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Migranten-Viertel mit neuem Image

29. Juli 2010

Der Duisburger Stadtteil Marxloh gilt seit vielen Jahren als Ghetto türkischstämmiger Migranten: Wer hier lebt, ist stigmatisiert. Doch ist das noch immer so? Einige kreative Köpfe beweisen das Gegenteil.

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Beutel mit Aufdruck 'Made in Marxloh'. Foto: Murat Koyuncu
Bild: Murat Koyuncu

Zwischen der neuen Großmoschee und den Thyssen-Krupp-Stahlwerken liegt die Weselerstraße. Sie war in den 50er Jahren eine populäre Flaniermeile, in der sich nicht nur die Nachbarschaft traf, sondern in die sogar viele Besucher aus der Region zum Einkaufen kamen. Doch das Bild hat sich drastisch verändert: Heute prägen türkische Geschäfte und Imbissbuden die Gegend. Denn während immer mehr Deutsche wegzogen, kamen viele türkische Gastarbeiter und ließen sich hier nieder, in der Nähe ihrer Arbeitsplätze in der Stahlindustrie.

Heute haben mehr als die Hälfte der Bewohner einen Migrationshintergrund. 25 Prozent der Jugendlichen sind ohne Schulabschluss, und knapp die Hälfte hat gerade mal die Hauptschule absolviert. Marxloh ist ein so genannter sozialer Brennpunkt. Eine türkisch geprägte Insel, von der sich viele Deutsche seit Jahren distanzieren.

Deutsche Nachbarn gesucht

Blick auf die Weselerstraße in Duisburg-Marxloh. Foto: Murat Koyuncu
Soll wiederbelebt werden: die WeselerstraßeBild: DW

Doch es tut sich was im Viertel: Kreative Köpfe wollen Marxloh eine neue Farbe geben und verändern. Einer von ihnen ist Dursun Yilmaz. Er ist bei der Entwicklungsgesellschaft Duisburg für den interkulturellen Dialog tätig und möchte gegen das schlechte Image arbeiten. Der heutige Stadtteil Marxloh sei anders als vor 30 Jahren, sagt er. Und deshalb möchte er versuchen, die Menschen hierher zu locken, damit sie sich selbst ein Bild machen können. Hier sollen nicht nur türkischstämmige Bürger leben, arbeiten und wohnen, sondern auch wieder Deutsche. Die möchte er hierher holen, als Kundschaft und neue Anwohner.

Marxloh als Marke

Zu den Attraktionen neueren Datums zählt der so genannte "Medienbunker". Ihn hat vor ein paar Jahren der Türke Halil Özet ins Leben gerufen: eine Art Kreativwerkstatt, die sich im ehemaligen Hochbunker von Marxloh einquartiert hat. Hier entstehen kreative Ideen für die Wiedergeburt des gesamten Stadtteils. Halil Özet bekennt sich zu seinem Wohnort. Er ist stolz, ein gebürtiger Marxloher zu sein. Er sagt von sich, er sei "Made in Marxloh", so wie es auf dem Logo steht, das in Form eines Orts-Eingangsschildes designt wurde.

Ein Logo, das die Menschen hier stolz macht: Sie tragen es auf Stofftaschen, als Button an ihren Jacken oder als Sticker an ihren Autos. Für Halil Özet ist "Made in Marxloh" eine Art Identitäts-Bekenntnis. Als Jugendlicher wollte er immer weg. Und nachdem er sich in vielen Großstädten niedergelassen hatte, wollte er wieder zurück zu seinen Wurzeln. Der 36-Jährige fühlt sich weder türkisch noch deutsch – aber er weiß, wo er geboren wurde: in Marxloh.

Halil Özet in weiß-blauem Sport-Outfit vor einem Kunstwerk im Medienbunker. Foto: Murat Koyuncu
Kreativer Kopf: Halil Özet, Gründer des Medienbunkers.Bild: Murat Koyuncu

Mit Brautkleidern auf die Autobahn

Nun will er mit verschiedenen Aktionen auf Marxloh aufmerksam machen. Ein großes Projekt ist gerade mit größtem Erfolg gelaufen: Hundert Frauen in Brautkleidern sind auf einer stillgelegten Autobahn aufgetreten - beim sogenannten "Stillleben A40", das zu den populärsten Events im Kulturhauptstadt-Programm Ruhr 2010 gehörte. Die Damen in Weiß machten Aufsehen erregende Werbung für Marxloh – dort gibt es eine Straße, in der türkische Geschäfte Brautmoden anbieten.

An der Wand im Medienbunker hängt ein Poster mit dem Aufdruck 'Made in Marxloh' Foto: Murat Koyuncu
Neue Identität: Marxloh als MarkeBild: DW

Doch das ist noch nicht das Ende von Halil Özets Träumen. Nun will er ein Migrationsmuseum aufbauen, das Dokumente und Erinnerungen von der ersten Generation der türkischen Gastarbeiter zeigen soll. Geplant ist das Museum für das kommende Jahr, wenn sich die Ankunft der ersten türkischen Gastarbeiter in Deutschland zum 50. Mal jährt. Aber nicht nur an die Einwanderer der ersten Stunde ist gedacht: Die kreative Made-in-Marxloh-Generation plant schon fleißig an einem geeigneten Treff für die Jüngeren. Ein Szene-Café beispielsweise soll als Begegnungsstätte für türkische und deutsche Jugendliche dienen, in der sie sich über ihre Kulturen austauschen können. Vielleicht wird Marxloh dann tatsächlich wieder ein angesagter Treffpunkt für alle, die in der Gegend leben.

Autor: Murat Koyuncu