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"Friede und Freiheit"

3. August 2009

Der ehemalige dänische Premierminister Anders Fogh Rasmussen ist neuer NATO-Generalsekretär. Im Interview mit der Deutschen Welle gibt er Auskunft über seine Ziele und die Rolle, die die NATO künftig spielen soll.

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Der neue NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen (Foto: dpa)
Der neue NATO-Generalsekretär Anders Fogh RasmussenBild: picture-alliance/ dpa

DW: Herr Rasmussen, wie haben Sie vor, Ihr Amt als NATO-Generalsekretär zu führen – eher als Sekretär oder als General?

Anders Fogh Rasmussen: Nun, ich würde sagen, als ziviler General, eher wie ein Premierminister. Ich bin ein politischer Führer einer militärischen Allianz.

Sie waren viele Jahre dänischer Premierminister und gelten als Wirtschaftsexperte. Wie haben Sie sich auf diese neue Aufgabe als NATO-Generalsekretär vorbereitet, die doch sehr großes militärisches Fachwissen beinhaltet?

Während meiner Zeit als dänischer Premierminister war ich bereits stark mit sicherheitspolitischen Aspekten befasst. Wie sie wissen ist Dänemark stark an einer ganzen Reihe internationaler militärischer Missionen beteiligt, etwa in Afghanistan, aber auch im Kosovo. Deshalb interessiere ich mich bereits seit einigen Jahren sehr für Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Während der vergangenen vier Monate, seit meiner Nominierung als Generalsekretär, habe ich mich in einem speziell dafür geschaffenen Rahmen – dem Amt des designierten NATO-Generalsekretärs – stärker spezifisch auf die neue Aufgabe vorbereitet.

Was ist Ihr politisches Kernziel? Wie wollen Sie die Allianz in den kommenden vier Jahren formen?

Niederländische NATO-Soldaten im Einsatz in Afghanistan (Foto: AP)
Niederländische NATO-Soldaten im Einsatz in AfghanistanBild: AP

Die Mission in Afghanistan ist unsere wichtigste Mission. Es steht sehr viel auf dem Spiel, zum einen für die afghanische Bevölkerung, aber auch für die internationale Gemeinschaft und für die NATO. Wir müssen Erfolg haben. Wir dürfen nicht zulassen, dass Afghanistan erneut ein sicherer Hafen für Terroristen wird. Außerdem habe ich vor, unsere Beziehungen zu Russland zu verbessern und die Reform und Transformation unserer Allianz fortzuführen, so dass sie in die Lage versetzt wird, sich den neuen Bedrohungen unserer Zeit zu stellen.

Im NATO-Hauptquartier in Brüssel ist viel die Rede davon, dass die europäische Säule der NATO gestärkt werden soll. Wie soll das erreicht werden?

Ich denke, dass wir, die Europäer, innerhalb der NATO in höherem Maße mitwirken sollten. Zu diesem Zweck müssen wir innerhalb der EU Verteidigungs- und sicherheitspolitische Kooperationen entwickeln. Als NATO-Generalsekretär werde ich ein Befürworter der Weiterentwicklung dieser verteidigungspolitischen Dimension der Europäischen Union sein, nicht in Konkurrenz, sondern als Ergänzung zu dem, was innerhalb der Nato geschieht.

Lassen sie uns diese "Bedeutung" der NATO genauer anschauen. Es gibt eine weit verbreitete Meinung in Brüssel: Wenn die NATO in Afghanistan verliert, hat sie gezeigt, dass sie nutzlos ist und wird letztendlich zerfallen. Teilen Sie diese Ansicht?

Wir werden in Afghanistan nicht verlieren. Wir müssen uns durchsetzen, dafür steht zu viel auf dem Spiel. Wir können nicht zulassen, dass Afghanistan zu einem sicheren Hafen für Terroristen wird. Das wäre zum Schaden unserer eigenen Sicherheit. Zunächst sind wir in Afghanistan wegen unserer eigenen Sicherheit. Lassen sie mich daran erinnern, dass der Angriff auf die USA am 11. September 2001 in Afghanistan seinen Ursprung hatte. Beim nächsten Mal könnte Europa das Ziel sein.

Im Moment diskutiert die NATO eine neue Strategie und sucht nach einer neuen Rolle. Was wünschen Sie sich, dass diese beinhalten sollte?

Das Hauptquartier der NATO in Brüssel (Foto: dpa)
Das Hauptquartier der NATO in BrüsselBild: NATO

Zunächst müssen wir die Kernfunktion der NATO betonen. Von Anbeginn an war es die Kernfunktion der NATO, unser Territorium zu verteidigen, und das wird auch in Zukunft die Kernfunktion der NATO sein. Dennoch müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass die Verteidigung unseres Territoriums heutzutage sehr oft außerhalb beginnt, wie etwa in den Bergen Afghanistans. Das ist der Grund, weshalb wir die NATO transformieren und reformieren und unsere Streitkräfte flexibler einsetzbar machen müssen.

Wie groß soll die NATO werden? Wie steht es mit potenziellen neuen Mitgliedern, wie der Ukraine oder Georgien? Sollen sie in die Allianz aufgenommen werden?

Zunächst einmal bin ich ein Befürworter der so genannten "Politik der Offenen Tür": die NATO sollte offen sein für Demokratien, Länder, die die notwendigen Kriterien erfüllen. Dies hängt von den Umständen ab. Wir müssen sicherstellen, dass neue Mitgliedsländer einen zusätzlichen Wert zu unserer Militärallianz beisteuern können.

Dies berührt allerdings direkt die Beziehungen der NATO und des Westens zu Russland. Können Sie sich eine Situation vorstellen, in der Moskau die Mitgliedschaft der Ukraine im westlichen Militärbündnis akzeptieren und diese nicht als Angriff auf die eigenen Sicherheitsbedürfnisse betrachten würde?

Hier und jetzt ist dies eine hypothetische Frage, da die Ukraine die notwendigen Kriterien derzeit nicht erfüllt. Die NATO hat allerdings schon 2008 entschieden, dass die Ukraine und Georgien zukünftig Mitglieder der NATO werden können, vorausgesetzt, dass sie die notwendigen Kriterien erfüllen.

Russland ist nicht mehr der militärische Feind der NATO, hat sich aber auch nicht zu einem Partner des Westens gewandelt. Wie beschreiben Sie Russlands politische Rolle?

Wladimir Putin und Dimitri Medwedew (Foto: dpa)
Mit der russischen Führung war die NATO zuletzt nicht immer einigBild: picture-alliance/ dpa

Grundsätzlich teilen wir eine Reihe von Sicherheitsinteressen mit Russland. Dies gilt für die Terrorismusbekämpfung – Russland selbst ist durch Terrorismus betroffen. Das Gleiche gilt insoweit Afghanistan betroffen ist und die Nicht-Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, wie Nuklearwaffen. So könnte ich eine ganze Reihe von Bereichen nennen, in denen wir gemeinsame Interessen mit Russland teilen. Ich denke, wir sollten eine positive Partnerschaft und praktische Zusammenarbeit, basierend auf diesen gemeinsamen Interessen entwickeln. Dennoch muss ich betonen, dass Russland seine internationalen Verpflichtungen erfüllen muss, einschließlich, die Souveränität und Integrität seiner Nachbarn zu respektieren.

Beginnen Sie ihre Arbeit im Hauptquartier der NATO in Brüssel mit einem persönlichen Motto?

Ich habe mir kein persönliches Motto überlegt, aber für mich gibt es zwei Schlüsselbegriffe für die NATO, Friede und Freiheit. Ich denke diese Worte sollten miteinander verbunden sein, man kann immer Frieden erreichen, wenn man bereit ist, seine Freiheit aufzugeben. Aber Friede ohne Freiheit erfüllt meiner Meinung nach nicht den grundlegenden Wunsch der Menschen. Daher würde ich als Motto nennen: Für Friede in Freiheit.

NATO-Generalsekretär Anders Rasmussen, vielen Dank für dieses Gespräch.

Das Gespräch führte Christian Trippe

Redaktion: Andreas Ziemons