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"Mein Geld gehört mir!"

22. Juni 2009

Kamathipura liegt im Herzen der indischen Metropole Mumbai. Es ist der größte Rotlicht-Bezirk Asiens. Und mittendrin gibt es eine Bank speziell für Prostituierte. Hier können die Frauen ihr Geld anlegen.

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Fotos: Sandra Petersmann / DW
Mit versteckter Kamera: Fotoapparate sind im Rotlicht-Bezirk nicht gern gesehenBild: DW

Die junge Frau an der Straßenecke heißt Gudiya. Übersetzt heißt Gudiya Puppe – und genau so sieht sie auch aus: wie eine Porzellan-Puppe mit Kindergesicht und knallrotem Lippenstift. Gudiya ist Anfang 20 und gehört seit vielen Jahren einem Bordellbesitzer. Sie ist eine von vermutlich mehr als 100.000 Prostituierten in der indischen Mega-Metropole Mumbai. Aber Gudiya ist eine der ganz wenigen Sex-Arbeiterinnen mit eigenem Bankkonto – bei der Sangini-Bank. Ihr kann keiner mehr so leicht Geld klauen. "Die Angestellten von der Sangini-Bank sind sehr nett und bringen uns viel bei, auch über Krankheiten. Sie erklären uns, wie wir Geld sparen können."


Sparen für die Tochter

Bei der Sangini-Bank könne sie Geld abheben und einzahlen, wann immer sie wolle, erzählt Gudiya. Und: dort würde sie wie ein Mensch behandelt. Mit dem Geld will Gudiya vor allem eins: dafür sorgen, dass ihre Tochter es einmal besser hat als sie selbst. Sie möchte sie zur Schule schicken und ihr eine schöne Hochzeit ausrichten. „"Sie soll ein anständiges Leben führen. Ich werde nicht zulassen, dass meine Tochter so belogen wird und so endet wie ich."


Indien / Mumbai / Prostitution / Kamathipura
Bild: DW

Der Anfang ist gemacht

Das Angebot der Sangini-Bank richtet sich an alle Prostituierten in Mumbai. Die Bank ist wie eine Genossenschaft organisiert und hat ihren Sitz mitten in Kamathipura, im größten Bordellviertel Asiens. Wer Mitglied wird, kann ein eigenes Konto eröffnen. Und das haben in den vergangenen zwei Jahren rund 5000 Prostituierte getan, freut sich Projektmanager Jiwan Prakash Saha. Ein wichtiger Schritt für die Frauen, denn "erst wenn sie selbst über ihr Geld verfügen, haben sie eine Stimme in der Gesellschaft. Und sie sollen die gleichen Rechte haben wie alle Bürger in Indien."


Chancenlos und ausgegrenzt

Keine Papiere, keine Adresse, ein illegaler Beruf: Wenn Frauen wie Gudiya zu einer normalen indischen Bank gehen, dann werden sie normalerweise gleich wieder vor die Tür gesetzt. Bei Sangini dagegen können sie sogar einen Klein-Kredit beantragen. "Wie versuchen, diese Frauen stark zu machen", erklärt Projektmanager Saha. Und er geht noch weiter. "Im Endeffekt geht es uns darum, ihr Leben in eine andere Richtung zu lenken." Eine andere Richtung für ein neues Leben: Das alles scheint auf den Straßen von Kamathipura Lichtjahre weit weg zu sein. Das Rotlichtviertel platzt aus allen Nähten. In den engen Gassen bieten sich unzählige Mädchen und Frauen in leuchtenden Saris an, gierige Männer-Augen gleiten über ihre Körper. Dazwischen spielen kleine Kinder an fauligen Pfützen. Kühe, Ziegen und Hunde durchstöbern die Abfallberge nach Futter.


Für eine Handvoll Rupien

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Bild: DW

"Manchmal verdiene ich 500 Rupien, manchmal weniger, und manchmal auch gar nichts. Es kommt darauf an, wie viele Kunden ich habe", berichtet Shenaz. Und mit den Freiern werde dann verhandelt. "Wenn ich meine Sache gut mache, kriege ich mein Geld." 500 Rupien, das sind umgerechnet rund 7 Euro. Einige Prostituierte verdienen dieses Geld mit fünf Kunden, andere müssen dafür mindestens 20 Männer befriedigen. Die meisten aber müssen einen Großteil des Geldes an ihre Bordellbesitzer und Zuhälter abgeben. Umso wichtiger ist für sie das, was übrig bleibt. Denn das bringen die Sangini-Frauen zur Bank. So macht es auch Shivanta. Sie zahlt ein, soviel sie eben kann. "Geld abheben tue ich nur, wenn ich nicht genug verdient habe." Und das alles für ihren großen Traum. Denn wenn sie genug Geld zusammen hat, dann will Shivanta aussteigen. Und sie möchte weg aus Mumbai, zurück in ihr Dorf. "Dort kaufe ich mir dann ein Stück Land."

Autorin: Sandra Petersmann
Redaktion: Esther Broders