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Politik

Trump muss gehen und das US-Militär bleiben

Thurau Jens Kommentarbild App
Jens Thurau
6. Dezember 2020

Der mit lautem Gebrüll angekündigte Teilabzug der US-Truppen aus Deutschland gerät bereits wieder ins Wanken. Aber die Deutschen sollten dennoch ernsthaft über ihre eigene Sicherheit nachdenken, meint Jens Thurau.

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Deutschland I Einzelheiten zu US-Teilabzug aus Deutschland erwartet
Bild: picture-alliance/dpa/F. May

War es das jetzt? Es sieht danach aus. Beide Kammern des US-Kongresses, der Senat und das Repräsentantenhaus, haben die mit lautem Getöse vorgetragenen Pläne von US-Präsident Donald Trump für einen drastischen Teil-Abzug der US-Soldaten aus Deutschland gestoppt.

Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen, Trump kann gegen den Entwurf für den Verteidigungshaushalt, der den Abzug ablehnt, sein Veto einlegen. Lange ist er jedoch nicht mehr im Amt, und von Anfang an hatten Militärexperten aller Richtungen vor dem Schritt gewarnt.

Eine Strafaktion für die Deutschen

Ohnehin hatte Trump ganz offen von einer Strafaktion für die Deutschen gesprochen. Und seine Kritik erneuert, die Deutschen würden zu wenig Geld für die Verteidigung ausgeben. Im offenen Gestus eines Despoten hatte er hinzugefügt, er könne sich das Ganze auch noch anders überlegen, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel endlich die Geldbörse öffnen würde.

Deutschland US-Airbase in Ramstein
Die US-Truppen in Deutschland sind regional ein enormer Wirtschaftsfaktor - vor allem in Rheinland-PfalzBild: picture-alliance/dpa/Sputnik/V. Melnikov

Nicht wenige Beobachter sahen in der Abzugsankündigung auch eine Art Rache, weil Merkel sich im Sommer weigerte, dem US-Präsidenten beim G7-Gipfel in Washington medienwirksam ihre Aufwartung zu machen. Merkel war spätestens zu diesem Zeitpunkt durch mit Trump, und das hat dann sogar der gemerkt.

Keine Reaktion der Bundesregierung

Bemerkenswert an der Geschichte der Abzugsdrohung war aus deutscher Sicht vor allem, wie die Regierung darauf regierte: nämlich im Grunde gar nicht. Eine paar dürre Worte des Bedauerns von Politikern aus der zweiten Reihe, und ansonsten? Wir warten ab. So richtig ernst genommen haben die Deutschen den wüsten Abzugsplan offenbar nicht.

Schließlich wussten und wissen auch sie, dass die über 34.000 US-Soldaten in Deutschland eminent wichtig sind für die militärische Strategie der Amerikaner. Als Basis etwa für Operationen im Nahen Osten oder in Afrika. Wie bei vielen anderen Themen war die deutsche Haltung auch zu dieser Idee von Trump: Wir setzen alles darauf, dass er nicht wieder gewählt wird und hoffen danach auf bessere Zeiten. Zumindest das Erste ist auch so eingetroffen.

Kritik wird auch die Biden-Administration üben

Wenn es also höchstwahrscheinlich bei den US-Truppen in Deutschland alles so bleibt wie es ist, dann heißt das nicht, dass sich die Deutschen nicht wirklich Gedanken machen müssen um die Frage, was sie selbst für ihre Sicherheit investieren wollen. Die Debatte darüber gibt es seit vielen Jahren. Aber tatsächlich sind die Deutschen noch weit davon entfernt, jene zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben, die sie 2014 auf dem NATO-Gipfel in Wales versprochen haben. Dafür werden sie auch von der neuen US-Regierung Kritik erwarten dürfen - moderater im Ton, aber sicher klar in der Sache.

Denn so merkwürdig verklemmt, wie die Reaktion auf Trumps wüste Drohung war, so verklemmt ist auch die Haltung der Deutschen zum Thema, wer für unsere Sicherheit sorgen soll und was wir selbst leisten können. Das ist sicher eine Folge der Nachkriegszeit. Denn für die Sicherheit der Bundesrepublik waren immer die anderen zuständig, die westlichen Alliierten des Zweiten Weltkrieges. Und die Deutschen wollten sich nicht noch einmal die Hände schmutzig machen. Als Trump seinen Rachefeldzug gegen die Kanzlerin startete, bestätigte eine Umfrage exakt dieses Bild: 47 Prozent der Befragten waren für die Reduzierung der US-Truppen, ein Viertel sprach sich sogar für einen vollständigen Abzug aus, nur knapp ein Drittel wollte die derzeitige Stärke beibehalten. 

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DW-Hauptstadtkorrespondent Jens Thurau

Die Debatte wieder einmal vertagt

Man kann der Meinung sein, dass 75 Jahre nach Kriegsende keine US-Soldaten mehr in Deutschland stationiert sein sollten. Und wenn von Deutschland aus Drohnen-Angriffe in der ganzen Welt befehligt werden, ohne dass die deutsche Regierung überhaupt etwas davon erfährt, dann darf man das zu Recht kritisieren. Aber einen Plan, eine Idee, wie Deutschland denn tatsächlich, am besten im Verbund mit vielen europäischen Staaten, selbst für militärische Sicherheit sorgen kann, so einen Plan, so eine Idee gibt es eben noch nicht. Mal ganz abgesehen von der Frage, ob die deutsche Gesellschaft mehr Militär überhaupt unterstützen würde.

Die US-Truppen bleiben also wohl im Land, das Bundesland Rheinland-Pfalz atmet auf, vor allem weil die Amerikaner dort ein wichtiger Wirtschaftsfaktor sind. Der böse Onkel im Weißen Haus ist ja abgewählt. Leider hat das auch zur Folge, dass die Debatte über Deutschlands eigene Sicherheitspolitik wieder mal vertagt werden könnte. Eine Lösung ist das nicht.

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