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Merkels heimlicher "Kronprinz" stürzt ab

Bernd Gräßler13. Mai 2012

SPD und Grüne schöpfen aus Nordrhein-Westfalen Hoffnung für die Bundestagswahl 2013. Merkels Christdemokraten verlieren ihren heimlichen "Kronprinzen", die FDP hat einen neuen Star und die Linke hofft auf Lafontaine.

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Norbert Röttgen (Foto: dapd)
Bild: dapd

In der Berliner SPD-Zentrale nahm man das Signal aus Düsseldorf dankbar auf. "Das war eine krachende Niederlage für Frau Merkel", kommentierte im Willy-Brandt-Haus freudig Generalsekretärin Andrea Nahles den eigenen Sieg und das schlechteste Wahlergebnis aller Zeiten für die CDU in Nordrhein-Westfalen, wo mehr als ein Fünftel der deutschen Bevölkerung lebt.  SPD-Chef Sigmar Gabriel führte den Sieg seiner Partei bei den kurzfristig einberufenen Neuwahlen darauf zurück, dass die alte und neue Regierungschefin Hannelore Kraft in den bisherigen zwei Jahren Regierungszeit wieder eine klassische sozialdemokratische Politik gemacht habe. Wirtschaftliche Dynamik und sozialen Zusammenhalt gehörten zusammen. Die SPD war besonders nach den drastischen Sozial- und Arbeitsmarktreformen von Kanzler Gerhard Schröder in der Wählergunst eingebrochen.

Grünen-Chef Cem Özdemir sprach von einer klaren Ansage, dass auch in Berlin 2013 der Regierungswechsel von Schwarz-Gelb zu Rot-Grün möglich sei. Umfragen zeigen allerdings, dass über 13 Millionen Wähler in dem Industrieland Nordrhein-Westfalen die Politik der Wahlsiegerin Hannelore Kraft wesentlich besser bewerten als den Kurs der Bundes-SPD.

SPD und Grüne stellten von 1998 bis 2005 die Bundesregierung unter Kanzler Schröder. Mit dessen Abwahl galt das einstige "rot-grüne Projekt" allerdings als gescheitert. Die alte und neue Ministerpräsidentin Kraft wies unmittelbar nach ihrem Sieg alle Vermutungen zurück, sie wolle möglicherweise Kanzlerkandidatin der SPD werden und bestätigte, dass sie ihre fünfjährige Amtszeit in Düsseldorf ableisten wolle.

CDU fühlt sich von "Keulenschlag" getroffen

Für die Christdemokraten seien die Zahlen aus Düsseldorf "ein Keulenschlag", sagte in Berlin der Kanzlerin-Vertraute Peter Altmeier. Altmeier verwies aber auf Umfragen, wonach für 85 Prozent der Wähler die Landespolitik im Mittelpunkt stand und nicht der Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Deren Umweltminister Norbert Röttgen (im Artikelbild), der in Nordrhein-Westfalen als CDU-Spitzenkandidat ins Rennen gegangen war, erklärte, die Wahl sei auf ihn ausgerichtet gewesen und trat vom Amt als Landesvorsitzender zurück. Röttgen galt bisher als möglicher "Kronprinz" Merkels, hatte sich jedoch schon vor der Wahlniederlage in der Partei unbeliebt gemacht, weil er versucht hatte, das vorhersehbare schlechte Ergebnis in Nordrhein-Westfalen mit dem Kurs der Kanzlerin in der Eurokrise zu verknüpfen. In Berlin geht man jedoch davon aus, dass Merkel - trotz Rücktrittsforderungen aus den Reihen der Grünen - an Röttgen als Umweltminister im Kabinett festhalten wird. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte, er sei ganz sicher, dass Röttgen "die wichtige Arbeit als Bundesumweltminister mit ganzem Einsatz fortsetzen" werde.

Lindner neuer Star der FDP

Die positive Nachricht für die schwarz-gelbe Koalition in Berlin ist das Wiederauferstehen der zuletzt totgesagten Liberalen mit ihrem 33-jährigen Spitzenkandidaten Christian Lindner. Die Liberalen hatten schon am vergangenen Sonntag Hoffnung geschöpft, als sie in Schleswig-Holstein unerwartet wieder den Einzug in einen Landtag schafften. FDP-Chef Philipp Rösler freute sich: "Die Menschen hören uns wieder zu, sie vertrauen uns." Angesichts des fulminanten Comebacks des Jungstars Lindner wird in der Hauptstadt aber spekuliert, wann dieser den blassen und glücklosen Parteichef Rösler ablösen könnte, nachdem Lindner erst vor wenigen Monaten das Amt des FDP-Generalsekretärs wegen Differenzen mit Rösler hingeworfen hatte. Lindner stellte sich nach seinem Sieg in die Tradition großer Liberaler wie Otto Graf Lambsdorff, Gerhard Baum und Hans-Dietrich Genscher.

Kehrt Lafontaine nach Berlin zurück? 

Für die Linken brachte der Urnengang einen weiteren Rückschlag in ihrem Bemühen, im Westen Deutschlands festen Fuß zu fassen. Während die Partei im Osten in allen Landtagen vertreten ist, flog sie nach Schleswig-Holstein nun auch in Nordrhein-Westfalen aus dem Landesparlament. Parteichef Klaus Ernst machte die monatelange Beschäftigung der Partei mit sich selbst dafür verantwortlich. In der Linken tobt seit längerem ein Führungsstreit. Jetzt heißt es, dass das frühere "Zugpferd" der Linken, Oskar Lafontaine, am kommenden Dienstag in Berlin erklären könnte, ob er als für den Parteivorsitz beim Parteitag im nächsten Monat kandidieren will. Lafontaine führt gegenwärtig die Linken-Fraktion im saarländischen Landtag an.

Viele Protestwähler, die einst die Linke wählten, sind mittlerweile bei den Piraten gelandet, die nach Berlin, dem Saarland und Schleswig-Holstein in Nordrhein-Westfalen den vierten Landtag enterten. Die Piratenpartei sei angekommen im Parlamentssystem, erklärte ihr Bundesvorsitzender, Bernd Schlömer.