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Meister: "Putins Doppeltaktik"

Volker Wagener / Carla Bleiker9. Mai 2014

Russlands Präsident Putin nahm am Freitag auf der Krim die Militärparade zur Feier des sowjetischen Sieges über die Nazis ab: Eine Machtdemonstration mit einer klaren Botschaft, meint Russland-Experte Stefan Meister.

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Dr. Stefan Meister. (Foto: ECFR)
Bild: ECFR

Deutsche Welle: In Sewastopol auf der Krim inszenierte der russische Präsident Wladimir Putin heute ein Stück Politik, bei dem er die Vergangenheit - den Jahrestag des Sieges der Sowjetunion über Hitler-Deutschland - mit der Gegenwart verknüpfte, der Einverleibung der Krim durch Russland. Was will Putin dem Westen damit sagen?

Stefan Meister: Er will Macht und Stärke demonstrieren und zeigen, dass er so etwas durchsetzen kann wie die Annexion der Krim - dass er den Sieg sowohl in Moskau als auch in Sewastopol feiern kann. Die Annexion ist ja hoch fragwürdig, deswegen ist es auch eine Provokation, gerade dort diese Parade abzuhalten. Aber er schert sich nicht darum. Er tut es einfach. Das zeigt nach außen: "Ihr müsst mit einem Putin rechnen, der in der Tradition eines Siegervolkes steht, und der sich auch in diesem Konflikt nicht unterkriegen lässt."

Und wie lautet die Botschaft der Parade an diesem Ort an seine Landsleute?

Das ist auch eine Machtdemonstration: "Wir sind wieder wer und ich kann Teile der Sowjetunion nach Russland zurückholen." Putin inszeniert sich sozusagen als der Zar, die Führungsfigur, der Macher, der sowohl in Moskau als auch in Sewastopol die Parade abnehmen kann. Er regiert sozusagen ein Weltreich.

Was bedeutet dieser symbolisch-psychologische Auftritt Putins auf der Krim für die weitere Entwicklung in der Ostukraine? Ist die Krim-Einverleibung die Blaupause für die Ostukraine?

Nein, ich glaube nicht, dass Russland vorhat, die Ostukraine genauso zu integrieren wie es mit der Krim passiert ist. Hier geht es darum, über eine Föderalisierung dann am Ende die Unabhängigkeit der östlichen Region zu erreichen. Die Botschaft, die von der Krim ausgeht, ist natürlich auch eine Provokation gegenüber Kiew. Es ist deutlich, dass Putin nicht diplomatisch deeskalieren möchte, sondern bereit ist, sehr weit zu gehen, um sich durchzusetzen.

Hat Putin die russischen Separatisten in der Ostukraine mit seiner Präsenz auf der Krim erst recht angestachelt?

Ich glaube, dass die Russen schon sehr viel, aber sicher nicht alles kontrollieren, was in der Ostukraine passiert. Durch seine Machtdemonstration stärkt er natürlich den Ansatz der Separatisten, ihre Forderungen und möglicherweise auch ihr Interesse, zu diesem starken Russland zu gehören.

Diese Woche waren leisere Töne von Putin zum ukrainisch-russischen Konflikt zu hören. Das für Sonntag geplante "Referendum" im Osten der Ukraine soll verschoben werden, forderte er. Wollte er damit dem Westen zeigen, dass die Separatisten sich von Moskau nichts sagen lassen? Es folgte ja die prompte Ablehnung von Putins Wunsch.

Die Separatisten wollen ihr "Referendum" und sie werden es auch durchführen. Ich glaube, wir beobachten im Moment eine Doppeltaktik. Einerseits gib sich Putin diplomatischer. Er zeigt, dass er bereit ist, Gespräche zu führen. Gleichzeitig glaube ich schon, dass die Russen das "Referendum" unterstützen. Sie wollen Fakten schaffen, auch in der Ostukraine. Es ist ein Spiel, was Putin da mit uns betreibt. Er bereitet uns darauf vor, an einem internationalen Format teilzunehmen, bei dem letztlich Moskau diktiert, wie die zukünftige Verfassung der Ukraine aussehen soll. Und wir werden das auch noch unterstützen, weil wir froh sind, dass Putin uns diplomatisch entgegenkommt und deeskaliert.

Bundeskanzlerin Angela Merkel fordert von Putin, mehr für eine Deeskalation in der Ukraine zu tun. Ihr Parteifreund Elmar Brok, Europapolitiker in Straßburg, will dagegen mehr westliche Initiative: eine ständige Nato-Präsenz in Osteuropa. Eine gute Idee oder Öl ins Feuer der Ost-West-Beziehungen?

Die NATO wird keine Lösung für diesen Konflikt sein. Eher wird die Stationierung von NATO-Truppen in Osteuropa Putin und seine Anti-NATO- und Anti-USA-Propaganda stärken, die in Russland sehr gut funktioniert. Ich sehe die mögliche NATO-Truppenstationierung in Osteuropa eher als eine Provokation und weitere Eskalation der Situation.

Wird Putins Machtpolitik die NATO verändern?

Sie steckt in einer tiefen Krise und mit diesem wachsenden Interesse an der NATO als Sicherheitsgarantie für Europa, insbesondere für die ost- und mitteleuropäischen Staaten, gewinnt sie wieder an Bedeutung. Ich denke, sie wird stärker ausgerüstet werden. Es wird mehr Geld geben für die NATO und für Verteidigung, die NATO wird wieder eine größere Rolle für die Sicherheit in Europa spielen.

Dr. Stefan Meister ist Russland-Experte der Europäischen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin.

Das Gespräch führte Volker Wagener.