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'Klimaschutz ist machbar'

25. November 2009

Er führt den größten Versandhandels-Konzern der Welt und setzt sich seit 30 Jahren für den Umweltschutz ein: Michael Otto. Im Gespräch mit DW-WORLD.DE erläutert der Unternehmer seine Erwartungen an die Klimapolitik.

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Michael Otto (Foto: dpa)
Michael OttoBild: Picture-alliance/dpa

DW-WORLD.DE: Wie ist der Klimawandel aufzuhalten?

Michael Otto: Es ist wichtig, die Klimaerwärmung langfristig auf zwei Grad zu begrenzen. Sonst kommt es zu Entwicklungen, die nicht mehr beherrschbar sind. Das bedeutet, dass wir uns sehr viel ehrgeizigere Klimaziele setzen müssen als bisher: Bis 2020 eine Kohlendioxid- Reduzierung um 40 Prozent und bis 2050 um 85 Prozent. Darüber hinaus müssen wir ein Programm aufsetzen, das an die Ziele des Klimagipfels in Kyoto anknüpft und konkrete Maßnahmen festlegt. Dazu müssen wir nicht nur die Industrienationen, sondern auch die Schwellenländer und die Entwicklungsländer mit ins Boot holen.

Ist verstärkter Klimaschutz in Krisenzeiten politisch durchsetzbar?

Ich meine schon. Dass wir im Hinblick auf unsere Umwelt und unser Klima wirklich nachhaltig wirtschaften müssen, bestreitet niemand mehr.

Sind die Klimaziele nicht zu allgemein und unverbindlich formuliert?

Es ist richtig, dass Maßnahmen, die sich auf die Zukunft beziehen, grundsätzlich nur sehr schwer konkret zu fassen und der Öffentlichkeit zu vermitteln sind. Aber das Bewusstsein der Menschen weltweit in Bezug auf den Klimawandel hat sich deutlich verändert. Fast alle wissen, dass Klimaveränderungen außerordentlich negative Auswirkungen auf die einzelnen Länder und damit auch auf jeden Einzelnen haben. Hier wird deutlich mehr Druck auf Regierungen ausgeübt als früher. Das hat auch die Wirtschaft erkannt, aus der sehr viele Initiativen kommen. Die Frage bleibt, wie Klimaschutz finanziert werden kann. Wir brauchen die Verknüpfung bereits vorhandener, regionaler Emissionshandelssysteme zu einem globalen Emissionshandel. Dies ist ein Weg, um finanzielle Mittel für den Klimaschutz zu bekommen.

Die größten Energieverbraucher sind nach wie vor die USA und China. Wie können diese beiden Länder auf den richtigen Weg gebracht werden?

Es ist vollkommen richtig: Die USA und China haben den größten CO2-Ausstoß, knapp 40 Prozent der weltweiten Emissionen. Ohne diese beiden Nationen gibt es deshalb keine Lösung. In den USA hat Präsident Obama eine Trendwende im Klimaschutz eingeleitet. Er hat sich ganz klar dazu bekannt, dass Klimaschutzziele formuliert werden müssen. Man wird jetzt sehen müssen, inwieweit er diese Forderung innenpolitisch in den USA umsetzen kann, denn da gibt es sicherlich gewisse Grenzen. Zu China: Es wird viel zu wenig gesehen, wie viel die Chinesen heute schon tun und planen. Das Land investiert sehr stark in regenerative Energien und in die Verbesserung der Klimaeffizienz. Die Chinesen haben Pläne und Maßnahmen aufgelegt, um zum Beispiel in Wärmedämmung von Häusern zu investieren oder neue CO2-freie Städte zu entwickeln. China will bereits 2020 mit seinem CO2-Ausstoß unter dem des Jahres 2005 sein und nicht erst 2050, wie bisher geplant. Das ist beachtlich. Ein weiteres Ziel ist, den Anteil regenerativer Energien bis 2020 auf 15 Prozent zu steigern. Es ist wichtig, auch diese positiven Trends zu sehen.

Präsident Obama hat angekündigt, vor allem in die Forschung zu investieren und Anreize für Unternehmen zu schaffen, in erneuerbare Energien und Technik zu investieren. Ist das eine Gefahr oder eine Chance für deutsche Unternehmen?

Wenn die amerikanische Regierung 60 Milliarden für die Forschung und Entwicklung der regenerativen Energien bereitstellt, dann ist das natürlich ein Faktor, den wir ernst nehmen sollten. Wir sollten in Deutschland aufpassen, unseren Vorsprung in einigen Bereichen der Umwelttechnologie nicht zu verspielen. Ich verstehe diese Ankündigung aber auch als Anreiz für deutsche Ingenieure, in die Entwicklung zu gehen und noch innovativere Produkte zu entwickeln.

Lesen Sie im zweiten Teil des Interviews, was Michael Otto von der deutschen Politik erwartet.

Michael Otto (Foto: AP)
Michael OttoBild: AP

Was muss in Deutschland angepackt werden?

Wir brauchen in Deutschland eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen öffentlicher und privater Forschung. Der Staat muss entsprechende Budgets zur Verfügung stellen, beispielsweise durch Umschichtungen im Bundeshaushalt, zumindest aber im Forschungshaushalt. Natürlich müssen auch die privaten Unternehmen verstärkt investieren, aber dies ist auch im ureigensten Sinne der Unternehmen, denn wir sehen ja, dass viele unserer innovativen, grünen Produkte Exportschlager sind. Ich bin zuversichtlich, dass wir sehr schnell mit neuen Produkten in den Markt kommen könnten. Die so genannte grüne Industrie hat heute schon mehr Arbeitsplätze als die Automobilindustrie. Diese Branche ist also sehr wichtig für die deutsche Wirtschaft.

Gibt es vorbildliche Projekte oder Initiativen aus Deutschland zum Klimaschutz, die weltweit Furore gemacht haben?

Da gibt es sicherlich eine ganze Reihe von sogenannten Best-Practice-Modellen. Zum Beispiel das deutsche Energieeinspeisungsgesetz, das es ermöglicht hat, regenerative Energien auch in großem Umfang wirtschaftlich einzusetzen. Das ist ein Gesetz, das zum Beispiel der Weltzukunftsrat mit großem Erfolg an viele Regierungen heranträgt. England wird das Gesetz übernehmen, ebenso Südaustralien und einige Bundesstaaten in den USA. Es ist ebenfalls ein echter Exportschlager.

Wie können die Schwellen- und Entwicklungsländer auf verbindliche Klimaschutzziele eingeschworen werden?

Ohne die Entwicklungs- und Schwellenländer funktioniert kein weltweiter Klimaschutz. Für die Schwellenländer ist es wichtig, Zutritt zu den wirklich wichtigen innovativen Techniken im Hinblick auf Klimaschutz zu erhalten. Außerdem muss ein Know-how- und Technologie-Transfer organisiert werden und es müssen Kooperationen stattfinden. Auch die Entwicklungsländer brauchen Technologien für regenerative Energien. Außerdem brauchen sie finanzielle Unterstützung, um ihre Wälder und Moore zu schützen. Denn wir müssen sehen, dass alleine durch die Abrodung von Wäldern und die Trockenlegung von Mooren rund 20 Prozent des CO2-Ausstoßes entstehen. Diese Länder, die das betrifft, gehören meist zu den Ärmsten der Armen und haben in der Vergangenheit am wenigsten zum CO2-Anstieg beigetragen. Wenn wir diesen Ländern nun auferlegen, ihre Wälder zu schützen, aus denen sie heute Erträge erzielen, dann müssen wir das auch finanzieren. Hier wird es vor allem darum gehen, dass wir intelligente Finanzierungsmechanismen entwickeln, um diese Länder zu unterstützen, damit sie ihre Wälder und Moore erhalten können und auch Technik und Technologien für regenerative Energien bekommen.

Wie sieht eine ideale Welt in 50 Jahren für Sie aus?

Die ideale Welt wäre, dass wir unseren CO2-Ausstoß global um 95 Prozent gesenkt und unsere Wälder, Moore, und Meere und damit unsere Biodiversität erhalten haben, ohne die Freiheit des Einzelnen oder einzelner Staaten zu sehr einzuschränken. Es geht darum, mit Ressourcen vorsichtig und nachhaltig umzugehen, denn nur in einer nachhaltigen Entwicklung liegt die Zukunft für die kommenden Generationen.

Und das zur Otto-Group gehörende Versandunternehmen Hermes-Group fährt in 50 Jahren dann nur noch mit Elektroautos?

Die fährt dann nur noch mit Elektroautos. Und der Strom für die Autos wird regenerativ aus Sonnenenergie gewonnen.

Dr. Michael Otto (66) ist seit 2007 Aufsichtsratsvorsitzender der Otto Group, der größten Distanzhandelsgruppe der Welt. Er begann bereits Ende der 70-er Jahre, sich für die Umwelt einzusetzen. Unter seiner Führung hat der Otto-Konzern von 1993 bis 2005 die transportbedingten CO2-Emissionen systematisch und kontinuierlich um 50 Prozent reduziert. Vor zweieinhalb Jahren gründete er die "Initiative 2Grad - deutsche Unternehmer für Klimaschutz". Sie will die Politik unterstützen, ehrgeizige Klimaziele umzusetzen. Michael Otto ist Mitunterzeichner des "Kopenhagen-Kommuniqués", in dem mehr als 500 Unternehmen ein internationales Rahmenabkommen für den Klimaschutz fordern.

Das Interview führte Marco Vollmar

Redaktion: Dеnnis Stutе