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Meinungsverschiedenheiten über Iraks Zukunft

Peter Philipp 5. April 2003

Die militärische Entscheidung in Bagdad rückt näher. Gleichzeitig nehmen Diskussionen über die Zukunft des Irak zu. Peter Philipp analysiert die Hintergründe und möglichen Interessen in Europa und den USA.

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Wie soll es weitergehen im Irak, wenn sich der Rauch gelegt hat?Bild: AP

Es gibt Anzeichen dafür - genährt auch durch die diplomatische Offensive von US-Außenminister Colin Powell -, dass die entzweiten Regierungen einander über die Frage nach der Zukunft des Irak wieder etwas annähern. Der französische Präsident Jacques Chirac beschwört plötzlich die französisch-amerikanische Freundschaft und Partnerschaft, der russische Präsident Wladimir Putin hofft, dass die USA den Krieg "nicht verlieren" und auch Bundeskanzler Gerhard Schröder - der wohl resoluteste Gegner des Irakkrieges - findet inzwischen versöhnliche Worte. In der Sache bleiben alle zwar ihrer bisherigen Ablehnung des Krieges treu, aber es ist doch deutlich zu spüren, dass sie nach Wegen suchen, die Krise zu überwinden, die nicht nur das transatlantische Verhältnis gestört hat, sondern auch die Atmosphäre in Europa selbst.

Forderung nach der UNO

Von einer europäisch-amerikanischen Einigung über ein gemeinsames Vorgehen ist man freilich weit entfernt: Wer den Irak zerbombt habe, der müsse ihn auch wieder aufbauen, war in letzter Zeit immer wieder aus dem Mund der Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul, zu hören. Dies war wohl in erster Linie der Versuch, den Krieg nicht durch ein frühes Hilfsangebot nachträglich zu legitimieren, inzwischen geht man aber einen Schritt weiter: Natürlich werde man helfen, aber dies solle im Rahmen der Vereinten Nationen geschehen. Wie überhaupt die UNO die Hauptrolle beim irakischen Neubeginn spielen solle. In diesem Fall - so der Bundeskanzler - werde auch die EU ihren Beitrag leisten. Diese ermahnte er, endlich zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu gelangen.

Washington scheint diese neue Linie gar nicht zu gefallen: Zwar ist man bereit, den Vereinten Nationen eine Rolle bei der humanitären Hilfe für den Irak zuzugestehen, nicht aber bei der politischen Neuordnung des Landes. Diese solle von denen geleitet werden, die den Krieg geführt und damit Vorleistungen für einen Regimewechsel im Irak erbracht haben.

USA: Kriegsgegner ausgrenzen

Und so, wie Washington die Rolle der UNO hart eingrenzen will, ist es bisher auch nicht bereit, den Kriegsgegnern irgendeine Rolle zuzugestehen, die über die des Mitfinanziers hinausgeht. Diese Ausgrenzung findet jetzt schon vor Ort bei der Behandlung von Medienvertretern statt: Journalisten aus Staaten, die den Krieg abgelehnt haben, werden von den amerikanischen und britischen Militärs schlechter "bedient" als andere.

Und dies dürfte seine Fortsetzung finden, wenn es erst einmal so weit sein wird, politisch und auch wirtschaftlich den "Kuchen aufzuteilen": Der US-Kongress hat bereits verfügt, dass die zusätzlich für den Krieg bewilligten 80 Milliarden Dollar nicht für Aufträge an Firmen aus Kriegsgegner-Ländern verwendet werden sollen. Und bei der Vergabe von künftigen Aufträgen für die irakische Erdölindustrie dürfte es nicht anders kommen: Zwar behauptet Präsident Bush - ähnlich wie es auch der Bundeskanzler tut - dass das irakische Erdöl dem irakischen Volk gehöre, aber man wird es in Washington schon verstehen, die Dinge so zu beeinflussen, dass die künftige Vertretung dieses Volkes jene bevorzugt, die jetzt gegen das Regime Saddam Husseins kämpfen.

Wenn die Vereinten Nationen den Neuaufbau des irakischen Staates übertragen bekämen, dann würde genau dies verhindert: Mit ein Grund für die Europäer, eine stärkere Rolle der UNO zu fordern, für die USA aber ein gewichtiger Grund, genau dies zu verhindern.