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Mehr verloren als gewonnen

Miodrag Soric 9. März 2005

Der tschetschenische Rebellenführer Aslan Maschadow ist tot. Moskau hofft, dass sich damit der Tschetschenien-Konflikt schneller lösen lässt. Miodrag Soric sieht das anders.

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Miodrag Soric
Grafik für Kommentar oder Fernschreiber-Kolumne, August 2004

Es gibt Siege, bei denen man mehr verliert als gewinnt. Ein solcher "Sieg" ist die Tötung des letzten demokratisch gewählten Präsidenten Tschetscheniens, Aslan Maschadow, durch russische Sicherheitskräfte. Maschadow war schon lange keine Gefahr mehr - weder für die russische Regierung noch für die Integrität des russischen Staates. Im Gegenteil.

Ironie der Geschichte

Maschadow blieb bis zuletzt einer der wenigen Stimmen im tschetschenischen Lager, die sich für eine Verhandlungslösung, für Gespräche mit der russischen Seite aussprachen. Er verurteilte in den letzten Jahren ohne Wenn und Aber die blutigen Angriffe tschetschenischer Terroristen gegen Zivilisten. Es ist schon eine besondere Ironie der Geschichte, dass es der russischen Armee zwar gelang, Maschadow zu töten, nicht aber die Hintermänner des brutalen Überfalls auf die Schule in Beslan, bei der Hunderte von Zivilisten - die meisten Kinder - ums Leben kamen. Maschadow, der gemäßigte Führer der Tschetschenen ist tot, sein Widerpart Schamil Bassajew lebt noch, und bereitet wohl gerade den nächsten Anschlag vor.

Keine Vermittlungslösung möglich

Russlands Präsident Wladimir Putin mag noch so oft den Krieg im nördlichen Kaukasus für beendet erklären: de facto läuft er weiter. Mit der Tötung von Maschadow beraubt sich die russische Führung eines potentiellen Vermittlers bei Geiselnahmen oder anderen Krisen. Auch wenn es der russische Präsident nicht gerne hört: Sobald es in der Vergangenheit zu einer ernsthaften Zuspitzung im Kaukasus gekommen war - etwa bei einer Geiselnahme -, suchten die Emissäre Putins sofort den Kontakt zu Maschadow. Sie baten ihn, mäßigend auf die Terroristen einzuwirken, was dieser gewiss auch versuchte, wenn auch nicht immer mit Erfolg. Maschadows Tod hat zur Folge, dass es jetzt nicht einmal mehr theoretisch die Möglichkeit einer Vermittlung geben wird. Putins Handlungsspielraum in Krisenzeiten wird so eingeschränkt.

Was ist los im Kaukasus?

Noch ist es viel zu früh, um ein endgültiges Urteil über die näheren Umstände der Tötung von Maschadow zu fällen. Auffallend ist aber doch, dass er sich kurz vor dem Angriff in einem Dorf aufhielt, das gerade mal 20 Kilometer von der tschetschenischen Hauptstadt Grozny entfernt liegt. Offensichtlich haben Hunderte von Checkpoints und Tausende von Soldaten in ganz Tschetschenien nicht verhindern können, dass sich Maschadow in seiner Heimat frei bewegte. "Wie ist das möglich?", werden die russischen und die mit ihnen verbündeten tschetschenischen Sicherheitskräfte gefragt. Als Antwort bleiben nur zwei Möglichkeiten: Entweder sind viele Soldaten im nördlichen Kaukasus so korrupt, dass sie jeden laufen lassen, der über genügend Geld verfügt. Oder Maschadow war in der tschetschenischen Bevölkerung so beliebt, dass er dort problemlos untertauchen konnte. Beide Interpretationen sind wenig schmeichelhaft für den Kreml.

Im Westen gemieden

Maschadow war sicherlich kein Politiker nach dem Geschmack des Westens, schon gar nicht ein Held. Staatsmänner in Berlin, London oder in Paris haben ihn gemieden. Das hat seine Gründe: Zu Beginn der 1990er-Jahre hat Maschadow den bewaffneten Widerstand gegen Russland unterstützt. Der Westen aber war seit jeher gegen die tschetschenische Unabhängigkeit. Hinzu kommt, dass der Westen Putin nicht unnötig verärgern wollte. Auch deshalb sprach niemand im Westen mit Maschadow. Jetzt ist er tot. Der Westen wird aber auch weiterhin den russischen Präsidenten auffordern, nach einer politischen Lösung für den Tschetschenien-Konflikt zu suchen.