1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Minister Kiss nimmt seinen Hut

26. Februar 2003

- Erstes Kabinettsmitglied der Medgyessy-Regierung zurückgetreten

https://p.dw.com/p/3IuH

Budapest, 24.2.2003, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch

Am Freitag Vormittag (21.2.) ist Kanzleramtsminister Elemér Kiss von seinem Posten zurückgetreten. Grund waren umstrittene Aufträge, die er seinem ehemaligen Arbeitgeber, dem Budapester Rechtsanwaltbüro Forgács und Kiss, hatte zukommen lassen. Kiss ist der erste Minister, der seit dem Amtsantritt der Medgyessy-Regierung im vergangenen Mai seinen Posten aufgegeben hat.

Premier Péter Medgyessy erklärte am Freitag Mittag vor der Presse, dass er das Rücktrittsgesuch umgehend angenommen habe. "Leider gab es keine andere Wahl", sagte der Regierungschef. Er bat Justizminister Péter Bárandy, einen ethischen Kodex auszuarbeiten, der die moralischen und rechtlichen Erwartungen an Regierungsmitglieder beinhalten soll.

Bis zum heutigen Montag (24.2.) sollen ihm alle Regierungsmitglieder mitteilen, welche Posten sie bei Firmen in den vergangenen fünf Jahren bekleidet haben. Auch ihre Besitzanteile an Unternehmen müssen die Minister offen legen. "Dies ist nötig, damit die Regierung transparent und sauber bleibt", betonte der Premier. Erst am Mittwoch hatte er in einer Rede vor der Industrie- und Handelskammer betont, dass er gnadenlos allen möglichen Korruptionsvorwürfen nachgehen würde.

Kanzleramtsminister Elemér Kiss war auf einer Pressekonferenz von einem Fidesz-Politiker öffentlich kritisiert worden, weil das Rechtsanwaltbüro Forgács und Kiss, dessen Mitarbeiter Kiss früher gewesen ist, einen Auftrag zur Überprüfung der Fluggesellschaft Malév bekommen hatte. Am Donnerstag stellte sich noch heraus, dass auch die staatliche Autobahnbaugesellschaft Nemzeti Autópálya Rt. zu den Klienten des Rechtsanwaltsbüros gehört.

Minister Kiss war umsehend in die Offensive gegangen. Er schlug eine Änderung des Rechtsanwaltsgesetzes vor, so dass eine Kanzlei keinen Auftrag von Staatsunternehmen erhalten sollte, die Personen beschäftigt hat, die in verantwortlicher Stelle in der Politik tätig sind. "Eine solche Unvereinbarkeitsklausel würde verhindern, dass Situationen entstehen, die für einen Minister unangenehme Folgen haben könnten", sagte der Ex-Minister Mitte vergangener Woche. Er versprach einen entsprechenden Gesetzesvorschlag innerhalb von zwei Wochen vorzulegen.

Kiss erwähnte auch, dass er den Leiter seiner früheren Kanzlei ersuchen werde, die Verträge mit hundertprozentig staatlichen Firmen zu überprüfen und zu kündigen, falls auch die Auftraggeber damit einverstanden seien. In den folgenden Tagen wurde dann die Kritik am Stabschef des Premiers immer lauter, so dass er keinen Ausweg mehr sah, als seinen Rücktritt einzureichen.

Premier Péter Medgyessy teilte die Nachricht vom Rücktritt seines Ministers der Presse persönlich mit. Die Verträge des Rechtsanwaltsbüros Forgács und Kiss seien zwar juristisch einwandfrei, moralisch aber unakzeptabel. "Mein Kabinett hat mit sauberen Händen die Regierungsverantwortung übernommen, das soll auch so bleiben", betonte er. "Das erwartet auch die Bevölkerung." Nach Auskunft von Regierungssprecher Zoltán J. Gál will Medgyessy so schnell wie möglich über einen Nachfolger für Kiss entscheiden. Mögliche Kandidaten wurden nicht genannt. (fp)