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Mercosur: Gipfel im Zeichen der Krise

23. Juli 2009

Die Wirtschaftskrise ist Thema beim zweitägigen Gipfel der südamerikanischen Wirtschaftsunion Mercosur in Paraguay. Die Chancen auf ein Handelsabkommen mit der EU sind jedoch gering.

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Mercosur-Gipfel in Argentinien 2008 (Foto: AP)
Im vergangenen Jahr tagte der Mercosur-Gipfel in ArgentinienBild: AP
Mercosur-Logo

Die Staats- und Regierungschefs debattieren seit Donnerstag (23.07.2009) in Paraguays Hauptstadt Asuncion. Themen des Treffen sind unter anderem die Schweinegrippe und die Krise in Honduras. Hauptsächlich aber geht es um die globale Wirtschafts- und Finanzkrise.

Und da zeichnet sich in Lateinamerika bei weitem kein einheitliches Bild: Manche Länder sind in schweren finanziellen Nöten, andere - wie zum Beispiel Brasilien, Peru, Chile und Kolumbien - haben es in den vergangenen Jahren geschafft, die Staatsfinanzen zu konsolidieren.

So wirkt besonders Brasilien trotz der Krise durchaus optimistisch: Das größte Land Südamerikas hatte in den vergangenen Jahren einen regelrechten Boom zu verzeichnen, mit Wachstumsraten von mehr als 5 Prozent. Trotz einer vorübergehenden Stagnation in diesem Jahr ist Präsident Lula da Silva nicht sonderlich besorgt: Schon für 2010 wird ein Wachstum von bis zu vier Prozent prognostiziert. Auch die Einschnitte in der Autoindustrie gehen zurück: Der erst kürzlich knapp der Pleite entgangene Autokonzern General Motors hat angekündigt, in Brasilien eine Milliarde Dollar zu investieren.

Schwere Inflation

Cristina Fernandez de Kirchner (Foto: AP)
Argentiniens Präsidentin KirchnerBild: AP

Argentinien steht längst nicht so gut da: Das Land leidet unter einer massiven Inflation. Das Geld ist von Tag zu Tag weniger wert, die Preise steigen. Unabhängige Institute sprechen von einer Inflationsrate von 30 Prozent, laut argentinischer Regierung sind es nur sieben.

Der südamerikanische Wirtschaftsverbund Mercosur bietet da nur wenig Hoffung auf finanzielles Krisenmanagement. Zudem stagnieren derzeit die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Mercosur.

Verhandlungen stagnieren

Die Verhandlungen über ein Handelsabkommen zwischen EU und Mercosur sind nämlich vorerst auf Eis gelegt. Obwohl die Europäer noch immer die wichtigsten Wirtschaftspartner des Mercosur sind, hängt eine Handelsannäherung der zwei Gemeinschaften vom Abschluss der Doha-Runde ab. Diese hat zum Ziel, internationale Handelsbarrieren zu verringern, jedoch stocken die Verhandlungen derzeit.

Die Südamerikaner beklagen die europäische Subventionspolitik und den europäischen Protektionismus. Er stelle das größte Hindernis für die Einfuhr ihrer Agrarprodukte nach Europa dar. Das Scheitern der Verhandlungen von Doha kann dazu führen, dass die Europäer sich - zum Nachteil der Südamerikaner - bevorzugt anderen regionalen Wirtschaftsblöcken zuwenden. Das vermutet zumindest die Politikwissenschaftlerin Claudia Zilla, Mitarbeiterin der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin: "Die europäische Union tendiert derzeit dazu, Assoziierungsabkommen mit anderen Wirtschaftsblöcken der Region abzuschließen, so zum Beispiel mit der Andengemeinschaft", sagt sie.

Mercosur hat kaum politisches Gewicht

EU-Flagge im Wind
Die Beziehungen zur EU sind nur mäßig

Aufgrund seiner internen Probleme hat das politische Gewicht des Mercosur abgenommen, die Südamerikaner verlieren bei der EU an Bedeutung. Einer der Gründe für den Bedeutungsverlust auf internationaler Ebene ist die Tatsache, dass der Mercosur die bei seiner Gründung vereinbarten Ziele noch immer nicht ganz erreicht hat. "Es ist zwar eine Zollunion, allerdings mit vielen Ausnahmen, und es ist eine unvollkommene Freihandelszone", so Claudia Zilla. "Das bedeutet, dass schon die ersten Teilziele im Rahmen des Integrationsprozesses nicht vollständig erreicht wurden, die Vertiefung des Prozesses wurde nicht zufrieden stellend vorangetrieben."

Die langsamen Fortschritte beim Integrationsprozess des Mercosur und die Möglichkeit, den Zusammenschluss durch die Aufnahme von Venezuela zu erweitern, haben zur Unsicherheit der Europäer beigetragen. Diese befürchten, dass die Erweiterung einer Vertiefung der Beziehungen innerhalb der Region im Wege steht.

China verschiebt Kräfteverhältnis in Lateinamerika

Der chinesische Premier Wen Jiabao und Brasiliens Präsident Lula da Silva (Foto: AP)
Verstehen sich gut: Der chinesische Premier Wen Jiabao und Brasiliens Präsident Lula da SilvaBild: AP

Darüber hinaus setzten die Mitglieder des Zusammenschlusses zuletzt andere Prioritäten. Sie agierten als einzelne Länder und schlossen bilaterale Kooperationsabkommen mit der EU. "Für das Handelsvolumen von Brasilien spielt der Mercosur eine immer kleinere Rolle", erklärt Zilla. "Zudem hat sich China zu einem wichtigen Handelspartner entwickelt. Momentan ist China für Brasilien wichtiger als Argentinien."

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Barbara Fritz, Professorin für die Volkswirtschaften Lateinamerikas an der Freien Universität Berlin, weist darauf hin, dass die politischen Differenzen zwischen den Mitgliedern des Mercosur die Integration der Gemeinschaft erschweren und somit das Vertrauen der europäischen Partner ins Wanken bringen. "Ein Beispiel ist Venezuela, das sich noch im Beitritts-Prozess in den Mercosur befindet und handelspolitisch ganz andere Vorstellungen vertritt als zum Beispiel Brasilien", erläutert Fritz. "Argentinien und Brasilien haben ebenfalls unterschiedliche Ansichten im Hinblick auf ihre Exportpolitik."

Laut Fritz sehen selbst die kleineren Mitglieder wie Paraguay und Uruguay nicht mehr so große Vorteile in dem Zusammenschluss wie noch vor einigen Jahren. "Diese Länder beschweren sich darüber, dass im Mercosur die meisten Entscheidungen von den großen Mitgliedern Brasilien und Argentinien getroffen werden und die kleinen Länder kaum einbezogen werden", erklärt Fritz.

Gemeinsame Werte als Basis der Zusammenarbeit

Die Politikwissenschaftlerin Claudia Zilla betont jedoch, dass EU und Mercosur trotz des bescheidenen Fortschrittes beim Thema Handel einen steten politischen Austausch pflegen. "Auf politischer Ebene besteht ein kontinuierlicher Dialog und beide Gemeinschaften haben gemeinsame Werte. Sowohl der Mercosur als auch die Europäische Union setzen sich für friedliche Lösungen von internationalen Konflikten ein. Beide sind Anhänger des Multilateralismus und für eine multipolare Welt. Allerdings werden diese Werte bisher nicht in eine konkrete gemeinsame Politik umgesetzt."

Autor: Marcio Damasceno (dpa/ap/epd)

Redaktion: Anna Kuhn-Osuis