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Politik

Alles eine Nummer kleiner in Ciudad Juarez

Tobias Käufer
6. Februar 2017

Weniger Fans als sonst, dafür ein paar Sorgen mehr: Beim Superbowl-Finale vergessen die Mexikaner für ein paar Stunden den Streit mit den USA.

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Mexiko Grenzstadt Ciudad Juarez während des Super Bowl
Bild: DW/T. Käufer

Auf dem Parkplatz vor dem "Drink Team" sind noch einige freie Flächen. Trotzdem ist Chefkellner Adrian zufrieden: "Die Stimmung ist gut, die Gäste haben Spaß. Und sie essen fleißig", sagt der Mexikaner mit breitem Grinsen. Ein paar mehr Fans hätte er sich dann doch am Sonntagnachmittag gewünscht, als die New England Patriots und die Atlanta Falcons um die Krone des American Football kämpfen. "Natürlich ist das auch für uns ein wichtiges Spiel, viele Mexikaner mögen Football, gerade hier an der Grenze ist das Superbowl-Finale ungeheuer populär. Es ist ein wichtiger Tag für uns."

Weniger Gäste aus El Paso

Doch es liegen dunkle Wolken über der Stadt, die der Rio Grande von der texanischen Metropole El Paso trennt. Die lokale Tageszeitung "Diario" quillt zwar geradezu über von Anzeigen rund um den Superbowl. Rabatte für Pizza, Bier und Hähnchen sind der Renner. Doch zugleich hat das Blatt auch schlechte Nachrichten. Es kommen seit gut zwei Wochen weniger Menschen über die Grenze von den USA nach Ciudad Juarez. Besonders betroffen ist das breite Angebot medizinischer Dienstleistungen, die diesseits der Grenze deutlich günstiger sind. Um rund 60 Prozent sei der Strom der Mexikaner mit gültigen Visa aus El Paso zurückgegangen, die sich in Ciudad Juarez behandeln lassen wollten. Der Grund: Viele fürchten, dass sie bei Wiedereinreise nach El Paso über eine der zahlreichen Brücken plötzlich Probleme mit ihren Visa bekommen könnten.

Mexiko Grenzstadt Ciudad Juarez während des Super Bowl
Gute Stimmung: die mexikanische Grenzstadt Ciudad Juarez während des Super-Bowl-SpielsBild: DW/T. Käufer

Superbowl bestimmt den Sonntag

"Es kommen deutlich weniger Menschen über die Grenze", sagt auch Taxi-Fahrer Juan Ramirez. Er spürt die Einbußen, denn in den Hotels der Stadt sind die Buchungen ebenfalls leicht rückgängig. Das alles spielt bei den Gästen, die sich in den Restaurants der Stadt treffen, nur eine untergeordnete Rolle. In nahezu allen Bars von Ciudad Juarez läuft das große Spiel und allein die Werbeunterbrechungen machen deutlich, wie wichtig der Sport für beide Länder ist. Die großen US-Biermarken und Autohersteller werben mit speziellen Spots um ihre mexikanischen Kunden. Vor allem Ford gibt mächtig Gas: Es scheint, als habe der Fahrzeugbauer nach der Ankündigung, seine neue Fabrik lieber in Michigan statt in Mexiko bauen zu wollen, etwas gutzumachen. Soviel Aufmerksamkeit tut den Mexikanern gut, die seit ein paar Wochen andere Töne aus Washington gewohnt sind. Die Grenzmauer, die der neue US-Präsident Donald Trump bauen will, die drohenden Massenabschiebungen, dazu das zerrüttete Verhältnis zum mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto. "Die Leute haben Angst", sagt Ramirez. "Sie können nicht verstehen, warum die USA so aggressiv gegenüber den Mexikanern vorgehen."

Mexikaner fast unter sich

Hinzu kommt ein weiteres Problem: Die Ankündigung der umstrittenen Benzinpreiserhöhung hat die Menschen zusätzlich verunsichert. Anstatt ihr Geld in Restaurants auszugeben, bleiben viele Mexikaner lieber zu Hause und schauen sich das Finale in den heimischen vier Wänden an. In der Yankee-Sportsbar, einem besonders beliebten Treffpunkt für US-amerikanische Grenzgänger, sind noch einige Plätze frei, dafür ist die Stimmung trotzdem gut. Texanische Cowboystiefel, amerikanisches Bier und die frischen Hamburger, die auf einem Grill vor dem Laden brutzeln, sorgen für beste Football-Stimmung. Die belasteten Beziehungen zwischen Mexiko und den USA versuchen die Fans hier auszublenden. Gelingt ein Spielzug, wird sich gegenseitig gratuliert. Nicht einmal 300 Meter von der US-mexikanischen Grenze liegt der Laden, von dem sie in den sozialen Netzwerken behaupten, es lohnt sich dafür über die Grenze zu kommen. In der Nachbarschaft blinken die Leuchttafeln der Wechselstuben um die Wette: Wer den besten Wechselkurs zwischen Dollar und Peso machen kann, ist zumindest für diesen Tag ein kleiner Sieger.

Mexiko Grenzstadt Ciudad Juarez während des Super Bowl
Leckere Hamburger vor allem für die Gäste aus den USABild: DW/T. Käufer

Football verdrängt die Sorgen

Als nach dem letzten Touchdown des Spiels die New England Patriots über den insgesamt fünften Titelgewinn jubeln, klatschen auch die Menschen in Klubs in Ciudad Juarez begeistert Beifall. Die meisten müssen am Montag nicht arbeiten: Es wird der 100. Geburtstag der mexikanischen Verfassung gefeiert. Ein Anlass für mexikanische Politiker noch einmal an den Unabhängigkeitsgeist ihrer Landsleute zu appellieren. Spätestens dann holt die mexikanischen Footballfans die Tagespolitik wieder ein. Und die ist weniger fröhlich als die Superbowl-Party am Sonntagnachmittag in Ciudad Juarez.