Meinungs- und Informationsfreiheit als Ziel im Post-2015 Prozess bedroht | Regionen | DW | 12.09.2014
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Regionen

Meinungs- und Informationsfreiheit als Ziel im Post-2015 Prozess bedroht

Die Verhandlungen über eine globale Entwicklungsagenda nach 2015 erreichen eine entscheidende Phase. Patrick Leusch, Leiter Internationale Beziehungen, sieht die Ziele Informations- und Meinungsfreiheit in Gefahr.

Social Media Highway Africa Konferenz

Informations- und Meinungsfreiheit sollten Teil der künftigen Entwicklungsagenda sein - Workshop auf der Highway Africa Conference in Grahamstown, Südafrika

Die Formulierung im Abschlussbericht der sogenannten Open Working Group der Vereinten Nationen war eine Enttäuschung für alle, die gehofft hatten, dass fundamentale Freiheitsrechte wie das Recht auf Informations- und Meinungsfreiheit eine echte Chance gehabt hätten, in den Kanon der neuen Nachhaltigen Entwicklungsziele aufgenommen zu werden. Die Formulierung des sogenannten Ziels 16.10, das unter anderem Informations- und Meinungsfreiheit festschreiben soll, bleibt vage, gar lapidar: "Ensure public access to information and protect fundamental freedoms in accordance with national legislation and international agreements". Insbesondere die Rücksichtnahme auf nationale Gesetzgebung dürfte selbst für totalitäre Staaten eine akzeptable - weil völlig relativierende - Formulierung sein. "Medien" oder gar "Unabhängige Medien" tauchen als Begriff in der Formulierung ebenso wenig auf wie "Informationsfreiheit", "Zugang zu öffentlichen Daten" oder gar "Meinungsfreiheit". Dabei sah es zum Beginn des sogenannten Post-2015 Prozesses ganz gut aus: 17 Sustainable Development Goals (SGDs), die die Millenniums-Entwicklungsziele Ende 2015 ersetzen sollen, werden derzeit diskutiert. Ziel 16 beinhaltet die Schaffung friedlicher und inklusiver Gesellschaften für nachhaltige Entwicklung, Rechtsstaatlichkeit und die Bildung effektiver und verantwortlicher Institutionen auf allen Ebenen. ("Promote peaceful and inclusive societies for sustainable development, provide access to justice for all and build effective, accountable and inclusive institutions at all levels").

So abstrakt dieses Ziel der sogenannten Guten Regierungsführung und der Demokratie und Achtung der Menschenrechte scheint, so ist es doch die beeindruckendste Neuerung des gesamten Entwurfs der neuen Entwicklungsziele. Es berücksichtigt, dass gute Regierungsführung, Transparenz und Beteiligung an Entscheidungsprozessen entscheidend für eine nachhaltige Entwicklung in allen Bereichen ist, und dass schwache und dysfunktionale Institutionen eine der Ursachen dafür waren und sind, dass bisherige Entwicklungsziele nicht oder nur teilweise erreicht wurden. Dass freie Medien und der Zugang zu staatlichen Informationen und Daten eine Grundvoraussetzung für Transparenz und Rechtsstaatlichkeit sind - und damit ein Grundpfeiler der Rechenschaftspflicht - stand in den ursprünglichen Entwürfen für dieses Entwicklungsziel noch ziemlich ausdrücklich in der Diskussion. Dieser Zusammenhang ist zum jetzigen Zeitpunkt erst einmal wieder verworfen worden.

Ende August hatten die Vereinten Nationen rund 3000 Delegierte zur jährlichen Konferenz der Nichtregierungsorganisationen, UN DPI/NGO Conference, nach New York eingeladen. Das Treffen fand in einem entscheidenden Moment statt, da UN-Generalsekretär Ban Ki-moon derzeit an seinem für November 2014 erwarteteten sogenannten Synthesebericht arbeitet. Sein Bericht fußt auf dem Abschlussbericht der Open Working Group und bildet die Grundlage für die dann beginnenden Verhandlungen der UN-Mitgliedsstaaten um neue Entwicklungsziele, die im Herbst 2015 abgeschlossen sein sollen.

Patrick Leusch auf dem Global Media Forum 2014

Patrick Leusch, Leiter Internationale Beziehungen

Die UN-Konferenz diente dazu, eine Erklärung der Zivilgesellschaft zu der Post-2015 Debatte zu erarbeiten. Diese Erklärung wird damit Teil der Konsultationsprozesse, die die UN mit einer Reihe von Akteuren unterhält. Die DW Akademie hat diese Erklärung gemeinsam mit der amerikanischen Organisation Freedom House sowie der Menschenrechtsorganisation Artikel 19 und dem Netzwerk Global Forum for Media Development (GFMD) erarbeitet und eine Paneldiskussion zur Rolle der Medien in der Entwicklungszusammenarbeit organisiert.

"Der Zugang zu Informationen ist absolut wichtig bei der Armutsbekämpfung", sagt der pakistanische Journalist und Blogger Raza Rumi. "Die meisten Entwicklungsfragen sind eng mit lokalen Themen verbunden: Wann hat der Arzt Dienst? Wo sind Straßenblockaden oder Nahrungsmittelknappheit?" Das Funktionieren öffentlicher Leistungen und Institutionen kann von Bürgern nur überprüft und eingefordert werden, wenn sie darüber auch Informationen bekommen und diese weitergeben können, sagt Rumi. So sei die Einführung eines Rechts auf Zugang zu staatlichen Informationen in Pakistan 2001 ein Meilenstein gewesen, erläutert er.

Zugang zu Informationen und Daten

Die Erklärung der Konferenz, an der die DW Akademie mitgearbeitet hatte, fordert einschlägige Regelungen und Gesetze für einen garantierten Zugang zu Informationen und Daten sowie rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen für den effektiven Schutz von Medien-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Diese Formulierung geht weit über die aktuelle Formulierung im Ziel 16 der Entwicklungsziele hinaus. "Der Begriff 'Medien' ist nun mal die rote Linie für viele Länder, die zumindest bereit wären, zu akzeptieren, dass sie ihre Regierungsführung und die Effizienz ihrer Institutionen verbessern müssten", sagt Quinn McKew, stellvertretender Direktor bei Artikel 19. Unterstützung für Menschenrechtsaspekte in der aktuellen Vorlage kommt darüber hinaus vor allem von den entwickelten Ländern, abgesehen von wenigen Staaten im globalen Süden wie Indonesien, Ghana und Brasilien. "Das Schweigen zu diesem Thema aus dem globalen Süden ist bezeichnend ", sagt Rob Mahoney, stellvertretender Direktor der US-amerikanischen NGO CPJ. "Die Bedeutung unabhängiger Medien und der Meinungsfreiheit wird in vielen Ländern, etwa in Afrika, überhaupt nicht öffentlich diskutiert. Aber die Forderung nach diesen Freiheitsrechten muss insbesondere von den Betroffenen selbst kommen", sagt Mahoney.

Konkret bedeutet dies: Verhandlungsführer der Mitgliedsstaaten werden bei der UN nicht für Bereiche oder Ziele eintreten, die auch in ihren Herkunftsländern niemand einfordert. Eine öffentliche Debatte zumindest unter den Medienmachern und Berufsverbänden scheint also der Schlüssel für die Stärkung dieser Forderung im kommenden Verhandlungsprozess zu sein. Das Netzwerk GFMD hat deshalb Instrumente und Vorlagen entwickelt, mit denen lokale Institutionen in diesem Prozess Rechenschaft einfordern und dadurch anregen können, dass etwa Meinungs- und Informationsfreiheit eine Priorität ihrer Regierung bleibt oder wird.


Die DW Akademie hat mit Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) jüngst einen Workshop zum Thema Post-2015 auf der Highway Africa Conference, der wichtigsten Konferenz zu neuen und digitalen Medien in Afrika, organisiert. "Es ist das erste Mal, dass ich von der ganzen Sache höre", sagte ein Journalist aus Botswana während des Briefings, zu dem eine ausführliche Darstellung des laufenden globalen Prozesses und eine Einführung in die Beteiligungsformen und -instrumente gehörte. Die DW Akademie plant zusammen mit dem Netzwerk GFMD weitere Treffen mit dem Ziel, mehr Partizipation in diesem wichtigen Prozess auf lokaler und regionaler Ebene zu ermöglichen.

Ende November, wenn UN-Generalsekretär Ban Ki-moon seinen Vorschlag für die abschließende Verhandlungsrunde der Mitgliedsstaaten destilliert hat, wird klar werden, welchen Stellenwert die Informations- und Freiheitsrechte im Konzert der künftigen Entwicklungsziele noch haben werden. Sicher ist, dass dieser Verhandlungsprozess kompliziert und schwierig werden wird. Es ist erkennbar, dass die Ziele und Prioritäten weit auseinander klaffen. Entwickelte Länder, Schwellenländer und Entwicklungsländer haben hinsichtlich der künftigen Entwicklungsagenda unterschiedliche Erwartungen und Prioritäten. Diverse Interessen und Vorbehalte werden zu berücksichtigen sein, wenn die Weltgemeinschaft einen Handlungsrahmen erreichen möchte, der Zustimmung auf globaler Ebene findet. Auf die weitere Reduzierung der Kindersterblichkeit wird man sich schnell einigen können. Doch politische Forderungen wie mehr Demokratie oder gar Einhaltung der Menschenrechte wird von vielen Ländern als Einmischung in innere Angelegenheit betrachtet oder als unlautere Konditionierung von Entwicklungshilfe durch westliche Geber. Frei nach dem Motto: Geld gegen Wohlverhalten in Hinblick auf "unsere" Werte. Daher ist für die Aufnahme solcher Ziele entscheidend, wie stark sie in den entsprechenden Ländern selbst eingefordert werden.

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  • Datum 12.09.2014
  • Autorin/Autor Patrick Leusch
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  • Datum 12.09.2014
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