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Die Kritiker des Kommissionspräsidenten sind uneinig

Barbara Wesel24. November 2014

Der Misstrauensantrag im Europäischen Parlament bleibt für Jean-Claude Juncker voraussichtlich folgenlos. Aber es ist peinlich für ihn, sich gegen die Vorwürfe verteidigen zu müssen. Aus Brüssel: Barbara Wesel.

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Jean-Claude Juncker im Europa-Parlament in Straßburg - Foto: EP
Bild: EU

Ganz zum Schluss der Debatte zeigte Jean-Claude Juncker, wie dünnhäutig er in den letzten Wochen geworden ist. Die Diskussion über "Lux-Leaks" und seine Rolle als luxemburgischer Premierminister bei den Steuerumgehungspraktiken diverser Großkonzerne hat ihn empfindlich gemacht: "Hören Sie auf, mich zu beleidigen" rief er einigen der Abgeordneten zu, die den Misstrauensantrag gegen ihn unterstützten. Allerdings schien es bei der Debatte mehr um die politischen Positionen der kleineren Parteien an den Rändern des Europaparlamentes zu gehen, als um eine wirkliche Auseinandersetzung mit der Person Jean-Claude Juncker und seinem mutmaßlichen Fehlverhalten.

Kein gemeinsamer Nenner für Rechte und Linke im Europaparlament

Vorgetragen wurde die Begründung für den Antrag von einem Mitglied der italienischen Fünf-Sterne-Bewegung, die sich erstaunlicherweise seit der Europawahl in einer Fraktion mit den Rechtspopulisten der Britischen UK Independence Party verbündet hat. "Wir wollen Wandel in Europa", forderte der Abgeordnete Marco Zanni; ein Europa, das die Interessen der Bürger vertritt.

Juncker aber stehe auf Seiten der Steuerhinterzieher und der Großkonzerne. Und zugleich beschimpfte der junge Italiener auch Grüne, Liberale und Sozialisten: "Ihr benehmt euch unterwürfig gegenüber der herrschenden großen Koalition aus Konservativen und Sozialdemokraten", denn sie alle hätten angekündigt, dem Misstrauensvotum nicht zustimmen zu wollen. Irgendwie klang der italienische Abgeordnete eher wie ein Vertreter der Linken.

Jean Claude Juncker, Ministerpräsident von Luxemburg 1996 - Foto: Erwin Elsner (dpa)
Premier Juncker (1996): Sparpolitik predigen, Steuersparern helfen?Bild: picture-alliance/dpa/Erwin Elsner

"Was machen die 'Stelle' eigentlich bei den Rechten?" fragte denn auch die Fraktionssprecherin der Linksparteien und beklagte, dass der eigene Misstrauensantrag nicht genug Stimmen sammeln konnte, um es auf auf die Tagesordnung zu schaffen. Sie und ihre politische Gruppe allerdings würden auf keinen Fall mit den Rechtspopulisten stimmen, bei aller Kritik an Junckers Politik. Unbehagen über seine Rolle gibt es auch bei den Grünen. Aber ihnen gehe es vor allem um Aufklärung, so die Fraktionsvorsitzende Rebecca Harms, und nicht um: "Bringt mir den Kopf von Jean-Claude Juncker". Damit sei für die Steuergerechtigkeit in Europa gar nichts gewonnen, vielmehr müsse die EU-Kommission mit Hilfe der Finanzminister jetzt aufräumen und den Streit um die unterschiedlichen Unternehmenssteueransätze in Europa beilegen.

Weniger Europa schafft nicht mehr Steuergerechtigkeit

Der Sprecher der Christdemokraten attackierte schließlich die Unterstützer des Misstrauensvotums frontal: "Der Angriff der Rechten ist nur destruktiv, sie dürfen keinen Erfolg haben." Die europäische Union, wie sie den Rechtsparteien von Nigel Farage und Martine Le Pen vorschwebe, sei ein Europa der Mitgliedsstaaten, in dem Brüssel nichts mehr zu sagen haben soll. Genau wie im Steuerrecht, das nach wie vor Sache der einzelnen EU-Länder ist, die selbst die Steuersätze für Unternehmen bestimmen. Und an die Adresse der rechtspopulistischen Parteien rief Manfred Weber: "Sie stehen für das alte Europa", wo jeder machen könne, was er wolle. Mehr oder minder unverhüllt warfen sich dann ein paar Redner noch Ausländerhass und Rassismus vor, es gab etwas munteres Geschrei; zur Sache aber war wenig Wesentliches und nichts Neues zu hören.

Plenarsaal Europaparlament (Foto: REUTERS/Vincent Kessler)
Europaparlament in Straßburg: Nach der letzten Wahl gespaltener denn jeBild: Reuters

Wie wenig qualifiziert einige der Wortmeldungen auch gewesen sein mögen: Für Juncker ist es trotzdem peinlich, sich vorwerfen lassen zu müssen, er habe als Chef der Eurogruppe den Krisenländern Sparpolitik gepredigt und gleichzeitig zu Hause in Luxemburg Großunternehmen beim Steuern sparen geholfen. Der Kommissionspräsident räumte in seiner Entgegnung denn auch erneut ein, dass der ethisch-moralische Konsens in Europa nicht mit den Steuergesetzen übereinstimme. Und er schwor darüber hinaus einmal mehr, seine Kommission werde alles tun, um Abhilfe zu schaffen. Aber auch seine politischen Freunde im Parlament bedachten ihn dabei nur mit dünnem Höflichkeitsapplaus. Der Misstrauensantrag wird am Donnerstag bei der Abstimmung kaum mehr als die Stimmen seiner Initiatoren bekommen und schnell vom Tisch sein. Was Juncker dabei vor größerer Schande rettet, ist aber nicht nur die Unterstützung durch die beiden großen Volksparteien, sondern die Tatsache, dass die Kleinen auf dem linken und rechten Flügel unter keinen Umständen gemeinsame Sache machen wollen. Die Reihen der Kritiker sind uneins - darin liegt für Jean-Claude Juncker die beste Chance, den Skandal um "Lux-Leaks" einigermaßen heil zu überstehen.