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Merkel will Spekulanten bremsen

19. Mai 2010

Kanzlerin Merkel zeigt sich entschlossen, Finanzspekulanten an die Leine zu nehmen. Die Finanzrisiken für den Euro sollen begrenzt werden. In einer Regierungserklärung schlägt sie Pfosten ein.

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Kanzlerin Merkel (Foto: dpa)
Eine Schieflage des Euro verhindern: Bundeskanzlerin Merkel im BundestagBild: picture alliance/dpa

In ihrer Regierungserklärung zur Stabilisierung des Euro hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die Krise der Gemeinschaftswährung als existenziell für Deutschland und Europa bezeichnet. Man stehe vor einer grundlegenden Bewährungsprobe, denn die Währungsunion sei eine Schicksalsgemeinschaft. Es gehe um nicht mehr und nicht weniger als um die Bewahrung der europäischen Idee. Scheitere der Euro, dann scheitere Europa. Werde diese Gefahr abgewendet, würden der Euro und Europa stärker als zuvor sein, sagte die Kanzlerin am Mittwoch (19.05.2010) im Bundestag.

Bundestag wird beteiligt

Bundestag und Kamera (Foto: dpa)
Regierungserklärung zielt auf AußenwirkungBild: picture-alliance / dpa

Merkel betonte, bei der Auszahlung des gigantischen Euro-Rettungspakets an kriselnde Euro-Länder werde der Bundestag nicht übergangen. Es gebe keinen Automatismus europäischer Kredite. Die Budgethoheit des Parlaments werde gewahrt. Nach Ansicht der Kanzlerin ist auch die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht gefährdet. Die Sicherung der Preisstabilität stelle den Kern der Glaubwürdigkeit dar. Die EZB hatte in der Krise erstmals selbst Staatsanleihen maroder Länder gekauft.

Das Euro-Rettungspaket sieht Kredite von 750 Milliarden Euro als mögliche Hilfen für angeschlagene Länder vor. Deutschland könnte in den nächsten drei Jahren bis zu 148 Milliarden Euro an Garantien beisteuern.

Die Kanzlerin mahnte nochmals eine Konsolidierung der Staatshaushalte in Europa an. Langfristige Stabilität ohne gesunde Staatsfinanzen sei nicht möglich. Zu viele wettbewerbsschwache Euroländer hätten über ihre Verhältnisse gelebt. Das sei die eigentliche Ursache des Problems. Selbstkritisch merkte sie an: "Auch wir Deutschen haben im Übrigen nicht seit gestern, sondern schon seit über 40 Jahren Schulden gemacht. Auch wir leben auf Pump."

Neue Stabilitätskultur gefordert

EZB-Bank mit Euro Skulptur in Frankfurt (Foto: AP)
Merkel: Ohne Euro scheitert EuropaBild: AP

Erneut pochte die Kanzlerin auf eine umfassende Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Die deutsche Stabilitätskultur habe sich bewährt. Davon werde sie nicht abweichen, so zäh und langwierig Verhandlungen über Vertragsänderungen in der EU dauern mögen, kündigte Merkel an. Die frühere, auch auf Druck von Deutschland betriebene Lockerung des Stabilitätspaktes vor einigen Jahren nannte sie einen "großen Fehler". Damals wurden die Kriterien - unter einer rot-grünen Bundesregierung - aufgeweicht.

Schärfere Regulierung der Finanzmärkte

Die Bundeskanzlerin will auch eine schärfere Regulierung der Finanzmärkte durchsetzen, notfalls auch ohne internationale Abstimmung. Ein nationaler Alleingang sei dann möglich, wenn dadurch kein Schaden für Deutschland entstehe. Als Beispiel nannte Merkel das seit diesem Mittwoch geltende Verbot von Leerverkäufen. Die deutsche Aufsichtsbehörde BaFin hatte überraschend ungedeckte Leerverkäufe für bestimmte Finanzwerte, Staatsanleihen und Ausfallversicherungen (CDS) verboten. Damit wird es Spekulanten erschwert, auf den Niedergang von wirtschaftlich bedeutsamen Unternehmen oder ganzen Staaten zu wetten und damit normale Kursbewegungen in gefährlichem Ausmaß zu verstärken.

Merkel sagte, sie werde sich für eine internationale Finanzaktivitätssteuer oder eine Finanzmarkttransaktionssteuer einsetzen. Wenn es auf globaler Ebene dafür keine Mehrheiten gebe, dann sei eine europäische Lösung eine Option. Die Banken hätten in der Krise als Brandbeschleuniger gewirkt. Sie müssten jetzt an den Kosten zur Krisenbewältigung herangezogen werden.

SPD und Grüne stellen Bedingungen

Steinmeier am Rednerpult im Bundestag (Foto: AP)
Knüpft Zustimmung für Euro-Rettungsschirm an schärfere Finanzmarktregeln: SPD-Fraktionschef SteinmeierBild: AP

Die oppositionelle SPD knüpfte ihre Zustimmung zum Euro-Rettungsschirm nochmals an konkrete Zusagen der Bundesregierung für schärfere Finanzmarktregeln und eine Finanzmarktsteuer. Die in Europa verabredeten Maßnahmen seien richtig und notwendig, sagte Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier in der anschließenden Debatte. Hinzukommen müssten aber klare Zusagen für schärfere Finanzmarktregeln und eine Finanzmarktsteuer, um die Branche an den Krisenkosten zu beteiligen. Steinmeier warf der Bundeskanzlerin vor, für die Vertiefung der EU-Schuldenkrise verantwortlich zu sein. So habe Merkel bei den Griechenland-Hilfen und dem Euro-Schutzschirm mit Blick auf den erst kurz zurückliegenden Wahltermin in Nordrhein-Westfalen taktiert. Mit ihrer zögerlichen Haltung habe sie auch die deutsche Führungsrolle in Europa verspielt.

Die Grünen fordern von der Bundesregierung mehr Informationen über das Euro-Rettungspaket. Ihr Fraktionschef Jürgen Trittin erklärte, vor einer Abstimmung müssten Einzelheiten der geplanten Vereinbarung auf den Tisch. Die Linke ist bisher gegen einen Euro-Rettungsschirm.

Erst vor zwei Wochen hatte das Parlament über die Hilfen für Griechenland entschieden. Am Freitag wird im Parlament über den deutschen Anteil am 750-Milliarden-Rettungspaket für den Euro abgestimmt.

Autor: Herbert Peckmann (dpa, rtr, afp apn)
Redaktion: Annamaria Sigrist

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