1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Merkel informiert Parlament über Luftangriff

8. September 2009

Nach der Kritik an dem von der Bundeswehr angeforderten blutigen Luftangriff in Afghanistan will die Regierung das Parlament umfassend unterrichten. Verteidigungsminister Jung schließt zivile Todesopfer nicht mehr aus.

https://p.dw.com/p/JVWq
Bundeswehrsoldaten in Kundus (Foto: AP)
Bundeswehrsoldaten in KundusBild: AP

Bundeskanzlerin Angela Merkel wird am Dienstag (08.09.2009) eine Regierungserklärung zur Lage in Afghanistan abgeben, wie ein Regierungssprecher am Montag ankündigte. Minister Franz Josef Jung will zudem die Obleute des Verteidigungsausschusses über den umstrittenen Luftangriff unterrichten. Im Anschluss an die Erklärung Merkels ist eine einstündige Debatte über die Situation in Afghanistan geplant.

Einer der nach dem Angriff ausgebrannten Tanklastwagen (Foto: dpa)
Einer der nach dem Angriff ausgebrannten TanklastwagenBild: dpa

In der Nacht von Donnerstag zu Freitag vergangener Woche hatte der Kommandeur der Bundeswehr im nordafghanischen Kundus, Oberst Georg Klein, einen NATO-Luftangriff auf zwei von den radikal-islamischen Taliban entführte Tanklastwagen befohlen, die sich auf einer Sandbank im Kundus-Fluss festgefahren hatten. Zwei US-Kampfflugzeuge warfen zwei Bomben ab, die Fahrzeuge brannten aus, zahlreiche Menschen wurden getötet. Nach bisheriger Darstellung der Bundeswehr und des Verteidigungsministerium wurden bei dem Angriff mindestens 56 Menschen getötet, sämtlich Kämpfer der Taliban.

Möglicherweise doch zivile Opfer

Verteidigungsminister Jung räumte am Montag ein, dass bei dem Angriff möglicherweise doch Zivilisten getötet worden seien: "Wenn es zivile Opfer oder auch zivile Verletzte gegeben hat, dann gilt denen unser Mitgefühl, und wir werden uns auch diesbezüglich mit den Betroffenen dann in Verbindung setzen", sagte der CDU-Politiker. Jungs Ministeriumssprecher, Thomas Raabe, betonte gleichzeitig, es lägen nach wie vor keine belastbaren Angaben über den Tod von Zivilisten vor.

Bundesknzlerin Merkel und Verteidigungsminister Jung mit Soldaten (Foto: AP)
Bundeskanzlerin Merkel und Verteidigungsminister Jung beim feierlichen Bundeswehr-Gelöbnis am 20. Juli 2009 in BerlinBild: AP

Jung verteidigte erneut die Anforderung von NATO-Flugzeugen durch die Bundeswehr. Es habe ein Lagebild gegeben, das eine "sehr konkrete Bedrohung" für die Bundeswehrsoldaten bedeutet habe. "Wenn die Taliban in den Besitz von zwei Tanklastwagen kommen, dann ist das eine konkrete Gefahrenlage auch für unser Lager und unsere Soldaten." Nach Darstellung des Verteidigungsministeriums gab es Hinweise, dass die Taliban die beiden Fahrzeuge als "rollende Bomben" bei einem Anschlag einsetzen wollten.

Unterschiedliche Angaben zu Zahl der Toten

Die Angaben über die Zahl der Opfer des Angriffs gehen weiter stark auseinander. Der Gouverneur des betroffenen Distrikts Char Darah, Abdul Wahid Omarkhel, sagte der Presseagentur dpa, es seien mindestens 135 Menschen getötet worden, unter ihnen auch Kinder. Es sei unklar, wie viele der Toten Zivilisten seien. Die Menschenrechtsgruppe "Afghan Rights Monitor" erklärte unter Berufung auf Gespräche mit Dorfbewohnern, es seien zwischen 60 und 70 Zivilisten getötet worden. Außerdem seien mehr als ein Dutzend bewaffnete Aufständische bei dem Luftanschlag ums Leben gekommen. Es ist die erste unabhängige Schätzung der Zahl der Opfer des Angriffs.

Afghanistans Präsident Hamid Karsai nannte erneut die Zahl von mehr als 90 Toten und kritisierte den Angriff als Fehleinschätzung. Man hätte Bodentruppen schicken sollen, um die entführten Lastwagen zurückzuholen, sagte Karsai der französischen Zeitung "Figaro". Der Oberkommandierende der NATO-geführten Afghanistan-Schutztruppe ISAF, US-General Stanley McChrystal, habe ihn angerufen, "um sich zu entschuldigen und mir zu sagen, dass er selbst den Angriff nicht angeordnet hat", sagte Karsai weiter.

Die Taliban forderten eine Untersuchung der Vereinten Nationen. Wenn die UN die Menschenrechte respektierten, sollten sie die Wahrheit über das Geschehen ermitteln, hieß es in einer Erklärung der Taliban. (wl/rri/dpa/ap/rtr/afp)