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Vieles ist noch offen

28. Oktober 2009

Der Deutsche Bundestag hat Angela Merkel für eine zweite Amtszeit als Bundeskanzlerin gewählt. Was bedeutet das für die deutsche Politik? Peter Stützle kommentiert.

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Themenbild Kommentar (Grafik: DW)
Bild: DW

So, Angela Merkel ist erneut Bundeskanzlerin. Diesmal mit einem neuen Außenminister, aber das ändert nicht viel. In der Außenpolitik gibt wie nirgends sonst die Kanzlerin die Richtung vor. Das hat schon der alte Außenminister Frank-Walter Steinmeier zu spüren bekommen, der gerne eine verständnisvollere Politik gegenüber der Führung in Peking und Moskau gehabt hätte. Im Übrigen wird, wenn erst mal der Lissabon-Vertrag in Kraft ist, die Außenpolitik mehr denn je von der Europäischen Union gemacht werden.

Und sonst? Jetzt sind ja die Liberalen die Koalitionspartner von Angela Merkels Union, die landläufig für soziale Kürzungen stehen. Aber die größten sozialen Einschnitte in der deutschen Nachkriegsgeschichte hat der sozialdemokratische Kanzler Gerhard Schröder vorgenommen. Unter ihm wurden auch die Finanzmärkte dereguliert, die Steuern für Unternehmen und hohe Einkommen gesenkt.

Zwänge der Globalisierung

Schröder hatte unter dem Druck der Globalisierung gehandelt, der Flüchtigkeit von Kapital und Arbeitsplätzen. Und er hat es immerhin geschafft, die Arbeitslosigkeit, die das Staatswesen zu strangulieren drohte, zu senken - um den Preis sozialer Härten für viele Menschen und um den Preis des eigenen Machtverlusts.

Merkels Politik wird ebenfalls, in der zweiten Amtszeit noch mehr als in der ersten, von weltwirtschaftlichen wie weltpolitischen Zwängen mitbestimmt. Sie muss zunächst, zur Überwindung der Finanzkrise und ihrer Folgen, ein gigantisches Staatsdefizit in Kauf nehmen. Sie muss den Anstieg der Arbeitslosigkeit in Grenzen halten, um nicht wieder eine Situation zu bekommen, wie sie Schröder vor seinen Reformen hatte, nur dieses Mal mit einem finanziell handlungsunfähigen Staat. Und sie muss dem Druck vor allem aus USA Rechnung tragen, die Binnennachfrage zu stärken, damit nicht aus dem Ungleichgewicht der globalen Handelsströme eine noch größere Krise erwächst.

Regieren auf Sicht

All dies schlägt sich in Merkels Arbeitsprogramm, dem Koalitionsvertrag, nieder. Merkel hat dem Ruf der Freien Demokraten wie der bayerischen CSU nach Steuersenkungen auch nachgegeben, weil sie das nach außen als Stärkung der Binnennachfrage verkaufen kann. Sie hat selbst gesagt, dass die Strategie riskant ist, über Steuersenkungen Wirtschaftswachstum und damit wiederum Steuermehreinnahmen zu erzeugen. Aber sie sieht keine Alternative. So wie Schröder seinerzeit keine Alternative zu seinen Sozialreformen gesehen hatte.

Merkel wird die nächste Zeit auf Sicht regieren müssen, sie kann nicht eine Richtung einschlagen und den Steuerknüppel gerade halten. Wie sie, erst mal aus den größten Turbulenzen heraus, die gigantischen Staatsschulden bewältigen will, ist nicht erkennbar. Auch nicht, wie sie die hohe Arbeitslosigkeit von Geringqualifizierten drücken will - eine Voraussetzung, um die Staatsfinanzen in den Griff zu bekommen. Vieles ist noch offen. Wir sind gespannt.

Autor: Peter Stützle

Redaktion: Kay-Alexander Scholz