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Merkel will neue Etappe im Verhältnis mit den USA einläuten

13. Januar 2006

Zum Auftakt ihres Besuchs in Washington hat Bundeskanzlerin Merkel für einen "offenen und ehrlichen Dialog" mit den USA plädiert. Am Freitag trifft sie erstmals nach ihrem Amtsantritt US-Präsident Bush.

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Merkel trifft auf BushBild: Fotomontage/dpa/DW

Der Auftakt von Merkels USA-Besuch war entspannt: Beim Abendessen in der Residenz des deutschen Botschafters zeigte sich Merkel "schon ein Stück beeindruckt über den ungeheuren Empfang". Sie freue sich, dass über Dinge, "die einen bewegen", wieder "in offener Form diskutiert werden kann". Zu den Gästen zählten US-Zentralbankchef Alan Greenspan und die ehemaligen US-Außenminister Madeleine Albright und Colin Powell.

Zuvor hatte sich Merkel auf einer Veranstaltung vor amerikanischen und deutschen Politikern am Donnerstagabend (Ortszeit) in Washington zu den zentralen Themen des transatlantischen Verhältnisses geäußert.

Anti-Terror-Kampf: "Licht und Schattenseiten"

Beim Vorgehen gegen den Terrorismus seien beide Seiten in einem "Lernprozess". Schlimm wäre es, wenn sich die eine oder andere Seite der Diskussion verweigern würde. "Die Frage ist, halten wir es aus, kritische Fragen zu diskutieren", so Merkel. In ihrer Rede und in ihren Antworten auf Fragen wiederholte Merkel zwar nicht explizit ihre Vorbehalte gegen die dauerhafte Existenz des umstrittenen US-Gefangenenlagers Guantánamo auf Kuba.

Allerdings ließ die Kanzlerin erneut Kritik am Kurs der US-Regierung im Anti-Terror-Kampf erkennen und forderte eine stärkere Rolle der Nato auf diesem Feld. Bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus gehe es um die heikle Balance zwischen der Wahrung freiheitlicher Grundwerte und dem Bedürfnis der Bürger nach Sicherheit, betonte sie in Anspielung auf die Debatte um Foltervorwürfe gegen die USA sowie das seit langem umstrittene US-Gefangenenlager Guantanamo. "Bei der Auseinandersetzung mit dieser Frage gibt es Licht- und Schattenseiten, das muss man ganz klar sagen", sagte Merkel. "Ich wünsche mir, dass wir darüber intensiver diskutieren." Mit Blick auf das deutsch-amerikanische Verhältnis meinte sie aber auch in diesem Zusammenhang: "Wir müssen die Kraft aufbringen, eine neue Etappe anzugeben."

Kritik am Iran

Merkel griff Iran auf der Veranstaltung scharf an. "Der Iran provoziert." Der Staat habe auch "rote Linien überschritten", sagte die Kanzlerin mit Blick auf die Wiederaufnahme der Urananreicherung durch die Regierung in Teheran. Deutschland arbeitete mit den anderen Ländern daran, "dem Iran zu zeigen, dass sich die internationale Staatengemeinschaft nicht provozieren lässt". Die Staatengemeinschaft sollte in der Krise "eine möglichst breite Grundlage" finden, meinte Merkel. Sie würdigte in diesem Zusammenhang die Zusammenarbeit von Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA.

Zukunft der UNO

Nachdrücklich warb die Kanzlerin für eine Debatte über die Zukunft der Vereinten Nationen. Man müsse die internationalen Organisationen zu dem Ort machen, wo gemeinsame Entscheidungen getroffen würden, sagte Merkel. Dabei müsse man sich auch der Frage stellen: "Wie muss das Völkerrecht aussehen, das den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts entspricht?" Auch darüber müsse ein Dialog mit den USA geführt werden, auch wenn es auch hier momentan noch Meinungsunterschiede gebe.

Merkel warb ferner für eine Stärkung der NATO. Sie müsse wieder zu der Institution gemacht werden, wo die westlichen Länder ihre strategischen und politischen Diskussionen führten. Nur dann könne auch die NATO "zu einem umfassenden Akteur im Kampf gegen den internationalen Terrorismus werden."

Drei Stunden bei Bush

Von dem Treffen mit Bush wird erwartet, dass beide Seiten die gesamte Palette der internationalen Themen - insbesondere den Atomkonflikt mit Iran ansprechen werden. Bush und Merkel werden im Weißen Haus zunächst eine halbe Stunde unter vier Augen sprechen, heiß es aus Regierungskreisen. Dann wird die Unterredung im Oval Office im Kreis der Delegationen fortgesetzt. Nach etwa anderthalb Stunden ist eine Begegnung mit der Presse vorgesehen. Im Anschluss daran ist ein gemeinsames Mittagessen geplant, zu dem voraussichtlich noch andere Mitglieder der US-Regierung stoßen werden, wie Vize-Präsident Richard Cheney.

Insgesamt werden Bush und Merkel insgesamt drei Stunden zusammen sein. Diese Dauer wurde von Berliner Regierungskreisen schon vorher als "ungewöhnlich hoch bezeichnet". Merkel und Bush haben sich bislang erst einmal kurz getroffen. Bei seinem Deutschland-Besuch vor knapp einem Jahr hatte Bushs Delegation das deutsche Protokoll ausdrücklich gebeten, auch die damalige Oppositionsführerin zu sehen. Die Begegnung dauerte damals 15 Minuten. (stl)