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Mein Deutschland: Sparen macht ärmer

Zhang Danhong29. Oktober 2015

Auch in deutschen Sparkassen heißt es wieder: Weltspartag. Angesichts der Niedrigzins-Politik der Notenbanken klingt das wie ein Hohn. Deshalb ruft unsere Kolumnistin Zhang Danhong dazu auf, den Tag abzuschaffen.

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Sparschwein und Taschenrechner
Bild: Fotolia/photocrew

Im Vorfeld des Weltspartages hat meine elfjährige Tochter ein Schreiben von der Kölner Bank erhalten. "Pack Dein Sparschwein ein und komm zu uns. Wir zeigen Dir, wie Du mehr aus Deinem Geld machst", steht in der Einladung.

Ich weiß wie - mit dem mickrigen und doch überaus großzügigen einen Prozent Jahreszins. Vor einem Jahr gingen wir zusammen zur Kölner Bank und eröffneten ihr ein Sparkonto. Die Bank als ein relativ sicherer Aufbewahrungsort für das Ersparte - mehr erwartete ich nicht. Umso überraschter war ich, als die Mitarbeiterin erklärte, dass das Geld mit einem Prozent verzinst wird.

Zu jenem Zeitpunkt hat die Europäische Zentralbank gerade den Zins abgeschafft. Seitdem können Geschäftsbanken quasi umsonst Geld von der Notenbank leihen. Die gut situierten Euroländer verschulden sich fast zum Nulltarif. Die Sparer, die sich bis dato schon mit immer niedrigeren Zinsen zufriedengeben mussten, erhielten nun das Signal: Wer spart, ist selber schuld.

Große Ziele - kleine Effekte

Dabei will die EZB die Sparer nicht extra ärgern. Sie verfolgt durchaus edle Ziele. Sie will Unternehmen zu Krediten verhelfen, indem sie Banken mit Negativzins bestraft, die das Geld lieber bei der Zentralbank parken; sie kauft Monat für Monat Anleihen der Eurostaaten in Milliardenhöhe, um die Inflation anzuschieben und eine Geldentwertung einzuleiten, damit sich die Staaten ihrer Schulden entledigen.

Deutschland Europäische Zentralbank in Frankfurt am Main
Die EZB in Frankfurt am Main entscheidet darüber, wie schnell unser Geld abwertetBild: picture alliance/Sven Simon/F. Hoermann

Leider hat das Geldfluten bisher wenig Wirkung gezeigt. Fast habe ich den Eindruck, dass die Politik das billige Geld dankend annimmt und munter weiter Schulden anhäuft. Und die ersten Geschäftsbanken reichen den Negativzins bereits an Kunden mit höheren Einlagen weiter.

Vor diesem Hintergrund wirkt das eine Prozent Habenzins für die Kinderkonten bei der Kölner Bank geradezu heldenhaft, denn bei diesem Angebot zahlt die Bank drauf. Aber wozu dieser Aufwand? Es sieht danach aus, dass sich zumindest in der Eurozone in den kommenden Jahren nichts an dieser Geldpolitik ändern wird. Früher oder später lernen die Kinder, die heute mit dem Minizins vertröstet werden, dass das Sparen ärmer macht.

Schleichender Vermögensverlust

Ist das nicht so? Wenn das Ersparte kaum Zinsen abwirft, bedeutet das, dass man sich im nächsten Jahr für das Geld weniger leisten können wird, da die Preise steigen. Zwar ist die Inflation in der Eurozone gerade unter die Nulllinie gefallen. Dazu muss man aber wissen, dass diese Rate lediglich ein Durchschnittswert verschiedener Preise ist.

Da folge ich lieber dem Rat, der von Winston Churchill stammen soll: Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast. In diesem Fall heißt es: Ich traue nur der Inflationsrate, die ich selber fühle. Ich stelle fest, dass sich der Preis für Brötchen circa alle 15 Jahre verdoppelt; dass mein Jobticket jedes Jahr um ein paar Euro teurer wird; und dass ich für das Porto immer tiefer in die Tasche greifen muss. Meine gefühlte Inflation beträgt also rund fünf Prozent. Auch die offizielle Kerninflation (Energiepreise rausgerechnet) liegt mit einem Prozent weit über dem normalen Zinssatz für ein Sparbuch (durchschnittlich 0,05 Prozent).

Ich will nicht weiter klagen, denn im Gegensatz zu meinen Kindern habe ich noch Zeiten erlebt, in denen das Sparguthaben mit bis zu acht Prozent belohnt wurde. Sicherlich fiel in den Hochzinsphasen die Inflation auch höher aus, aber unterm Strich konnte man sich eines deutlichen Zuwachses des Geldvermögens erfreuen. Hätte ich damals Kinder gehabt, hätte ich ihnen im Babyalter ein Sparkonto eröffnet, ihnen später von Zins und Zinseszinsen erzählt und jeden Weltspartag mit ihnen gefeiert. Das war die Zeit des risikolosen Zinses.

Zhang Danhong Kommentarbild App
DW-Redakteurin Zhang Danhong

Vom risikolosen Zins zum zinslosen Risiko

Nun ist der gute alte Zins Geschichte. Es wächst eine Generation heran, die eine Verzinsung von fünf Prozent nur noch aus Textaufgaben im Matheunterricht kennt. Die Finanzwelt steht für sie auch sonst auf dem Kopf. Bekamen früher die Halter von Staatsanleihen ansehnliche Renditen plus ein gutes Gefühl als Bürger, ist es heute ein Ärgernis, Gläubiger des Staates zu sein. Während die Renditen auf Staatsanleihen auch in Richtung null tendieren, steigt das Risiko, das den Staaten geliehene Geld nicht wiederzusehen. Noch steht Deutschland als starker Bürge für das Euroland parat, aber was passiert, wenn der Riese auch wackelt? Bei den horrenden Staatsschulden muss es einem mulmig werden. Und wenn die Staaten wanken, dann taugen die Banken nicht mal als sicherer Aufbewahrungsort für die Ersparnis.

Die einzige Alternative scheint darin zu bestehen, ein höheres Risiko bei der Geldanlage einzugehen, sprich in Aktien oder ähnliches zu investieren. So haben wir uns entschlossen, statt mit unserer Tochter den Weltspartag bei der Kölner Bank zu feiern, ihr einen Grundkurs über Aktienanlage zu geben und einen Aktienfondssparplan auf den Weg zu bringen. So wird sie von der Gläubigerin einer Bank zur Eigentümerin mehrerer Unternehmen. Und aus dem Weltspartag machen wir einen Wertpapierspartag.

Zhang Danhong ist in Peking geboren und lebt seit über 20 Jahren in Deutschland.