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Politik

Wie viel Donald Trump steckt in Joe Biden?

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Ines Pohl
29. April 2021

Joe Biden bekommt viel Applaus aus dem westlichen Ausland. In den USA selbst aber bleibt seine 100-Tage-Bilanz umstritten. Doch genau hier muss er punkten, um seine politische Macht zu stabilisieren, meint Ines Pohl.

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Titelblätter des Sunday Standard "Biden wins!"und der Sunday Nation "Donald Trump fired!" aus Kenia vom 8. November 2020
Zeitungen am Tag nachdem die Entscheidung in den USA gefallen war: "Biden gewinnt!" "Donald Trump gefeuert!"Bild: Simon Maina/AFP/Getty Images

Die Welt reibt sich die Augen. Und vor allem die alten Verbündeten klatschen dem neuen US-Präsidenten kräftig Applaus. Der 78-Jährige hat in seinen ersten 100 Amtstagen eine Energie an den Tag gelegt, von der viele Jüngere nur träumen können. Da hat einer die Regierungsmacht übernommen, der eine klare Agenda hat, der mutig voran prescht und nicht wartet, sondern einfach macht.

Der Präsident der Vereinigten Staaten hat Instrumente, die beispielsweise der deutschen Bundeskanzlerin nicht zur Verfügung stehen. In sogenannten Executive Orders, präsidialen Anordnungen, kann er am Kongress vorbei viele Dinge völlig eigenständig entscheiden. Zum Beispiel, dem Pariser Klimaabkommen wieder beizutreten. Was er auch gleich am ersten Tag im Amt gemacht hat.

Entscheidungen ohne Nachhaltigkeit

Mindestens 40 solcher Erlasse hat Biden inzwischen schon unterzeichnet. Und das macht sich natürlich gut auf der Checkliste. Das Problem an diesem Regierungsstil ist allerdings, dass diese Erlasse von jedem Nachfolger wieder mit einem Federstrich zunichte gemacht werden können. Weil sie eben keine ordentlichen Gesetze sind, für die auch ein Präsident politische Mehrheiten braucht, um sie einzusetzen - oder eben wieder abzuschaffen.

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Ines Pohl leitet das DW-Studio in WashingtonBild: DW/P. Böll

Und hier kommen wir zum Kern-Problem dieser Präsidentschaft: Joe Biden hat nur eine hauchdünne Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses. Für grundsätzlichere Gesetzesvorhaben braucht er Unterstützung aus dem gegnerischen Lager, wobei er keine zu großen Kompromisse eingehen darf, um den linken Flügel der eigenen Partei nicht zu vergrätzen.

All das muss man im Hinterkopf haben, wenn man den Bidens vollmundig angekündigten Vorhaben applaudiert. Ja, sein Infrastrukturplan würde den Vereinigten Staaten einen immensen Modernisierungs- und Innovationsschub geben, der nicht zuletzt Europa im Staub zurücklassen könnte. Aber kann es ihm überhaupt gelingen, die dafür notwendigen Mehrheiten zu organisieren? Vor allem für sein Finanzierungskonzept, das auf deutliche Steuererhöhungen für die Superreichen setzt?

Zwischen Wollen und Können

Und ja, sein klares Bekenntnis, die Klimakatastrophe zu bekämpfen, könnte nicht nur ganz reale Auswirkungen in den USA haben, sondern auch ein wichtiger weltweiter Impuls sein. Aber was kann er wirklich bewirken? Auch hier gilt es genau zu unterscheiden zwischen dem weltpolitischem Wollen und tatsächlicher innenpolitischer Gestaltungsmöglichkeit.

In knapp eineinhalb Jahren stehen in den Vereinigten Staaten die Midterm Elections an. Am 8. November 2022 entscheidet sich, ob Biden seine Regierungsmehrheit im Senat vielleicht schon wieder verliert. Zwar schneidet Biden in den Umfragen heute besser ab als sein Vorgänger nach seinen ersten 100 Tagen im Amt. Aber an der tiefen Spaltung des Landes hat sich nichts geändert.

Nach dem Wahlkampf ist vor dem Wahlkampf

Deshalb sollte sich die internationale Gemeinschaft nicht vertun: Eigentlich befindet sich Joe Biden schon jetzt wieder im Wahlkampf. So sehr er sich als ein wieder verlässlicher, internationaler Partner präsentiert: Sein Hauptaugenmerk gilt der Innenpolitik. Hier muss er punkten, um überhaupt den Hauch einer Chance zu haben, dass seine Demokraten auch die nächste Wahl gewinnen.

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Ines Pohl Büroleiterin DW Studio Washington@inespohl