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Ministerpräsident von Putins Gnaden

Alexander Warkentin 5. März 2004

Michail Fradkows Wahl zum neuen russischen Ministerpräsidenten war keine Überraschung. Trotzdem stiftet seine Nominierung durch Präsident Wladimir Putin bis heute Verwirrung. Wer ist der Mann und wofür steht er?

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Wer ist Michail Fradkow? Die offizielle Antwort auf diese Frage hat am Freitag (5.3.2004) die Staatsduma - das russische Parlament - gegeben: Fradkow ist der neue russische Premierminister. Der Rest ist Staunen.

Als der russische Präsident Wladimir Putin am 24. Februar 2004, also drei Wochen vor seiner eigenen sicheren Wiederwahl, völlig überraschend die Regierung von Michail Kasjanow entließ, erklärte er der überrumpelten Öffentlichkeit im In- und Ausland, es sei nicht nur sein Recht, sondern auch seine Pflicht, einen neuen Premier zu benennen, der für den neuen politischen Kurs stehe. Eine Woche lang ereiferten sich Kreml-Forscher in Ost und West über die Frage, ob jetzt ein Wirtschaftsliberaler oder ein "Silowik" - sprich ein Putin-Vertrauter aus Geheimdienstkreisen - Premier von Putins Gnaden werde. Auf den Namen Michail Fradkow ist keiner gekommen.

"Beziehungen erleichtern"

Fradkow ist 53 Jahre alt, verheiratet, hat zwei Kinder. Von Hause aus ist er Maschinenbauingenieur, hat aber schon zu Sowjetzeiten Karriere im Außenhandel gemacht. Er war unter anderem Minister für Außenhandel unter Boris Jelzin, Chef der Steuerpolizei unter Putin, machte zwischendurch einen kurzen Ausflug in die Privatwirtschaft. Seit März 2003 war er der Vertreter Russlands bei der Europäischen Union (EU) in Brüssel. EU-Kommissionspräsident Romano Prodi beeilte sich denn auch, Putins Entscheidung zu begrüßen. Man hoffe, so Prodi wörtlich, "dass dies die Beziehungen erleichtert und das Verständnis innerhalb der russischen Regierung für die EU verstärkt".

In Russlands politischen Eliten aber herrscht seit der Ernennung Fradkows völlige Verwirrung. Zwar beteuern sowohl die Minister der entlassenen Regierung als auch die Abgeordneten der Duma vor Fernsehkameras, sie würden Fradkow als einen höchst professionellen und gewissenhaften Beamten kennen. Unter der Hand aber fragt man sich: Wer eigentlich ist dieser Herr Fradkow? Wie und wann hat er sich die Gunst des Präsidenten erschlichen? Aber auch der aus Brüssel nach Moskau geeilte Fradkow scheint von seiner Beförderung überrascht zu sein. In seiner ersten Ergebenheitsadresse an den Präsidenten via TV stammelte der Premier "seine Sicherheit und auch die Bereitschaft seien gewachsen, alles umzusetzen, worüber der Präsident mit ihm gesprochen habe, als er ihm den Posten des Premierministers in Aussicht gestellt habe".

Rein technische Funktion

Dies scheint das Schlüsselwort zu sein: Fradkow ist berufen, das umzusetzen, was der Kreml ihm befiehlt. Eigeninitiative wird von ihm nicht erwartet. In der von Präsident Putin erbauten "Vertikale der Macht" ist für die Regierung eine rein "technische" Funktion vorgesehen. Die ersten Schritte des neuen Premierministers bestehen darin, dass er die im Präsidialapparat bereits vorbereitete Reform der Regierung umsetzt. Die Zahl der Ministerien soll verringert werden, der Staatsapparat erneuert, die Korruption bekämpft, das Steuersystem reformiert werden. Alles Ziele, die der Kreml seit langem deklariert.

Putin hatte erklärt, der neue Premierminister solle den neuen politischen Kurs personifizieren. Und so drängt sich die Frage auf: Ist Fradkow dieser Mann? In einer kürzlich in Moskau und Sankt Petersburg durchgeführten Umfrage erklärten 87 Prozent der Russen, dass die Ernennung Fradkows für sie keinerlei Auskunft über den künftigen Kurs sei.

Wohin führt Putin Russland?

Die meisten Beobachter halten denn auch Fradkow für eine weitere Übergangsfigur. Er soll eine Reihe von unpopulären Vorhaben, wie etwa Mieterhöhungen im staatlichen Sektor durchziehen, und dann einem designierten Nachfolger von Putin Platz machen. Wenn dem so ist, erübrigt sich eigentlich die Frage: Wer ist Fradkow? Viel wichtiger bleibt die Frage: Wer ist Putin? Wohin führt er Russland?