaten, an denen man diese neuen Tickets hätte entwerten können. Man musste sie weiter in den Locher stecken.

Jetzt, ein Jahr später schließlich ist es so weit. Seit einigen Wochen werden in Moskau die alten Busse ausrangiert und durch moderne, komfortable und mit automatischen Magnetkarten-Entwertern ausgerüstete

Busse ersetzt.

Chaos perfekt

Die Busse sind in der Neuzeit angekommen, die Passagiere zeigten in der ersten Zeit aber Schwierigkeiten. Früher konnte man in jeder der drei Türen einsteigen. Heute öffnet sich erst die vorderste Tür beim Fahrer, dort steht das einzige Drehkreuz, wo die Passagiere ihre Magnetstreifenkarten reinstecken müssen. Sind alle drin, gehen die hinteren zwei Türen auf, um die Passagiere, die raus wollen, aussteigen zu lassen. Das funktioniert in der Theorie prima, in der Praxis erst nach längerer Zeit. Wenn der Bus anhält, dann wollen diejenigen, die drin sind, raus. Die einzige Tür, die sich aber öffnet, ist die vordere.

Also drängeln alle da hin. Dort stehen aber auch schon alle, die einsteigen wollen. Und schon ist das Chaos perfekt.

Auf den Linien im Zentrum, die bereits umgestellt worden sind, zeigt sich aber, dass sich das Problem mit der Zeit von selbst erledigt. Mittlerweile stehen diejenigen, die einsteigen wollen, alle vorne an und diejenigen, die aussteigen wollen, warten hinten geduldig. Was lange

fährt, wird endlich gut.