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Ebola-Labor im Koffer

Fabian Schmidt3. März 2015

Ein Infektionsforscher hat in Göttingen einen handlichen Koffer zur mobilen Genomanalyse von Viruserkrankungen entwickelt. Er liefert Ergebnisse, die so gründlich bisher nur durch aufwendige Laboranalysen möglich waren.

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Ebola-Diagnosekoffer des Deutschen Primatenzentrum (Foto: DPZ)
Der RPA-Analysekoffer enthält alles, um acht verschiedene Viren zu erkennenBild: Deutsches Primatenzentrum

Kommt jemand mit Fieber zum Arzt, lautet die erste Diagnose in kälteren Ländern oft zuerst einmal: "Grippe", in tropischen Regionen: "Malaria." Aber dieses erste Urteil kann trügerisch sein. Denn hinter dem Fieber könnte sich auch eine weit gefährlichere Infektion verstecken, etwa das Dengue-, Marburg- oder Chikungunya-Virus - oder im schlimmsten Fall sogar Ebola.

Ahmed Abd el Wahed (Foto: DPZ)
Ahmed el Waheb möchte lokalen Kliniken in Entwicklungsländern schnelle Analysen ermöglichenBild: DPZ

Damit Patienten und Ärzte frühzeitig Klarheit über die Ursachen der Symptome haben, hatte der Göttinger Virologe Ahmed Abd El Wahed vor einigen Jahren die Idee, ein platzsparendes, mobiles Testlabor zu bauen. Das Ziel verfolgte er gemeinsam mit Frank Torsten Hufert, in dessen Labor an der Universität Göttingen er seinerzeit forschte. Zunächst ging es darum, Ärzten in Mekka etwas an die Hand zu geben, mit dem sie während der Pilgerreise Haddsch, Patienten schnell und zuverlässig auf das MERS-Coronavirus testen konnten.

Zwar wollte in Saudi-Arabien später niemand seinen Koffer kaufen, aber Abd el Wahed hofft jetzt, dass es in Afrika Interesse am Ergebnis seiner Entwicklungsarbeit gibt: Herausgekommen ist ein mobiles Labor, das in einen Koffer passt und mit dem man verschiedenste Viren eindeutig durch Genom-Analysen nachweisen kann - und das mit einer Zuverlässigkeit, die bisher nur mit einer ungleich aufwendigeren Laborausrüstung möglich war. Ein erstes Einsatzgebiet sind die Ebola-Gebiete Afrikas.

Labor-Koffer ist nicht vergleichbar mit Ebola-Schnelltest

Zwar gibt es seit Anfang des Jahres auch einen Ebola-Schnelltest, der ähnlich funktioniert, wie ein Schwangerschaftstest, aber der Laborkoffer soll diesen nicht ersetzen.

Ebola Schnelltest Firma Senova (Foto: Senova).
Der Ebola Schnelltest ist handlich, aber nicht unfehlbarBild: Senova

Den Schnelltest kann zwar jeder Arzt mit sich führen und so frühzeitig mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erkennen, ob Ebola vorliegt oder nicht - aber er ist nicht fehlerfrei. Es kann durchaus vorkommen, dass eine Ebola-Infektion dadurch nicht erkannt wird. Deshalb müssen bei Verdachtsfällen ohnehin immer Proben ins Labor geschickt werden.

Und diese vertiefende Laboranalyse können Mediziner dank des Koffer-Labors jetzt vor Ort durchführen. Das ist besonders dann von Vorteil, wenn es sich um Entwicklungsländer handelt, in denen Wege weit und Transporte schwer zu bewerkstelligen sind.

Zudem können mit dem Laborkoffer Proben auf bis zu acht verschiedene Erreger getestet werden - darunter alle drei bekannten Stämme von Ebola. Auch das kann der Schnelltest nicht.

Genabschnitte müssen vervielfältigt werden

Um Genom-Analysen durchführen zu können, ist es nötig, einzelne Abschnitte des Erbgutes - also der DNA - so zu vervielfältigen, dass sie technisch sichtbar gemacht werden können. Bisher vermehren Forscher sie durch eine Polymerase Kettenreaktion (PCR).

Polymerase-Kettenreaktionsgerät am Fraunhofer Institut in Schmallenberg (Foto: DW/F.Schmidt).
In einem PCR-Labor-Gerät werden Gen-Abschnitte immer wieder erwärmt und abgekühlt. RPA funktioniert auch bei gleichbleibender Temperatur.Bild: DW/F. Schmidt

Die kommt etwa dann zum Einsatz, wenn Gerichtsmediziner genetische Fingerabdrücke suchen, Mediziner einen Vaterschaftstest durchführen, oder Lebensmittelkontrolleure die Herkunft von Fleisch sicher klären wollen.

Aber um eine PCR durchzuführen braucht man eine aufwendige Laborausstattung: Die Reagenzgläser mit den zu vervielfältigenden Gen-Abschnitten müssen immer wieder erwärmt und abgekühlt werden: Erst auf 96 Grad, dann auf 50-60 Grad dann auf 72 Grad Celsius. Danach beginnt der Prozess immer wieder von vorne. Das kann Stunden dauern. Zudem müssen die für die PCR notwendigen Reagenzien für den Transport und für andere Zwecke auf -20 Grad Celsius herunter gekühlt werden.

Fraunhofer IME: PCR Analysegerät (Foto: DW/F.Schmidt).
Die PCR Methode braucht aufwendige Versuchsanordnung im Labor. Hier ein Farbsensor für GenabschnitteBild: DW/F. Schmidt

Durchbruch durch neues Vervielfältigungs-Verfahren

Das änderte sich im Jahr 2006, als ein Forscherteam um die Biochemiker Olaf Piepenburg und Niall Armes in Cambridge ein Verfahren namens Rekombinase Polymerase Amplifikationstechnik (RPA) erfanden.

Der entscheidende Vorteil: RPA vermehrt die gesuchten Genabschnitte der Viren schneller als PCR, nämlich in zehn bis fünfzehn Minuten. Und RPA funktioniert optimal bei einer gleichbleibenden Temperatur von etwa 37 Grad Celsius. Auch ist dafür keine Kühlkette nötig.

Im Juni 2014 hatte Abd el Wahed, der heute am Deutschen Primatenzentrum in Göttingen forscht, seinen RPA-Laborkoffer soweit entwickelt, dass er im Prinzip einsatzbereit war. Die RPA-Erfinder Piepenburg und Armes, die sich inzwischen durch eine Ausgründung selbstständig gemacht hatten, liefern dazu die notwendigen Reagenzien.

Der ehemalige Göttinger Chef von Abd el Wahed, der Virologe Manfred Weidmann, der jetzt an der University of Stirling Virologie lehrt, steuerte den eigentlichen RPA-Test für den Ebola-Virus bei.

Strom holt sich das Gerät aus einem Solarpanel. Schon jetzt setzt Abd el Wahed es testweise mit Koorperationspartnern vom Institut Pasteur in Dakar (Senegal) und dem Institute for Public Health in Guinea ein.

Dabei ist Vorsicht oberstes Gebot: "Die Probe vom Patienten ist immer ein hochinfektiöses Material", sagt der Erfinder "Deshalb braucht man eine Lösung, die das Virus inaktivieren kann. Man muss ja verhindern, dass diejenigen, die den Test durchführen, Ebola bekommen."

Fraunhofer IME: DNA-Analyseauswertung am Computer (Foto: DW/F.Schmidt).
So werden DNA-Abschnitte beim PCR sichtbar: Der Ausschlag der Kurve zeigt ein bestimmtes GenBild: DW/F. Schmidt

Ein Koffer für jedes Krankenhaus und jeden Flughafen?

Politische Unterstützung bekommt der Erfinder von der Vizepräsidentin der Global Democracy Initiative und ehemaligen SPD-Europaabgeordneten Karin Junker. Sie würde sich wünschen, dass bald jede Klinik, in den von Ebola betroffenen Ländern, über ein solches Analysegerät verfügt. "Mich hat die Idee mit dem Koffer total fasziniert", sagt die Entwicklungspolitikerin, "weil er von einer Stromleitung unabhängig ist, weil er keine Kühlmittel braucht und weil er mobil ist: Man kann vor Ort sofort eine Diagnose stellen. Das ist ideal für Länder, die große Schwierigkeiten in der Logistik haben."

Da die EU-Mitgliedsstaaten zugesagt haben, den Kampf gegen Ebola mit einer Milliarde Euro voranzutreiben, sei da bestimmt auch Geld für solche mobilen Labore vorhanden, meint sie: "Es wäre mein Ehrgeiz, dass man das auch durchsetzen kann".

Im Vergleich dazu ist der Koffer auch nicht teuer: Die Grundausstattung kostet etwas über 5000 Euro. Hinzu kommen vier Euro für jeden Test.

Abd El Wahed kann sich auch vorstellen, dass Flughäfen die Geräte routinemäßig nutzen, um Verdachtsfälle abzuklären. "Wenn am Flughafen ein Fall ankommt, und man möchte wissen, ob es sich um Ebola handelt, könnte man den Test in 15 Minuten machen."