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Mesic: Priorität haben Reformen in Justiz und Verwaltung

1. März 2007

Kroatiens Präsident Stipe Mesic hat drei Tage Nordrhein-Westfalen besucht. In einem Exklusiv-Interview mit DW-RADIO äußerte er sich zu den Beziehungen zu Deutschland, den Problemen der Rückkehrer und Reformvorhaben.

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Stipe Mesic: Kurzbesuch in DeutschlandBild: AP

DW-RADIO: Herr Präsident, Sie sind zu einem dreitägigen Besuch nach Deutschland gekommen, vor allem nach Nordrhein-Westfalen - was ist das Ziel Ihres Besuches?

Stjepan Mesic: Das Ziel meines heutigen Besuchs ist eine Verbesserung unserer Zusammenarbeit mit diesem Bundesland, und das heißt auch überhaupt mit Deutschland, und auf den Gebieten Wirtschaft, Bildung und Ausbildung sowie Entwicklung in Technik und Wissenschaft. Das bedeutet eine Entwicklung in den Beziehungen zwischen unseren Instituten und wissenschaftlichen Organisationen.

Die Beziehungen zwischen Kroatien und Deutschland sind schon seit der Unabhängigkeit Ihres Landes sehr gut. Deutschland hat nun in den ersten sechs Monaten dieses Jahres die EU-Ratspräsidentschaft inne. Was sind Ihre Erwartungen an Deutschland?

Deutschland gehörte zu den Ländern, die damals sehr schnell erkannt haben, dass man Jugoslawien in seinem damaligen Modell so nicht aufrechterhalten können würde. Mit anderen Worten, dass die Teilrepubliken als Staat das Recht haben, ihr verfassungsmäßiges Recht auf Selbstständigkeit zu nutzen und dann untereinander zusammenzuarbeiten. Gerade Deutschland hat das erkannt und Kroatien und die anderen Republiken anerkannt. In diesen sechs Monaten nun werden wir besondere Unterstützung erhalten, denn wir selbst wollen unsere Beitrittsverhandlungen in Brüssel beschleunigen. Deutschland hat, wie ich schon erwähnte, uns bei all dem schon geholfen und wird uns auch weiter dabei helfen, unsere Aufgaben qualitätsvoll zu bestreiten. Aber es liegt an uns, die Standards zu erreichen und die Bedingungen zu erfüllen, die wir erfüllen müssen und es liegt an den Ländern der EU, dies anzuerkennen.

Eine der Kernfragen, die es noch immer zu lösen gilt und auf die von internationaler Seite immer wieder hingewiesen wird, ist die Rückkehr und vor allem Wiedereingliederung der Flüchtlinge. Auch hier scheint es auf dem Papier, besser zu funktionieren als in der Realität. Woran liegt das?

Sie wissen, dass Kroatien das Opfer einer brutalen Aggression gewesen ist. Nach dieser brutalen Aggression sind Opfer übrig geblieben, ist menschliches Leid geblieben, zudem eine zerstörte Wirtschaft und Infrastruktur. Jetzt, wo wir uns für das europäische Modell entschieden haben, müssen wir uns der Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn öffnen. Wir möchten, dass unsere Bürger zurückkehren, die auch ein Opfer der Aggression von Milosevic waren. Denn nur die Rückkehr unserer Bürger, unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ist ein Beweis dafür, dass wir eine reife Demokratie sind, eine reife Gesellschaft. Es ist im Interesse unseres Landes und unserer Gesellschaft, dass diese Bürger zurückkehren. Aber wir müssen sie in Sicherheit zurückkehren lassen, indem wir ihnen ihre Häuser erneuen - was wir schon getan haben. Egal um wen es sich handelte, Kroatien hat die Häuser erneuert. Es fehlt noch ein wenig, aber nicht mehr viel. Was wir jetzt tun müssen, ist die Wirtschaft zu erneuern. Deshalb ist es wichtig, dass wir Investoren finden, die in diesem Teil Kroatiens investieren, der durch den Krieg zerstört wurde, damit die Menschen wieder Beschäftigung, einen Arbeitsplatz finden. Erst dann wird diese Rückkehr definitiv beendet sein.

In dieser Hinsicht haben die Rückkehrer dieselben Probleme wie die zurückgekehrten Kroaten auch?

Absolut. Auch die Kroaten, die in ihre Häuser, ihre Dörfer, ihre Städte zurückgekehrt sind, haben dieselben Probleme. Denn dieser Teil Kroatiens hat am meisten gelitten, der Teil, der durch den Krieg zerstört wurde. Und wir müssen durch unsere Politik, durch Fördermittel ermöglichen, dass auch unsere Unternehmen dort Betriebe eröffnen. Und wir müssen auch fremde Investoren ermuntern zu kommen, mit neuen Technologien, neuem Kapital. Damit wir nicht nur sicherstellen, dass die Menschen wissen, wo sie schlafen können, indem wir ihnen eine Wohnung geben, sondern auch für eine Arbeit sorgen, damit sie ihre Kinder erziehen können, sie zur Schule schicken können, damit sie gut leben können.

Kroatien ist auf dem Weg der Demokratisierung hin zu einer Aufnahme in die EU schon sehr weit vorangekommen. Aber es gibt natürlich auch noch viele Punkte, wo die Gesellschaft weiter vorankommen kann und vielleicht auch muss. Was ist für Sie das wichtigste Thema im gesamtgesellschaftlichen Bereich, in dem Sie etwas vorantreiben möchten?

Wir müssen jetzt vor allem die Justizreform vollenden, damit vor dem Gesetz alle gleich sind, ganz egal, um wen es sich handelt. Und zweitens müssen wir die Reform der öffentlichen Verwaltung zu Ende bringen, denn dieser Dienst muss für die Bürger arbeiten und nicht für sich selbst. Und diese Reformen treiben wir derzeit voran, man spürt sie schon, und das müssen wir jetzt fortführen, um all das sicherzustellen, für das wir mit unserem Einsatz für unseren Beitritt zur Europäischen Union kämpfen.

Das Interview führte Bettina Burkart

DW-RADIO/Kroatisch, 28.2.2007, Fokus Ost-Südost