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Milizen-Anführer in Deutschland verhaftet

17. November 2009

Zwei mutmaßliche Anführer einer der brutalsten Rebellenorganisationen Afrikas sind in Deutschland verhaftet worden. Sie sollen Verbrechen in der Demokratischen Republik Kongo befohlen haben.

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Mann vor Totenschädeln (Foto: AP)
Totenschädel erinnern an den Genozid in Ruanda - dafür verantwortliche Hutu-Milizen flohen in den KongoBild: AP

Der Vorwurf klingt unglaublich: Grausame Massaker von Hutu-Rebellen sollen von Deutschland aus gelenkt worden sein. Die Staatsanwaltschaft ließ am Dienstag (17.11.2009) den in Mannheim lebenden und von Ruanda als Kriegsverbrecher gesuchten Ignace M. in Karlsruhe verhaften. Er gilt als Chef der terroristischen Vereinigung "Forces Démocratiques de Libération du Rwanda" (FDLR). Sein Stellvertreter, der 48-jährige Straton M., wurde im Großraum Stuttgart gefasst. Nach Angaben der Ermittler sind die Beschuldigten dringend verdächtig, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen begangen zu haben.

Maßgeblicher Einfluss auf das Kriegsgeschehen

Der aus Ruanda stammende 46-jährige Ignace M. war nach Angaben der Bundesanwaltschaft seit 2001 als Rädelsführer sogenannter "Präsident" der FDLR. Er soll damit zugleich der Oberkommandierende der bewaffneten Truppen der Milizen-Organisation gewesen sein. Als dessen Stellvertreter soll Straton M. seinen Chef in militärischen Angelegenheiten vertreten und beraten haben. Nach den bisherigen Ermittlungen hatten die beiden mutmaßlichen Anführer der Hutu-Milizen maßgeblichen Einfluss auf das Kriegsgeschehen in der Demokratischen Republik Kongo. Die Bundesanwaltschaft geht daher davon aus, dass sie als militärische Befehlshaber für die von der FDLR begangenen Verbrechen verantwortlich sind. Bereits seit etwa einem Jahr wurde gegen die beiden mit großem Aufwand verdeckt ermittelt, um Beweise zu sammeln.

Mächen zwischen Holzkreuzen (Foto: AP)
Milizen-Organisationen der Hutus sind verantwortlich für den Völkermord an Hunderttausenden TutsiBild: AP

Die Untersuchungsergebnisse scheinen eindeutig: Danach sollen Milizionäre der FDLR von Januar 2008 bis Juli 2009 mehrere hundert Zivilisten getötet und unzählige Frauen vergewaltigt haben. Dörfer seien geplündert und niedergebrannt, die Bewohner vertrieben und zahlreiche Kinder als Soldaten zwangsrekrutiert worden. Bereits 1994 waren den Erkenntnissen zufolge viele Mitglieder der Terror-Vereinigung am Völkermord an rund 800.000 Tutsi und gemäßigten Hutus in Ruanda beteiligt.

Beitrag zum Ende des Massenmords im Kongo

Die Gesellschaft für bedrohte Völker fand deutliche Worte: Sie begrüßte die Verhaftung als "Deutschlands bislang wichtigsten Beitrag zum Ende von Massenmord und Vertreibung im Kongo". Beide Männer hätten jahrelang "geschickt Lücken des Rechtssystems genutzt, um per Satellitentelefon aus dem sicheren Exil Massenmord in ihrer Heimat zu steuern. Zugleich kritisierte die Organisation, es habe lange gedauert, bis die Justiz reagiert habe.

Der Leiter der UN-Niederlassung in der Demokratischen Republik Kongo, Gregory Alex, erklärte, die Festnahmen seien wichtig. Der ehemalige Militärchef der FDLR, Paul Rwarwakabije, der der Gruppe vor einigen Jahren den Rücken gekehrt hat, sprach von einer Enthauptung der Gruppe. Ignace M. sei deren Kopf gewesen. In Agenturberichten hieß es, Experten sähen in der Entwaffnung der FDLR den Schlüssel zur Befriedung der seit Jahren von bewaffneten Konflikten erschütterten Region.

Erste Ermittlungen wurden eingestellt

Ignace M. war als Asylbewerber nach Deutschland gekommen, studierte und promovierte in Köln und lebte später in Mannheim. Bereits seit einigen Jahren drängen die Vereinten Nationen, ihn festzunehmen. Nachdem die Bundesanwaltschaft gegen ihn 2006 ein erstes Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts der Beteiligung an Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Demokratischen Republik Kongo eingeleitet hatte, wurde ihm zeitweise das Aufenthaltsrecht entzogen. Der Vorwurf wurde später aber fallen gelassen - aus Mangel an Beweisen.

Die FDLR-Miliz steht auf der Terrorliste des US-Außenministeriums. Ignace M. und sein Stellvertreter sind seit 2005 mit Reise- und Finanzsanktionen des UN-Sicherheitsrats belegt, die auch von der EU übernommen wurden.

Autor: Herbert Peckmann (dpa, ap, afp)
Redaktion: Anna Kuhn-Osius