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Merkels positive Bilanz mit Kratzern

21. Juli 2010

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich bei der traditionellen Sommerpressekonferenz den Journalistenfragen gestellt. Im Fokus standen die Themen Finanz- und Wirtschaftkrise, Sparpaket und die ersten Monate der Koalition.

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Angela Merkel am Pressekonferenztisch, fotogafiert von Journalisten (Foto: AP)
Kurz vor der Sommerpause stellt sich Merkel traditionell den JournalistenBild: AP

Fast anderthalb Stunden stellte sich Angela Merkel den Fragen der Journalisten der Bundespressekonferenz am Mittwoch (21.07.2010). Anfangs zeigte sie sich noch ein bisschen zögerlich, aber dann im Laufe der Pressekonferenz wurde sie schlagfertiger und gab auch Antworten mit einem gewissen Augenzwinkern auf die vielen Fragen. Insgesamt zog sie eine positive Zwischenbilanz ihrer Regierungsarbeit. Die schwarz-gelbe Koalition habe trotz der Streitereien der vergangenen Monate gute Arbeit geleistet.

Resumée der ersten Monate der Koalition

Ein mit einer Deutschlandfahne eingewickeltes Paket (Foto: dpa)
Der Koalitonsstreit und das Sparpaket sorgen für GesprächsstoffBild: picture-alliance/dpa

Zu Beginn stellte die Regierungschefin die aus ihrer Sicht bestimmenden Themen der vergangenen neun Monate vor. So hatte die Koalition aus Union und FDP gleich mehrere Herausforderungen zu meistern: Die internationale Finanzkrise, die europäische Wirtschaftskrise, der Einbruch der Konjunktur in Deutschland im Jahr 2009 und die damit verbundenen Sparanstrengungen. Es seien einmalige und nicht vorhersehbare Ereignisse gewesen, aus denen die Bundesregierung aber gestärkt hervorgegangen sei, sagte Merkel.

Vor allem sei deutlich geworden, dass der Staat handlungsfähig geblieben sei, dass sich die soziale Markwirtschaft bewährt habe und dass Deutschland vor allem im Ausland eine hohe Anerkennung genießen würde. Das habe sie zuletzt auch auf ihren Reisen nach Russland und China erfahren.

In den 85 Minuten sprach die Kanzlerin vor allem zu den Themen "Arbeit der Koalition", "Sparpaket", "Finanzkrise", "Energiekonzept", "Bundeswehr" und natürlich "Urlaub".

Schlechte Umfragewerte für Schwarz-Gelb

Auf die Frage, wie sie als Bundeskanzlerin mit den derzeit schlechten Umfragewerten der Koalition umgeht, erwiderte sie, dass vor allem die zahlreichen schwierigen Entscheidungen der vergangenen Monate dafür verantwortlich seien. Die Regierungschefin erinnerte daran, dass auch über die Große Koalition von CDU und SPD "nicht nur Elogen" geschrieben worden seien. Die Große Koalition sei auch ein gewisser Schutzschild für kritische Diskussionen gewesen.

Ein weiterer Faktor für die schlechten Umfragewerte liege in der Koalition selbst, räumte Merkel ein. "Wie's manchmal im Leben ist: Wenn man's dann hat, stellt es sich als etwas rumpeliger heraus, als man dachte", beschrieb sie die Wunschkoalition. Der Umgangston untereinander sei jedoch "nicht akzeptabel gewesen", sagte die Kanzlerin. "Ich sehe da schon eine gewisse Besserung. Da, glaube ich, hat sich die Koalition ein Stück weit zusammengerauft."

Eine am Mittwoch veröffentlichte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa sieht bundesweit nun wieder eine rot-grüne Mehrheit - sogar ohne die Linke. SPD und Grüne kämen danach zusammen auf 47 Prozent. Die derzeitigen Koalitionsparteien CDU/CSU und FDP hätten dagegen nur 34 Prozent, wobei die FDP auch noch unter der Fünf-Prozent-Marke läge.

Neue Aufgaben ab Herbst

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), rechts, und der Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker, vor dem Reichstag in Berlin während eines Feierlichen Gelöbnisses der Bundeswehr (Foto: AP)
Auch die Bundeswehr muss sparen, dazu hat Verteidigungsminister Guttenberg Konzepte vorgelegtBild: AP

Für die Zeit nach der Sommerpause kündigte die 58-Jährige wichtige Weichenstellungen an. Die Ausgestaltung des Sparpakets, Gesundheitsreform, Energiepolitik und Überarbeitung der Struktur der Bundeswehr würden für viel Arbeit sorgen.

Nachdem die Eckpunkte des Sparpakets feststünden, ginge es nun im die konkrete Ausgestaltung der Einsparungen. Speziell zum Thema Elterngeld erklärte Merkel, dass eine klare Ausrichtung für die Leistung erwerbstätiger Eltern erfolgen wird. Auch ein Minijob bedeute Erwerbstätigkeit. Das müsse berücksichtigt werden. Keinen Spielraum sieht die Kanzlerin hingegen bei der geplanten Streichung des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfänger. Dabei werde es bleiben.

Nachdem keiner der Journalisten das Thema Gesundheitsreform angesprochen hatte, ergriff die Regierungschefin dazu selbst das Wort und warb für die Bereitschaft zu Neuerungen, da auch in der nächsten Zeit nicht mehr Geld zur Verfügung stehen würde.

Stresstests sind real

Merkel ging auch im Rahmen der Finanzkrise und deren Bewältigung sogenannten Stresstests der Banken ein, deren Ergebnisse am Freitag veröffentlicht werden. Sie hält die Bedingungen für "sehr real". Für Griechenland und den Euro seien Hilfspakete geschnürt worden. Gemessen an dieser Situation seien die Tests hilfsreich.

Außerdem kündigte Merkel an, dass ein sachliches Energiekonzept für die nächsten Jahrzehnte auf die Beine gestellt werden solle. "Wir wollen schnellstmöglich das Zeitalter der regenerativen Energien erreichen und dazu auch eine Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke ins Auge fassen." Deutliche Kritik übte sie an der geplanten Verkürzung der Steinkohlesubventionen durch die Europäische Union. Diese Entscheidung müsse ziemlich spontan gefallen sein. "Ich finde, es wäre kein Fehler gewesen, hätte man mit den Mitgliedsstaaten vielleicht noch einmal ein Wort gesprochen", zeigte sich die CDU-Chefin wenig begeistert.

Nach den am Dienstag angekündigten Plänen der EU-Kommission soll der Steinkohlebergbau schon 2014 und damit vier Jahre früher als vereinbart eingestellt werden. Der vor drei Jahren mühsam ausgehandelte deutsche Steinkohlekompromiss zwischen Bund und Ländern sieht als Datum Ende 2018 vor.

Konzept zur Bundeswehrreform ist in Arbeit

Bei den Kürzungsplänen für die Bundeswehr hat Merkel Kompromissbereitschaft angedeutet. "Wegen zwei Milliarden kann ich nicht die deutsche Sicherheit aufs Spiel setzen", erläuterte sie. Das Bundeskabinett hatte auf seiner Sparklausur beschlossen, dass im Verteidigungsbereich 8,3 Milliarden Euro bis 2014 eingespart werden sollen. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat daraufhin drei Reformmodelle vorgelegt, die alle eine Verkleinerung der Truppe vorsehen - um bis zu 100.000 Soldaten.

Urlaub beginnt in Bayreuth

Angela Merkel am Pressekonferenztisch, fotogafiert von Journalisten (Foto: AP)
Sichtlich gelöst verabschiedete sich die Kanzlerin in den UrlaubBild: AP

Auch auf eine mögliche Amtmüdigkeit wurde die Kanzlerin angesprochen. Vor allem nach den Rücktritten von mehreren CDU-Politikern in Führungspositionen in den letzten Wochen. Sie konnte die Journalisten aber beruhigen: "Im Augenblick können Sie ganz fest davon ausgehen, dass Sie mich nach den Ferien wiedersehen."

Merkel besucht traditionell zum Auftakt ihrer Sommerferien die Bayreuther Festspiele. Sie beginnen am Sonntag mit einer Neuinszenierung von Richard Wagners "Lohengrin".

Autorin: Marion Linnenbrink (ap, dpa, rtr)
Redaktion: Christian Walz