1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Mehrere tausend Opfer des Stalinismus warten vergeblich auf Entschädigungen in Polen

23. August 2004
https://p.dw.com/p/5TWM

Warschau, 20.8.2004, NASZ DZIENNIK, poln.

Personen, die in der Zeit des Stalinismus Repressalien erleiden mussten, warten seit über sechs Monaten auf Entschädigungen, die ihnen per Gerichtsurteil zugesprochen wurden. Nach Angaben des Justizministeriums betragen die Zahlungsrückstände schon insgesamt 27 Millionen Zloty (etwa 6,27 Millionen Euro). (...)

Einige tausend Personen, denen aufgrund erlittener Repressalien während des Kommunismus Entschädigungen zugesprochen wurden, verlieren den Glauben daran, die Entschädigungen überhaupt noch zu bekommen. Das Problem erstreckt sich auf ganz Polen. Allein in Warschau warten 500 Personen auf Entschädigungen, und die Zinsen von den nicht ausbezahlten Beträgen werden immer höher.

"Das Justizministerium agiert nur als Vermittler bei dem Transfer des Geldes, das vom Finanzministerium zur Verfügung gestellt wird. Wir haben uns an das Finanzministerium gewandt, eine spezielle Rücklage in Höhe von 100 Millionen Zloty (etwa 23,25 Millionen Euro) für das Jahr 2004 zu bilden, die für die Auszahlung der Entschädigungen an die Opfer des Stalinismus bestimmt werden sollte. Der Betrag, den wir bekommen haben, beläuft sich jedoch lediglich auf etwa 10 Millionen Zloty (ca. 2,32 Millionen Euro), die noch im ersten Quartal d.J. überwiesen wurden", erklärte Barbara Makosa-Stepkowska, Direktorin des Informationsbüros des Justizministeriums.

Von diesem Geld wurden aber zuerst Rückstände vom letzten Jahr gedeckt. Das Justizministerium teilte dem Finanzministerium mit, dass der Betrag ein Tropfen auf den heißen Stein ist und, dass das Geld nicht rechen wird: "Uns wurde aber geantwortet, dass alle Reserven, die für die Auszahlungen von Entschädigungen für dieses Jahr bestimmt wurden, bereits ausgeschöpft seien", erklärt Barbara Makosa-Stepkowska. (...)

Um die Durchführung der Auszahlungen bemüht sich auch das Komitee für das Gedenken an die Opfer des Stalinismus in Polen: "Die Auszahlung der Entschädigungen ist nicht nur eine moralische Pflicht, sondern hat auch eine erzieherische Bedeutung. Dadurch wird auch für die jungen Polen sichtbar, dass man sich für andere Mitbürger und für die Heimat engagieren muss und, dass die Opfer, die für die Allgemeinheit gebracht wurden, anerkannt und geschätzt werden, wenn auch mit Verspätung", betonte Dr. Leszek Skonka von dem Komitee für das Gedenken an die Opfer des Stalinismus.

Es ist jedoch schwierig, mit diesen Argumenten Verständnis bei den postkommunistischen Machthabern zu wecken, die sich sogar noch jetzt dafür einsetzen, Kombattantenzuschüsse für die ehemaligen Mitarbeiter des Staatssicherheitdienstes, der Miliz oder der kommunistischen Staatsanwaltschaft, die jegliche Opposition bekämpften, wieder einzuführen.

Die Mitglieder des Komitees für das Gedenken an die Opfer des Stalinismus in Polen betonen, dass eine große Zahl der Polen, die von den Behörden der ehemaligen Sowjetunion Repressalien erlitten, bisher auch keine Entschädigung bekamen: "Es handelt sich dabei um Entschädigungsbeträge in sechsstelliger Höhe und sie sollten aus der polnischen Staatskasse bezahlt werden. Seit Jahren betonen wir aber, dass es sich dabei um einen Skandal handelt. Der gegenwärtige Staat Russland ist nämlich der Nachfolger des Staates von Lenin und Stalin und aus diesem Grunde sollte er diese Verpflichtungen übernehmen und die alten Schulden gegenüber Polen begleichen. Dafür spricht umso mehr die Tatsache, dass die UdSSR nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges weiterhin dem polnischen Volk indirekt Schaden zufügte, indem Polen das politische System aufgedrängt wurde und das Land den Interessen Russlands diente", sagte Dr. Leszek Skonka

Das Komitee für das Gedenken an die Opfer des Stalinismus in Polen will Klage vor dem Internationalen Gerichtshof in Straßburg einreichen. (sta)