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Merkel sieht Türkei mit "großer Sorge"

22. Mai 2016

Sie reist an diesem Sonntag zu einer Konferenz nach Istanbul. Dort wird sie am Montag auch den türkischen Staatschef treffen. Und bei dieser Gelegenheit über "alle wichtigen Fragen" sprechen.

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Angela Merkel bei Türkei-Besuch im April (Foto: picture alliance)
Bild: picture-alliance/dpa/S. Suna

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte diese Woche unverblümt von einem "Schatten auf den Beziehungen" zur Türkei gesprochen, Kanzlerin Angela Merkel wiederholte mehrfach ihre Sorgen über "einige Entwicklungen in der Türkei". Nun soll die Gelegenheit genutzt werden, um mit demjenigen zu sprechen, der die Kritik ausgelöst hat.

Merkel reist an diesem Sonntag mit etwa 50 Staats- und Regierungschefs zum UN-Nothilfegipfel nach Istanbul. Dort wird sie auch auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan treffen, mit dem sie am Montag zu einem Vier-Augen-Gespräch verabredet ist, um über "alle wichtigen Fragen" zu sprechen, wie sie der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" sagte.

Dazu gehört der Umgang mit der kurdischen Minderheit in der Türkei. Merkel kritisiert, dass "der Prozess der Annäherung und Aussöhnung mit den Kurden im letzten Jahr abgebrochen" sei. Die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) sei auch aus deutscher Sicht eine terroristische Vereinigung, aber die kurdische Bevölkerung müsse einen "gleichberechtigten Platz und eine gute Zukunft in der Türkei" haben. Die vom türkischen Parlament beschlossene Aufhebung der Immunität von Abgeordneten sei "mit schwerwiegenden Folgen" für kurdische Politiker verbunden, das erfülle sie "mit großer Sorge".

"Notwendiger Interessenausgleich"

Die Kanzlerin weist zudem den Vorwurf zurück, dass sie sich mit dem zwischen der Europäischen Union (EU) und Ankara ausgehandelten Flüchtlingsabkommen in eine einseitige Abhängigkeit von der Türkei begeben habe. "Es gibt natürlich wechselseitige Abhängigkeiten, Sie können es auch einfach die Notwendigkeit zum Interessenausgleich nennen", sagte Merkel der Zeitung.

Ein solcher Interessenausgleich bedeute aber nicht völlige Übereinstimmung mit der Politik eines Landes, sagte Merkel weiter. "Wir werden deshalb immer auch Kritisches in der Entwicklung eines Landes ansprechen, und zwar öffentlich wie nichtöffentlich." Für Merkel ist der Interessenausgleich mit Ankara fair. Es liege auch nicht im Interesse der Türkei, "wenn entlang ihrer Küste eine der größten Menschenschmuggelaktivitäten stattfindet, die man sich vorstellen kann".

"Merkel muss mit Erdogan Klartext reden"

Angesichts der Einschränkungen von Grundrechten, Demokratie und Pressefreiheit in der Türkei erwartet der Koalitionspartner SPD von Merkel ein klares Auftreten gegenüber dem türkischen Staatspräsidenten. Der türkische Staatspräsident setze "auf Repression und Ausgrenzung", sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann der "Bild am Sonntag". Dazu dürfe Deutschland nicht schweigen. Die Bundeskanzlerin sollte in Istanbul ein deutliches Zeichen setzen und sich auch mit Vertretern der türkischen Opposition treffen. "Mit Präsident Erdogan muss Merkel jetzt Klartext reden."

Kritik auch von Grünen

Auch die Opposition verlangt von der Kanzlerin ein eindeutiges Auftreten in der Türkei. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte dem Blatt: "Merkel darf vor Erdogan nicht einknicken, nur damit er ihr und Europa weiter die Flüchtlinge vom Hals hält."

Die Kritik an der Politik der islamisch-konservativen türkischen Regierungspartei AKP und dem zunehmend autoritären Führungsstil Erdogans ist nicht neu. Allerdings sehen viele deutsche Politiker und Experten nach der umstrittenen Aufhebung der Immunität für zahlreiche Abgeordnete des türkischen Parlaments eine neue Stufe in Richtung Demokratieverlust erreicht.

Es gibt viele drängende Themen

Auch der EU-Flüchtlings-Pakt mit der Türkei sorgt weiter für Unmut. Die Europäische Union sieht anders als die Türkei eine Reihe von Verabredungen noch nicht als erfüllt an. So will sie die in Aussicht gestellte Visafreiheit für Türken bei EU-Reisen derzeit nicht gewähren. Besorgnis löst zudem der Druck auf Journalisten und Opposition in der Türkei aus. Insbesondere in Deutschland steht außerdem das juristische Vorgehen von Erdogan gegen den ZDF-Satiriker Jan Böhmermann in der Kritik.

qu/wa (dpa, afp, rtr)