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Merkels Griechenland-Problem

19. August 2015

Die Unionsfraktion hatte sich um Einheit bemüht, doch bei der Abstimmung über die neuen Milliarden-Hilfen für Griechenland nahm die Zahl der Abweichler noch einmal zu. Für Bundeskanzlerin Merkel wird dies zum Problem.

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Abgeordnete bei der Abstimmung über die neuen Milliardenhilfen (Foto: dpa)
Abgeordnete bei der Abstimmung über die neuen MilliardenhilfenBild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Mit ihrem Kurs in der Griechenland-Politik verliert Bundeskanzlerin Angela Merkel in den eigenen Reihen von CDU und CSU im Bundestag von Abstimmung zu Abstimmung an Rückhalt. Zwar wurde auch das dritte Griechenland-Hilfspaket erwartungsgemäß durchgewinkt. Doch die Zahl der Abweichler in der Unionsfraktion ist im Vergleich zum letzten Votum noch einmal gestiegen: 63 Abgeordnete von CDU und CSU stimmten mit Nein, 3 enthielten sich. 228 Unions-Abgeordnete stimmten für das Hilfspaket. Das waren nur noch gut 77 Prozent der 294 anwesenden Parlamentarier von CDU und CSU.

Damit ist es Fraktionschef Volker Kauder und Kanzlerin Merkel trotz aller Bemühungen nicht gelungen, in den eigenen Reihen mehr Unterstützung für ihren Griechenland-Kurs zu mobilisieren. Die Zahl der Abweichler ist sogar noch höher als bei der letzten Griechenland-Abstimmung im Juli, bei der es um die Aufnahme von Verhandlungen über neue Finanzhilfen für Athen ging. Damals gab es in der Unionsfraktion 60 Nein-Stimmen.

Angela Merkel während der Abstimmung im Kreis ihrer Fraktion (Foto: Getty)
Angela Merkel während der Abstimmung im Kreis ihrer FraktionBild: Getty Images/A. Berry

Das aktuelle Ergebnis galt auch als Gradmesser für den Rückhalt von Fraktionschef Kauder, der Nein-Sagern damit gedroht hatte, sie von wichtigen Ausschussposten abzuziehen. Das hatte für großen Unmut gesorgt. Die Kanzlerin hatte sich am Wochenende hinter ihn gestellt.

Schon vor der Abstimmung hatte sich die Fraktionsführung demonstrativ gelassen gezeigt. Die Nein-Stimmen und Enthaltungen wurden dann auch als nebensächlich abgetan. Aber das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Merkel und Kauder nun ein dauerhaftes Problem haben: Denn die erneut relativ hohe Zahl der Abweichler zeigt, dass sich trotz eines erheblichen personellen Einsatzes der Führungsfiguren der Union ein harter Block etabliert hat, der die Politik der Euro-Zone gegenüber Griechenland ablehnt.

"Die Zahl kann nur nach oben gehen"

Weil die Kredite in den kommenden drei Jahren in Tranchen ausgezahlt werden, wird es immer wieder zu schwierigen Abstimmungen im Bundestag kommen. Und es sei kaum vorstellbar, dass die Zahl der Abweichler sinken werde, heißt es auch in der Fraktionsführung: "Eigentlich kann die Zahl nur nach oben gehen, weil sich die Kollegen nun nach zwei Abstimmungen festgelegt haben." Und es warten neue Hürden: So hat die Bundesregierung versprochen, dass sich der Internationale Währungsfonds (IWF) im Oktober an dem Hilfspaket beteiligt. Verweigert sich der Fonds, droht das Lager der Nein-Sager in der Union weiter zu wachsen. Zudem wird es immer wieder eine Debatte darüber geben, ob die Regierung in Athen die versprochenen Reformen ausreichend umgesetzt hat.

Der als selbst Skeptiker bekannte Finanzminister Wolfgang Schäuble schwört die Konservativen auf ein "Ja" ein (Foto: Getty)
Der als selbst Skeptiker bekannte Finanzminister Wolfgang Schäuble schwört die Konservativen auf ein "Ja" einBild: Getty Images/A. Berry

In der harten Auseinandersetzung in den Landesgruppen der Union am Dienstag wurde nochmals deutlich, dass die Regierung jetzt zum Teil den Preis für ihr früheres Vorgehen zahlt. So hatten Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble kritischen Abgeordneten beim zweiten Griechenland-Paket versprochen, dass es kein drittes geben werde. Mit jeder Zusatzfinanzierung sinke ihre Glaubwürdigkeit in den eigenen Reihen, warnen auch ihre Unterstützer.

Dasselbe gilt für die Debatte über eine Schuldenerleichterung: Kanzlerin und Finanzminister betonen zwar, dass es bei der vom IWF geforderten Schuldenerleichterung keinen klassischen Schuldenschnitt geben werde und dieser auch nicht nötig sei: Aber auch die alternativ vorgeschlagene viel spätere Rückzahlung der Griechenland-Kredite sorgt bei vielen Unionsabgeordneten, die jetzt mit Ja gestimmt haben, auf Kopfschütteln. Der Abweichler Christian von Stetten sprach sogar von einer "schon fast unseriösen" Argumentation.

Keine Überraschungen in anderen Fraktionen

Dazu kommt ein nicht zu vernachlässigender emotionaler Aspekt: Die Unions-Abgeordneten scheinen es schlicht leid zu sein, sich immer wieder mit Griechenland beschäftigen zu müssen. "Der Aufwand nervt enorm", klagt der CDU-Abgeordnete Andreas Lämmel. Auch Merkel drängte in der Fraktion, man müsse das Thema endlich vom Tisch bekommen, um sich schwerwiegenderen Fragen wie der Flüchtlingsproblematik in Europa zuwenden zu können. Nur bedeutet das für sie neue Finanzhilfen, für die Kritiker dagegen den Grexit, das Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone.

Weitere vier Gegenstimmen aus der Koalition kamen von der SPD. Auch der frühere Kanzlerkandidat und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück votierte mit Nein. Bei den Linken gab es 45 Nein-Stimmen und 7 Enthaltungen. Bei den Grünen votierten 52 Abgeordnete mit Ja, einer mit Nein, es gab 8 Enthaltungen. Damit stimmte der Bundestag der Auszahlung von Finanzhilfen von bis zu 86 Milliarden Euro aus dem europäischen Rettungsschirm ESM mit großer Mehrheit zu.

stu/sp (afp, dpa, rtr)