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Meister des direkten Blickes - Thomas Ruff

23. November 2001

Porträts und Fassaden - das sind Thomas Ruffs bekannte fotografischen Motive. Aber sein Repertoire reicht viel weiter, wie Ruffs Fotoserien der letzten 20 Jahre in Baden-Baden zeigen.

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Thomas Ruff, Passfoto aus dem Passfotoautomat, ca. 1996Bild: Ruff

Schlichte Direktheit

Die direkten Blicke auf alles was sich bewegt, und vor allem nicht bewegt, haben ihn berühmt gemacht: Thomas Ruff, geboren 1958, blickt auf eine lange Künstlerkarriere als Fotograf zurück. Seine Werke aus zwanzig Jahren werden gegenwärtig in Baden-Baden gezeigt. Die staatliche Kunsthalle hat ihm eine Werkschau gewidmet, schlicht "Thomas Ruff, 1979 bis heute" genannt.

Schlicht, so wirken auch seine Werke für viele Betrachter, denn Thomas Ruff ist vor allem mit strengen formalen Fotos und scheinbar einfach wirkenden Motiven berühmt geworden.

Ruffs Fotografien werden zum Spiegel der Gesellschaft

Thomas Ruff, Interieur 14B 1980
(Zell am Hamersbach) Chromogener Farbabzug, 27,5 x 20,5 cmBild: Thomas Ruff

Schon mit 23 Jahren, noch als Student in der Düsseldorfer Kunstakademie, beginnt Ruff mit Motiven und Situationen zu arbeiten, die ihn umgeben. In seiner Heimat, dem Schwarzwald, sowie in seiner Düsseldorfer Studentenbude entsteht die Serie "Interieurs" (1979-1983). Aufnahmen von Räumen und Details, die auf der einen Seite sachlich und distanziert sein sollten, auf der anderen Seite den Charakter und die Stimmung wiedergeben sollten - ein Anspruch, der wahrgenommen wurde. Ruffs Aufnahmen werden früh in internationalen Galerien und Kunstinstitutionen gezeigt. Seine Interieurs spiegelten das Still-Leben einer Generation wider, ein Blick hinter die Fassaden einer kleinbürgerlichen Welt. Seine Aufnahmen warfen gleichzeitig die Frage auf, ob Fotografie Kunst sein kann. Eine Frage, die Ruff immer wieder gestellt worden ist.

Konfrontierende Blicke

Thomas Ruff, Porträt, 1989 (A. Giese)
Thomas Ruff, Porträt, 1989 (A. Giese) Chromogener Farbabzug, Dia-Sec Face, Holzrahmen, 210 x165 cm, Rechte: Thomas Ruff, Leihgabe Staatliche Kunsthalle Baden-BadenBild: Ruff

Von der Abbildung eines Bettes, Tisches oder Stuhls geht Ruff in den 80er Jahren zur Darstellung von Gesichtern über. Er beginnt mit Porträts zu experimentieren; dieser fotografische Stil machte ihn schließlich berühmt. Als Protagonisten wählte er Freunde und Bekannte aus. Er selbst nahm sich nicht aus. Ihre Gesichter kennzeichnet der immer wieder gleiche Ausdruck: Starr und scheinbar regungslos schauen sie - im Großformat - den Betrachter frontal an, von Ruff so gewollt. Dafür erntete er Kritik aus den eigenen Reihen: "Die ganzen Porträtfotografen haben gesagt, dass Thomas Ruff keine Porträts machen kann", so Ruff über sich selbst in einem Interview mit DW-TV.

Mehr als nur Fassade

HausNr03II
Thomas Ruff, Haus Nr. 3 II, 1988, Chromogener Farbabzug, Dia-Sec Face, Holzrahmen, 183 x 239 cm, Rechte: Thomas Ruff, Leihgabe Staatliche Kunsthalle Baden-BadenBild: Ruff

Die Erfahrungen, die Ruff bei den Porträts und Interieurs macht, bringt er in eine weitere "Oberflächenbeschreibung" ein. Zwischen 1987 und 1991 werden Häuserfassaden zum fotografischen Schwerpunkt - Fassaden unspektakulärer Gebäude der 50er bis 70er Jahre, die er in Düsseldorf und Umgebung findet. Die trostlos wirkende Stimmung ist Absicht: Ruff fotografiert früh morgens und im Winter. Er orientierte sich dabei an der sachlichen "Architekturfotografie" des Bauhauses, angelehnt an seine berühmten Lehrer Ernst und Hilla Becher. Ruff hat sich immer gegen den Vorwurf gewehrt, es seien nur Fassaden, sie repräsentierten mehr oder weniger politische und gesellschaftliche Ideologien der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren ihrer Entstehung.

Thomas Ruff, der Meister der scheinbar oberflächlichen fotografischen Blicke, arbeitet ausschließlich in Serien und probiert sich immer wieder neu aus. So entstehen in den 90ern Bilder, die er mit einer Nachtsichtkamera "schießt".("Nächte"). Eine Idee, die er aus den Fernsehbildern des Golfkrieges 1990/91 entwickelt. Fasziniert von der Technik und der Möglichkeit "Unsichtbares" sichtbar zu machen, beginnt er mit einem Restlichtverstärker Hinterhöfe zu fotografieren.

Thomas Ruff, Nacht 8 II, 1992
aus der Serie „NÄCHTE“, entstanden zwischen 1992 und 1996. Fotografiert mit Kleinbildkamera, montiert auf einen Restlichtverstärker chromogener Farbabzug, mit Diasec kaschiertBild: Thomas Ruff

Auch vorher hat sich Ruff Ideen aus verschiedenen Medien geholt und fotografisch umgesetzt. Zwischen 1981 und 1991 sammelte er 2.500 Zeitungsfotos aus deutschsprachigen Tages- und Wochenzeitungen. 400 davon reproduziert und isoliert er ohne den dazugehörigen Text. Herausgerissen aus dem Kontext will er die Wirkung der Bilder untersuchen.

Erwachsene Fotografie

Danach wendet sich Ruff, heute Professor für Fotografie an der Kunstakademie Düsseldorf, den neuen Medien zu. Er erstellt Montagen mit Hilfe digitaler Bildbearbeitung ("Plakate").

Thomas Ruff, nudes Lu10, 1999,
Thomas Ruff, nudes Lu10, 1999, Chromogener Farbabzug, Dia-Sec Face, Holzrahmen, 130 x 182 cm Rechte: Thomas Ruff, Leihgabe Staatliche Kunsthalle Baden-BadenBild: Ruff

Seit 1999 beschäftigt sich Ruff mit einem ungewöhnlichen und tabuisierten Thema: Der Pornografie im Internet. Er verändert die zensierten Aufnahmen mit Hilfe digitaler Bildbearbeitung, die stark gepixelten Bilder lassen die Darstellungen nur erahnen. Mit der Serie "nudes" will Ruff ein möglichst breites Spektrum an sexuellen Phantasien und Praktiken abbilden, die oft im Internet gezeigt werden. Ruff zu seiner letzten Serie: "Ich wollte eine Art erwachsenere Fotografie betreiben, konnte mir aber nicht vorstellen, wie ich die selber fotografiern könnte."

Eine Retrospektive will die Ausstellung in Baden-Baden nicht sein. Thomas Ruffs Werke sind in Bewegung - und 20 Jahre nur eine kleine Etappe seiner fotografischen Reise. Zu sehen sind die Bilder noch bis zum 13. Januar 2002 in der staatlichen Kunsthalle. (pt)