Merkel und Sarkozy demonstrieren Einigkeit
15. Juni 2010Eigentlich hätte das Treffen schon eine Woche früher stattfinden sollen. Die kurzfristige Absage löste deshalb zahlreiche Spekulationen über eine mögliche Verstimmung zwischen Berlin und Paris aus. Beide Seiten waren jedoch bemüht, einem solchen Eindruck entgegenzutreten.
Konsens beim Vorgehen gegen Finanz- und Wirtschaftskrisen
Demonstrativ einig traten Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Gast aus Frankreich am Montagabend (14.06.2010) in Berlin vor die Presse. Gemeinsam wollen sie die übrigen EU-Länder beim Gipfeltreffen am Donnerstag in Brüssel von ihrer Idee einer "Wirtschaftsregierung" überzeugen.
An einer solchen Regierung sollen alle 27 Mitglieder der Gemeinschaft beteiligt werden - in diesem Punkt setzte sich die deutsche Kanzlerin durch. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hatte sich zuvor zwar für ein ähnliches Konzept ausgesprochen, wollte an der "Wirtschaftsregierung" aber nur die 16 Mitglieder der Euro-Zone beteiligen. Nun unterstützt auch er die große Lösung.
Keine Mitglieder "zweiter Klasse"
Für Kanzlerin Merkel führt daran ohnehin kein Weg vorbei. Es dürfe keine "Mitglieder erster und zweiter Klasse geben", erklärte die Kanzlerin. "Nur so können wir Europa mit den Schwächen, die wir heute noch haben, nach vorne bringen." Und Sarkozy ergänzte: "Wir müssen pragmatisch vorgehen. Wir haben beide einen Schritt auf den anderen zugetan."
Neben der gemeinsamen "Wirtschaftsregierung" aller 27 EU-Staaten sollen nämlich auch jederzeit Sondertreffen der 16 Euro-Länder möglich sein - im "Bedarfsfall", wie es in Berlin hieß. Und: Es gehe nicht um die "Schaffung neuer Institutionen", so Sarkozy, sondern um die Möglichkeit, "pragmatische Treffen schnell zusammenzurufen".
Mehr Biss für Sanktionsmechanismen
Einig zeigten sich die deutsche Regierungschefin und der französische Staatschef auch bei Verstößen von Euro-Ländern gegen die Verschuldungs-Obergrenzen des Maastricht-Vertrags: Wer häufiger gegen das Drei-Prozent-Kriterium verstößt, wer also immer wieder neue Schulden macht, deren Höhe drei Prozent der Wirtschaftsleistung seines Landes übersteigen - der soll in Zukunft zumindest vorübergehend nicht mehr mitreden dürfen. Der zeitweilige Stimmrechtsentzug ist nach Ansicht der Bundeskanzlerin notwendig, denn "wir brauchen Verträge mit Zähnen, um die Stabilitäts- und Wachstumskultur durchzusetzen".
Fazit des eineinhalbstündigen Treffens aus Sicht der Kanzlerin: "Deutschland und Frankreich haben gezeigt, dass wir handlungsfähig sind und die Zukunft Europas gestalten können."
Krisen-Bekämpfung nicht nur in Europa
Der Kampf gegen künftige Wirtschafts- und Finanzkrisen soll aber nicht nur auf europäischer Ebene schärfer geführt werden, auch international wollen Merkel und Sarkozy Druck machen, besonders mit Blick auf den G20-Gipfel Ende Juni in Kanada. In einem gemeinsamen Brief an die kanadische G20-Präsidentschaft wollen sie auf Fortschritte bei der Besteuerung des Finanzsektors pochen und sich für eine globale Finanztransaktionssteuer einsetzen.
"Wir sind noch nicht zufrieden mit dem, was seit dem ersten G20-Treffen beschlossen wurde", sagte Merkel. "Wir sind der Meinung, dass die Regulierung forciert vorangetrieben werden muss." Auch der Stand der Beratungen zu einer Bankenabgabe sei nicht zufriedenstellend. Frankreichs Präsident Sarkozy erklärte dazu: "Mehr als je zuvor sind Deutschland und Frankreich entschlossen, mit einer Stimme zu sprechen." Auch dahinter sollte wohl wieder eine Botschaft stecken: Verstimmungen zwischen Berlin und Paris? Fehlanzeige.
Autor: Frank Wörner (dpa/rtr/afp)
Redaktion: Reinhard Kleber