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Militärprozess gegen Lynndie England geplatzt

Daniel Scheschkewitz, Washington6. Mai 2005

Überraschende Wendung im Prozess gegen die US-Soldatin Lynndie England: Der zuständige Richter wies nach widersprüchlichen Angaben von England deren Schuldgeständnis zurück. Das Verfahren muss nun neu aufgerollt werden.

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Wütend auf Ex-Freund: Lynndie EnglandBild: AP

Die Sensation bahnte sich an, als Charles Graner in Handschellen und Fußketten in den Zeugenstand gerufen wurde. Das bekannte Hundeleine-Foto, das zum Inbegriff des Abu-Ghraib-Skandals wurde, sei zu Trainingszwecken für andere Wächter gemacht worden, erklärte Graner und England habe auf seine Anweisung gehandelt. Der als Wachpolizist im Irak eingesetzte Graner fügte hinzu, beim Anleinen von Gefangenen habe es sich um eine "legitime Praktik" gehandelt.

Strafmildernde Vereinbarung ohne Wirkung

Der Vorsitzende Richter unterbrach die Verhandlung, um sich mit der Geschworenen-Jury zu beraten. Im Anschluss annullierte er das Schuldbekenntnis Englands mit den Worten, er habe Zweifel an der Schuld der Angeklagten. Sichtlich erzürnt beendete der Militärrichter das Verfahren, das nun neu aufgerollt werden muss. Lynndie England hatte sich am Montag (2.5.2005) in einer Anhörung vor dem Militärrichter als schuldig in sieben von neun Anklage-Punkten bekannt. Sie habe bei den Aufnahmen, die zur Belustigung der US-Soldaten entstanden seien, aus freien Stücken gehandelt, sagte die Angeklagte zu Beginn des Verfahrens.

Mit dem zunächst akzeptierten Schuldbekenntnis hatten Englands Anwälte gehofft, dass Strafmaß für die 22-jährige Mutter von 11 Jahren auf 30 Monate herabsetzen zu können. Diese Strategie durchkreuzte nun ausgerechnet der Zeuge der Verteidigung und frühere Freund der Angeklagten, Charles Graner. Graner, der der Vater des Kindes von Lynndie England sein soll, ist pikanterweise inzwischen mit einer weiteren Beteiligten des Abu Ghraib-Skandals, Megan Ambuhl, verheiratet. Ambuhl ist inzwischen unehrenhaft aus der US-Armee entlassen worden. Graner war der Einzige der insgesamt sieben angeklagten US-Soldaten, der die Verantwortung für die Vorgänge in Abu Ghraib in seinem Verfahren strikt von sich gewiesen und behauptet hatte, er sei von seinen Vorgesetzten zu den Misshandlungen angetrieben worden.

England ist wütend

Graner, der auf zahlreichen der von den Misshandlungen gemachten Fotos auftauchte, war von den Militärichtern mit einer zehnjährigen Haftstrafe belegt worden. Wie es nun in dem Verfahren gegen England weitergeht ist völlig offen. Theoretisch könnte die Anklage gegen sie fallen gelassen werden. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass das
Verfahren errneut in die Beweisaufnahme geht. England selbst zeigte sich von der Entwicklung sichtlich schockiert. Während sie am Morgen ihr einjähriges Kind von der Großmutter für alle Kameras sichtbar in den Gerichtsaal hatte tragen lassen, wurde das Kind nach der Annulllierung des Schuldgeständnisses in Decken verhüllt aus dem Gerichtsgebäude gebracht. Den offiziellen Gerichtszeichner hatte England zuvor aufgefordert, bei der Anfertigung der Zeichnung des Zeugen Graner "die Teufelshörner nicht zu vergessen."