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Die Iren stimmen ab

3. Oktober 2009

Die Bürger Irlands haben in einem Referendum über das Schicksal des EU-Reformvertrages von Lissabon entschieden. Und nach ersten Teilauszählungen deutet sich an: Eine Mehrheit hat dem Vertragswerk wohl zugestimmt.

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Wahlurne (Foto: AP)
Bild: AP

Beim zweiten Referendum der Iren zum Vertrag von Lissabon zeichnet sich eine Mehrheit für die Befürworter des EU-Reformwerks ab. Vertreter der Wahlkommission in Dublin sprachen am Samstag (03.10.2009) von einer "robusten Mehrheit" für den Vertrag. Landesweit liege die Zustimmung bei etwa 60 Prozent, berichtete der irische Außenminister Micheal Martin. "Das ist gut für Irland", meinte Martin.

Ta oder Nil?

Aus einer Polling Station kommen Menschen (Foto: Bernd Riegert)
Europa blickt auf Dublin und das Ergebnis des ReferendumsBild: DW

Die Auszählung der am Freitag abgegebenen Stimmen hatte erst am Samstagvormittag begonnen. Im Laufe des Tages melden Zählbeamte nun die Ergebnisse ihrer Wahlkreise nach Dublin. Dort werden die Werte im Dubliner Schloss im Beisein der Medien zusammengezählt. Das offizielle Ergebnis soll dann am Nachmittag vorliegen.

Insgesamt durften drei Millionen Iren über den EU-Vertrag abstimmen, der für fast 500 Millionen Menschen in Europa gelten soll. Der irische Europaminister Dick Roche rechnete mit einer Wahlbeteiligung von rund 60 Prozent - mehr als beim letzten Referendum. Ministerpräsident Brian Cowen hatte alle Iren eindringlich zur Stimmabgabe und zu einem "Ta" (Irisch: Ja) aufgerufen. Es gehe nicht nur um einen Vertrag, sondern um die Zukunft des Landes, sagte Cowen. Ein "Nìl" (Irisch: Nein) würde die Europäische Union in eine Krise stürzen und Irlands Weg aus der Rezession erschweren.

Lissabon-Gegner in der Minderheit

Wahlplakat mit Bild von Cowen und den Worten 'The only job Lisbon saves is his' (Foto: Bernd Riegert)
Das Nein-Lager will die Unbeliebtheit des Ministerpräsidenten ausnutzenBild: DW

Der Europaskeptiker Declan Ganley hielt dagegen, der Vertrag von Lissabon bringe keine Arbeitsplätze. Der einzige Arbeitsplatz, der mit einem Ja gerettet werde, sei der von Regierungschef Brian Cowen. Der Politiker Ganley hatte 2008 maßgeblich zum Erfolg des Nein-Lagers beigetragen. Diesmal sah er sich einer breiten Ja-Koalition aus fast allen Parteien, Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und Unternehmen gegenüber. Auch der Chef von Ryanair, dem größten europäischen Billigflieger, machte für den Lissabon-Vetrag Wahlkampf.

Irlands Wirtschaft schrumpft in diesem Jahr weit über dem EU-Durchschnitt um zehn Prozent. Banksektor und Bauwirtschaft sind mehr oder weniger am Boden. Die Arbeitslosenquote steuert auf bis zu 14 Prozent zu. Mit diesen Problemen könne Irland nicht alleine fertig werden, war die simple Botschaft der meisten Parteien. Irland ist seit 1973 Mitglied der Europäischen Union und hatte sich vom ärmsten zum zweitreichsten Mitgliedsland emporgearbeitet.

Irland stimmt als einziges Land ab

Porträt eines weißhaarigen Mannes vor einer EU-Flagge (Foto: AP)
Irland darf einen EU-Kommissar behalten (im Bild: Binnemarktkommissar Charlie McCreevy)Bild: AP

Die irische Regierung hatte von der EU einige Garantien erhalten, nachdem die Iren 2008 den Lissabon-Vertrag abgelehnt hatten. Dazu zählt unter anderem die Zusage, dass die EU-Kommission nicht verkleinert wird und Irland damit immer einen Kommissar nach Brüssel schicken kann. Der Vertragstext als solcher wurde aber nicht neu verhandelt, um die Ratifikationsverfahren in den übrigen Mitgliedsstaaten nicht zu entwerten.

Irland ist das einzige der 27 Mitgliedsstaaten, das bei Veränderungen der EU-Verträge eine Volksabstimmung durchführen muss. Das hatte das Verfassungsgericht bereits vor über zwanzig Jahren festgelegt. Auch den Vertrag von Nizza, heute die Rechtsgrundlage der EU, hatten die Iren 2001 in einem ersten Referendum zunächst abgelehnt. 16 Monate später aber haben sie ihm dann zugestimmt.


Autor: Bernd Riegert, z Zt. Dublin
Redaktion: Christian Walz / Julia Kuckelkorn