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Merkel bei den Ölscheichs

Rolf Wenkel
30. April 2017

Die deutsche Kanzlerin besucht Saudi-Arabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate. Beide ächzen unter gesunkenen Öleinnahmen. Für Rüstungsgüter reicht das Geld aber immer noch.

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Türkei Angela Merkel & Salman bin Abdulaziz Al Saud König Saudi-Arabien
Bild: picture-alliance/dpa/B.v. Jutrczenka

Bundeskanzlerin Angela Merkel reist an diesem Sonntag mit einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation nach Saudi-Arabien und anschließend in die Vereinigten Arabischen Emirate. Zum einen will sie den Gipfel der 20 größten Industrie- und Schwellenländer im Juli in Hamburg vorbereiten, an dem auch Saudi-Arabien teilnimmt. Zum anderen sollen Regierungs- und Wirtschaftsabkommen geschlossen werden, die Handelshemmnisse zwischen beiden Staaten abbauen. Rüstungsgeschäfte sind nach Regierungsangaben nicht geplant. Wichtige Themen in den Gesprächen mit dem Königshaus werden die Bekämpfung der Terrormiliz "Islamischer Staat" sein, der Krieg in Syrien und das Eingreifen Saudi-Arabiens im Bürgerkrieg im benachbarten Jemen.

Merkel wird in der Hafenstadt Dschiddah zunächst von König Salman bin Abdelasis al-Saud empfangen. An den Gesprächen im Königspalast nehmen auch Kronprinz und Innenminister Mohammed bin Najef sowie der stellvertretende Kronprinz und Verteidigungsminister Mohammed bin Salman teil.

Die Kanzlerin will in Dschidda zudem mit Vertretern der Zivilgesellschaft und Unternehmerinnen sprechen. Die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien gilt wegen der Todesstrafe, öffentlichen Auspeitschungen, inhaftierter Journalisten und massiv eingeschränkter Frauenrechte als desolat.

Umstrittene Rüstungslieferungen

Erst im Januar hatte die Bundesregierung grünes Licht für ein umstrittenes Rüstungsgeschäft mit Saudi-Arabien gegeben. Der geheim tagende Sicherheitsrat genehmigte die Lieferung von zwei von insgesamt 48 Patrouillenbooten für die saudische Küstenwache. Saudi-Arabien steht international wegen Verstößen gegen Bürger- und Menschenrechte immer wieder in der Kritik. Das sunnitische Königshaus in Riad ist aber ein enger Verbündeter des Westens im Anti-Terror-Kampf.

Die Grünen hatte diese Entscheidung seinerzeit heftig kritisiert. "Sowohl der brutale Krieg im Jemen als auch die katastrophale Menschenrechtslage verbieten nach den deutschen Regeln Waffengeschäfte mit dem saudi-arabischen Regime", hatte die sicherheitspolitische Fraktionssprecherin Agnieszka Brugger zu Protokoll gegeben. "Aber die deutschen Rüstungsexportrichtlinien sind Angela Merkel, Ursula von der Leyen und Sigmar Gabriel offensichtlich schon lange nichts mehr wert."

Saudi-Arabien hatte sich im Frühjahr 2015 in den Konflikt im Jemen eingeschaltet. Für Riad wurde der Vormarsch der Huthi-Rebellen gefährlich, da diese von der schiitischen Regierung in Teheran unterstützt werden. Saudi-Arabien fürchtet eine Art Stellvertreter-Staat des Iran südlich der eigenen Grenzen. Seitdem bombardieren Kampfjets Huthi-Stellungen, viele Zivilisten kamen ums Leben. Zudem versorgt Riad Anti-Huthi-Milizen mit Waffen.

Panzer und Pistolen

Allein im April 2015 hatte Berlin Exporte von 100 Kleindrohnen, Funkzubehör und Ersatzteilen für gepanzerte Fahrzeuge im Wert von 12,8 Millionen Euro durchgewunken. In den beiden Monaten davor wurden sogar Rüstungsexporte für 16 Millionen Euro genehmigt, darunter Munition für Panzer und Pistolen im Wert von rund fünf Millionen Euro, Technik für Boden-Luft-Raketen und Panzer-Ersatzteile. Die Zahlen gehen aus einer Antwort der Bundesregierung an die Linken-Fraktion hervor,

In der Antwort auf diese Anfrage gestand die Regierung sogar ein, dass Riad die Kämpfer mit deutschen Waffen unterstützt. Am 4. April 2015 warfen saudi-arabische Flieger über Aden eine Ladung G3-Gewehre ab, um dort Anti-Huthi-Milizen zu versorgen. Die Gewehre werden vom deutschen Hersteller Heckler & Koch gefertigt. Die Waffenschmiede am Neckar hat den Saudis 2008 sogar eine Lizenz-Fabrik zur eigenen Produktion von Gewehren geliefert.

Öleinnahmen eingebrochen

Derweil wird Saudi-Arabiens Wirtschaft 2017 kaum zulegen können, schreiben die Experten der staatlichen deutschen Agentur für Außenhandelsinformationen, Germany Trade & Invest (GTAI). Die Einnahmen aus den Ölexporten sind eingebrochen und die staatliche Sparpolitik bremst sowohl laufende Ausgaben als auch Investitionen. Für 2017 prognostiziert der Internationale Währungsfonds (IWF) nur noch ein Wachstum von 0,4 Prozent. Der Anteil des Öl- und Gassektors an der jährlichen Wirtschaftsleistung hat sich wegen des Ölpreisverfalls von 40 Prozent in 2014 auf 22 Prozent fast halbiert.

Nach vorläufigen Angaben sanken die saudi-arabischen Einfuhren 2016 um 22 Prozent auf 136 Milliarden US-Dollar. Der Importboom kam bereits 2015 zum Stillstand. Nachdem sich die Einfuhren im Zeitraum 2009 bis 2013 um 76 Prozent auf 168 Milliarden US-Dollar erhöht hatten, legten sie 2015 nur noch um 0,5 Prozent zu.

Deutlicher Importrückgang

Seit 2014 ist die Volksrepublik China der führende Lieferant Saudi-Arabiens, gefolgt von den USA, Deutschland, Japan und Südkorea. Die fünf größten Lieferanten hatten 2015 einen Anteil am Gesamtimport von 47 Prozent. Deutschland hat für 2016 einen Rückgang der Lieferungen um rund ein Viertel auf 7,3 Milliarden Euro verzeichnet. Die größte Lieferposition, Spezialmaschinen, verbuchte ein Minus von 22 Prozent, die zweitgrößte, Kraftfahrzeuge, brach um 53 Prozent ein.

Das Wirtschaftswachstum in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), der zweiten Station der Kanzlerin, hat sich ebenfalls infolge der niedrigen Ölpreise verlangsamt. Die gesunkenen Staatseinnahmen aus den Ölexporten dämpfen auch das Investitionsklima. Das Wirtschaftswachstum wird wohl auch 2017 vor allem vom Nicht-Ölsektor kommen.

China, auch hier das wichtigste Lieferland, hat für die ersten neun Monate 2016 einen Rückgang der Lieferungen in die VAE um rund 18 Prozent auf 23 Milliarden US-Dollar gemeldet - neuere Zahlen sind nicht zu bekommen. Deutschland verzeichnete 2016 ein leichtes Plus um 0,3 Prozent auf 14,5 Milliarden Euro. Allerdings machen Flugzeuge und deren Teile die Hälfte des Lieferwertes aus. Ohne diese Position sind auch die deutschen Lieferungen gesunken. Hintergrund: Der europäische Flugzeugbauer Airbus lieferte unter anderem den A380 über Hamburg an die arabischen Fluglinien Emirates in Dubai und Etihad in Abu Dhabi aus.