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Politik

Merkel will mehr Offenheit und Respekt

23. November 2016

Sie nennt ihn nicht einmal beim Namen und dennoch wird deutlich, wen Bundeskanzlerin Angela Merkel meint. Mit ihrem Thema Respekt und Weltoffenheit setzt sie in der Generaldebatte ein Zeichen in Richtung Donald Trump.

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Bundestag Generaldebatte  Angela Merkel
Bild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

"Offenheit wird uns mehr Sicherheit bringen als Abschottung", sagte Merkel in der Generaldebatte über die Regierungspolitik im Bundestag. Nötig seien Respekt, Multilateralismus und eine Stärkung der Europäischen Union. Die CDU-Chefin, die am Wochenende ihre erneute Kanzlerkandidatur erklärt hatte, mahnte: "Populismus und politische Extreme nehmen in westlichen Demokratien zu." Deutschland müsse versuchen, seine freiheitlichen Werte gemeinsam mit der EU und den USA in die Welt zu tragen. "Europa hält manchmal mit den Entwicklungen der Welt nicht Schritt", mahnte Merkel. Die EU müsse schneller entscheiden.

Kritik an TPP-Absage durch Trump

Die Absage Trumps an das geplante Freihandelsabkommen TPP kritisierte Merkel. "Ich bin nicht froh, dass das transpazifische Abkommen jetzt wahrscheinlich nicht Realität wird." Sie wisse nicht, wer von dem Schritt Trumps profitiere. "Ich weiß nur eins: Es wird weiter Handelsabkommen geben. Und die werden dann nicht die Standards haben, die dieses Abkommen und auch das angedachte TTIP-Abkommen haben wird." TTIP ist das transatlantische Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Es soll den Handel zwischen beiden Seiten erleichtern. Der gewählte US-Präsident hatte angekündigt, die USA würden sich aus dem geplanten Abkommen über eine transpazifische Freihandelszone (TPP) zurückziehen.

Digitaler Dschungel macht Sorgen

Besorgt zeigte sich Merkel über die Auswirkungen von manipulierten Nachrichten und Hassreden im Internet auf die öffentliche Meinung in Deutschland. Die Meinungsbildung verlaufe heute "grundsätzlich anders" als vor 25 Jahren, so die Kanzlerin. Viele Menschen nähmen nun Medien wahr, die "auf ganz anderen Grundlagen basieren" und nicht das Kriterium der journalistischen Sorgfaltspflicht erfüllten. Die Kanzlerin sagte, dass so genannte "Fakeseiten", also Seiten mit gefälschten oder manipulierten Inhalten und Meinungsroboter im Netz zu einer Verfälschung von Meinungsbildern führen könnten. Außerdem sorge die Steuerung der Nachrichtenauswahl durch Algorithmen dafür, dass bestimmte Meinungen immer weiter verstärkt würden. Um die Bürger auch in Zukunft zu erreichen und zu begeistern, "müssen wir mit diesem Phänomen umgehen" und auch Regeln erlassen.

Unterstützung für Justizminister

Merkel will hier die Bemühungen von Bundesjustizminister Heiko Maas gegen Hassbotschaften in sozialen Netzwerken wie Facebook unterstützen. Die Bundesregierung müsse alles unternehmen, um Hasskommentare im Netz zu unterbinden, "weil das unseren Grundsätzen widerspricht", sagte sie.

Strafrechtliche Verfolgung

Außenpolitisch richtete sich der Blick Merkels auch in den Nahen Osten. So zeigte sie sich betroffen von den jüngsten Angriffen des syrischen Regimes auf die Stadt Aleppo, bei denen auch wieder Krankenhäuser getroffen wurden. "Das ist strafrechtlich zu verfolgen". Es sei sehr bedauerlich, dass Russland das Regime unterstütze.

Auch die Politik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan kritisierte sie scharf. Die Einschränkung der Pressefreiheit und die Verhaftung von Abertausenden von Menschen sei nicht zu rechtfertigen, sagte sie. Dennoch sprach sich Merkel erneut gegen einen Abbruch der Kontakte aus.

Vertraut Trumps Wirtschaftspolitik: Sahra Wagenknech
Vertraut Trumps Wirtschaftspolitik: Sahra WagenknechtBild: picture-alliance/dpa

Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Sahra Wagenknecht, warf Merkel vor, trotz aller Verwerfungen in der Welt an ihrem "Weiter-so"-Kurs festzuhalten. Die Bundesregierung müsse die Lebensbedürfnisse der Menschen endlich wichtiger nehmen als Wunschlisten von Wirtschaftlobbyisten, sagte Wagenknecht. "Nehmen Sie das endlich ernst, wenn Sie nicht dafür verantwortlich sein wollen, irgendwann einem deutschen Donald Trump den Weg ins Kanzleramt geebnet zu haben." Wagenknecht legte auch noch einmal nach und kritisierte die vierte Kanzlerkandidatur Merkels: "Trotz allem scheint sich die CDU/CSU auf ein Weiter so mit dieser Kanzlerin, mit dieser Frau Merkel allen Ernstes zu freuen." Die Menschen in diesem Land freuten sich aber nicht. Trotz boomender Exportwirtschaft lebe jeder sechste Rentner in Armut. Immer mehr Kinder würden mit der Erfahrung aufwachsen, von der "schönen bunten Welt" ausgeschlossen zu sein, so Wagenknecht.

Setzt auf ein Bündnis gegen Demagogen: Der Fraktionsvorsitzende der Grünen Anton Hofreite
Setzt auf ein Bündnis gegen Demagogen: Der Fraktionsvorsitzende der Grünen Anton HofreiterBild: picture-alliance/dpa

Auch die Grünen übten Kritik. Sie wollen ein Bündnis der demokratischen Parteien gegen rechte Bewegungen. So forderte Fraktionschef Anton Hofreiter dementsprechend: "Wir müssen uns gemeinsam den Demagogen, den Nationalisten und den Autoritären entgegenstellen." Auch Hofreiter hält einen Kurswechsel für nötig: "Nach acht Jahren nicht erfolgreicher Politik könnte die Bundesregierung überlegen, ob das die richtige Politik war." Merkels Regierung habe zu wenig getan gegen das Auseinanderfallen der EU, die Spaltung der Gesellschaft, die Bekämpfung von Fluchtursachen und den Klimaschutz.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann im Clinch mit Sahra Wagenknech
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann im Clinch mit Sahra WagenknechtBild: picture-alliance/dpa

Hitzig wurde die Debatte als die Fraktionschefin der Linken der Regierung eine falsche Politik angesichts von Millionen Abstiegsgefährdeten in Europa vorwarf. "Offenbar hat ja selbst noch ein Donald Trump wirtschaftspolitisch mehr drauf als Sie." SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hielt Wagenknecht deshalb vor, mit ihren Reden die AfD zu stärken. "Früher hieß es: Proletarier aller Länder vereinigt euch. Heute heißt es: Populisten aller Länder vereinigt Euch!" Inwieweit das das Verhältnis der SPD zu den Linken belasten wird, bleibt abzuwarten. Vor einigen Tagen hatte sich Oppermann im Deutschlandfunk noch vorstellen können, ein rot-rot-grünes Bündnis auf Bundesebene eingehen zu können.

cgn/qu (afp, dpa, rtr)