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Merkels Regierung besteht den Stresstest

29. September 2011

Wichtig für Europa: Der Bundestag hat mit großer Mehrheit die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms beschlossen. Doch das war schon vorher klar. Wichtiger für Kanzlerin Merkel: Sie erreichte die "Kanzlermehrheit".

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Kanzlerin Merkel (Foto: dpa)
Daumen hoch: Kanzlerin MerkelBild: picture alliance/dpa

Geschafft - das war wohl das erste, was Bundeskanzlerin Angela Merkel durch den Kopf ging. Der Bundestag beschloss am Donnerstag (29.09.2011) die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms EFSF mit großer Mehrheit. Doch das war vorher klar, weil die oppositionellen Sozialdemokraten und Grünen bereits angekündigt hatten, für die Vorlage zu stimmen. Für den Antrag stimmten 523 Abgeordnete, dagegen 85. Es gab drei Enthaltungen.

Viel wichtiger für Merkel war, dass sie aus eigener Kraft die sogenannte "Kanzlermehrheit" erreichte, das heißt, dass aus dem Lager der schwarz-gelben Koalition mehr als 311 Abgeordnete für den Regierungsentwurf stimmten. Insgesamt votierten 315 Abgeordnete von CDU/CSU und FDP für die Ausweitung des Rettungsschirms. Damit verweigerten nur 15 Parlamentarier aus dem Regierungslager Merkel in dieser Frage die Gefolgschaft.

Symbolisch wichtige Hürde

Falls die Kanzlermehrheit nicht erreicht worden wäre, hätte Merkel sich wahrscheinlich auf unruhige Zeiten einstellen müssen. Denn eine Regierung, die in einer so wichtigen Frage wie der Bekämpfung der europäischen Schuldenkrise keine eigene Mehrheit hat, macht sich angreifbar. Der Politikwissenschaftler und Merkel-Biograf Gerd Langgut sagte vor der Abstimmung in einem Interview des Deutschlandfunks, der Verlust der eigenen Mehrheit wäre für Merkel "symbolisch der Beginn des Endes ihrer Kanzlerschaft". Deswegen waren die Spitzen von Union und FDP bis zuletzt bemüht, die Abweichler in den eigenen Reihen noch umzustimmen.

Doch außer um die Frage der Macht in der Regierungskoalition ging es bei dem Bundestagsbeschluss um einen Beschluss von europäischer Tragweite. Die Euro-Staaten hatten im März vereinbart, dass der EFSF künftig effektiv über 440 Milliarden Euro verfügen soll, mit denen er überschuldeten Euro-Staaten unter die Arme greifen kann. Bisher sind es etwa 240 Milliarden. Im Zuge der Rettungsschirm-Erweiterung müsste Deutschland seinen Anteil am Garantierahmen von 123 Milliarden Euro auf rund 211 Milliarden Euro aufstocken. Diese Summe entspricht ungefähr zwei Drittel eines Bundeshaushalts.

Kontroverse Debatte

Peer Steinbrück (Foto: dpa)
Peer Steinbrück (SPD) warf der Regierung Versagen vorBild: picture alliance/dpa

Doch so harmonisch das Abstimmungsergebnis aussah - so umstritten war die Entscheidung in der vorhergehenden Debatte. Der SPD-Politiker und mögliche Kanzlerkandidat Peer Steinbrück warf der Bundesregierung Versagen beim Management der Eurokrise vor. Merkel habe es versäumt, den Bürgern die Komplexität Europas zu vermitteln und ihnen zu erklären, warum Deutschland einen bedeutenden Beitrag zur Stabilisierung leisten müsse.

Dagegen attackierte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle SPD und Grüne für deren frühere Europa-Politik. "Ihre Aufnahme von Griechenland" in die Währungsunion, "ihre Fehlentscheidungen" und "ihre Brechung des Stabilitätspakts" seien die Ursache der heutigen Probleme in Europa, rief Brüderle Grünen und Sozialdemokraten im Bundestag zu. Es sei ein Glück, dass es jetzt eine andere Regierungskoalition gebe.

"Wir leihen das Geld von unseren Kindern"

Einer der erklärten Gegner des erweiterten Rettungsschirms, der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Willsch, warnte vor dauerhaften Schäden für Europa. "Wir leihen das Geld von unseren Kindern und Enkeln - wir haben es nicht", sagte er. "Ich halte es für einen ökonomisch grundfalschen Weg, der gegen meine Überzeugungen geht." Statt der Staaten sollten die Gläubiger ihren Teil tragen - erst in einem weiteren Schritt müsse notfalls systemrelevanten Banken geholfen werden.

Die jetzt im Parlament beschlossene Ausweitung des EFSF ist aber nur ein Schritt, um die Turbulenzen in der Euro-Zone einzudämmen. Noch im Herbst soll über ein zweites Rettungspaket für Griechenland in Höhe von 109 Milliarden abgestimmt werden. Anfang nächsten Jahres soll der Bundestag zudem den ab Mitte 2013 geplanten Euro-Rettungsschirm ESM billigen.

Autor: Martin Muno (mit dpa, dapd, afp, rtr)
Redaktion: Martin Schrader